Der Riesenkran an der Baustelle des Fellbacher Schwabenlandtowers wächst – und lockt viele Schaulustige an. Mit 112 Metern wird er höher als der Rohbau sein. Hier sind die Bilder.

Am Morgen um acht hängt noch dichter Nebel über dem vorderen Remstal, die Sichtweite liegt bei allenfalls 50 Metern. Wer sich Fellbach nähert, erkennt deshalb weder den 107 Meter hohen Schwabenlandtower noch, was sich rund um den Wolkenkratzer abspielt. Drei Stunden später sieht es am Mittwoch anders aus: Bei schönstem Sonnenschein gehen dort Bauarbeiter ihrer Betätigung nach und streben mit einem stählernen Gerüst Meter um Meter in Richtung Himmel.

 

Jetzt geht es unverkennbar los mit dem Aufbau des seit Monaten versprochenen Riesenkrans. Er ist nötig für die Fertigstellung des Towers, der seit Jahren im Rohbau verharrt. Bereits vor einer Woche hätte der Megakran kommen sollen, doch „aufgrund technischer Probleme“, wie es hieß, gab es Verzögerungen. Doch was sind schon die weiteren paar Tage, nachdem das Hochhausprojekt schon seit sechs Jahren auf Eis liegt, und nachdem seit vielen Monaten für den Aufbau des Krans immer wieder neue Termine genannt wurden.

Wenn „Wotan“ in die Höhe wächst

Gut ein Dutzend Schaulustige haben sich versammelt auf dem Gehweg der halbseitig gesperrten Friedrich-List-Straße. Bei den Neugierigen, die sich mit der flachen Hand vor den Augen gegen blendende Sonnenstrahlen schützen, handelt es sich fast durchweg um Männer in den besten Jahren – Rentner, die sich am Vormittag die Zeit mit diesem kleinen Spektakel vertreiben.

Die Bauarbeiter haben derweil anderes zu tun, als sich vom Reporter in einen Plausch verwickeln zu lassen. Auskunft gibt es trotzdem – nämlich von einem Zaungast, der sich als Experte in Sachen Krantechnik erweist. „Das ist ein Wotan“, sagt er fachmännisch mit Blick auf den roten Hauptkran, der zu diesem Zeitpunkt rund 60 Meter Höhe, etwas mehr als die Hälfte der vorgesehenen Höhe, erreicht haben dürfte. An Höhe gewinnt er mithilfe eines zweiten, genauso imposanten, ganz in Gelb gehaltenen Krans, errichtet von der Firma Wiesbauer aus Bietigheim-Bissingen. Das seit 60 Jahren bestehende Unternehmen bezeichnet sich selbst als „der führende Schwerlast-Komplettanbieter in Baden-Württemberg“. Die „modernste Hebetechnik“ kommt nun zum Zug, mehrere Sattelzüge hat die Firma aus dem Kreis Ludwigsburg in den Fellbacher Osten beordert.

Kranexperte mit Höhenangst

Benötigt wird der rote Megakran, um die mehrfach verschobene Beplankung des Wohnturms mit Aluminium-Elementen für die Fassade zu vollenden. „Der Superkran, der den Megakran in den Himmel hebt“ – so drückt es treffend der Hobby-Schwerlastexperte aus. Der 66-Jährige wohnt in Fellbach, ganz in der Nähe der Tower-Baustelle, und lässt sich diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen. „Einen Kran in dieser Dimension sieht man so schnell nicht wieder“, sagt der ehemalige Gärtner, der nach eigener Aussage schon immer ein Faible für Kräne hatte. Wenn da nicht die seit Kindestagen existierende Höhenangst gewesen wäre, weshalb er doch lieber einen Beruf nahe der Erdoberfläche mit Pflanzen und Büschen wählte.

Womöglich an diesem Donnerstag, spätestens am Freitag muss der Kran dann seine endgültige Höhe erreicht haben, denn länger hat das Fellbacher Ordnungsamt die halbseitige Sperrung in der Liststraße nicht genehmigt. Die sogenannte Endhakenhöhe, wie der Fachmann erklärt, liegt dann bei 112 Metern – also fünf Meter höher als die Spitze des Hochhauses. Damit ist die Baustelle natürlich alles andere als beendet – aber es ist das von der Fellbacher Stadtverwaltung mit Oberbürgermeisterin Gabriele Zull an der Spitze erhoffte „deutlich sichtbare Zeichen, dass es beim Schwabenlandtower endlich weitergeht“. Die in schwere finanzielle Turbulenzen geratene Adler-Group könnte mit diesem Endspurt das Riesenprojekt doch noch zu einem guten Schluss führen. „Auf dass dieser Bau hoffentlich endlich mal fertig wird“, wie es ein anderer Nachbar beschreibt, der sich zur lockeren, spätsommerlichen Gesprächsrunde gesellt.

Erster Riesenkran wurde 2016 abgebaut

Der Baukran gehört der Spezialfirma BBL Baumaschinen GmbH aus Friedrichsthal, die „ein lückenloses Kranprogramm von 25 bis 85 Meter Ausladung“ in petto hat. „Saarländische Technik erobert die Bundeshauptstadt“, lautet eine Schlagzeile des Unternehmens, ein Firmenvideo zeigt den Aufbau des „derzeit höchsten Krans in Berlin“ – mit einer Hakenhöhe von 122 Metern. Da kann Fellbach ja fast mithalten.

Neu ist der Anblick eines Riesenkrans an dieser Stelle keineswegs. Im Jahr 2016 stand schon mal ein solcher Kran – und machte durch eine Aktion der Bewegung „Freiheit für Oeffingen“ Schlagzeilen: Kletterfexe kraxelten in einer waghalsigen Aktion hinauf, um eine rot-weiße Flagge mit dem Doppelkreuz für den Fellbacher Stadtteil anzubringen. Sie balancierten zudem auf den Kranausleger, um in rund 100 Metern Höhe ein Protesttransparent gegen den umstrittenen Nordostring aufzuhängen. Einige Monate danach, kurz vor dem unfreiwilligen Baustopp, wurde der Kran abgebaut – durch die jetzt nötigen Umbauten muss nun aber wieder ein neuer her.

Vom Gewa-Tower zum Schwabenlandtower 107

Start
 Ein Projekt, das vom Baubeginn bis zu seiner nun womöglich bevorstehenden Vollendung eine derart lange Zeit benötigt, gibt es nicht alle Tage. Der Spatenstich für den Gewa-Tower, wie er seinerzeit noch hieß, erfolgte Ende Mai 2014. Unter den Gästen der Investorenfamilie Warbanoff war natürlich auch einer der Hauptförderer des Projekts, der damalige Fellbacher OB Christoph Palm. Die Gesamtfertigstellung kündigte Michael G. Warbanoff für „Herbst 2016“ an.

Neubeginn
 Stattdessen folgte zu dem genannten Datum die Insolvenz. Jahrelang wurde geunkt, dass es nichts mehr wird mit Süddeutschlands höchstem Wohnturm. Die aktuellen Investoren der Adler-Group versichern aber, dass der Schwabenlandtower 107 auf jeden Fall fertiggestellt werde. Im Fellbacher Gemeinderat nannte in diesem April einer der Führungskräfte des Konzern als Einzugstermin für die ersten Bewohner das Jahr 2024.