Immer stark, immer tough: So wollen viele Studenten sein. Sind sie aber gar nicht, stellte die Studienberatung der Hochschule der Medien in Stuttgart fest. Deshalb richtet sie einen Aktionstag zur Männergesundheit aus.

Es steht nicht zum Besten mit der Gesundheit vieler Studenten. Das hat David Sixt festgestellt. Er ist Studienberater und systemischer Coach an der Hochschule der Medien (HdM) in Vaihingen. Die Zahl ratsuchender Studenten habe sich von 2019 auf 2020 mit 257 Fällen knapp verdreifacht, im Jahr 2021 sei sie sogar auf 420 gewachsen. Und bei immer mehr dieser Beratungen seien große psychische Belastungen zum Vorschein gekommen, so Sixt. „Wir sehen, dass die Anträge auf Urlaubs- und Krankheitssemester hochgegangen sind.“

 

Allerdings gebe es eine Auffälligkeit: „Wir haben die letzten zwei Jahre festgestellt, dass Männer unterrepräsentiert sind.“ Auch bei den Dauerangeboten der Studienberatung. Das liege aber nicht etwa daran, dass Männer stressresistenter oder gesünder als Frauen seien. Sondern, so Sixt: „Männer wollen keine Weicheier sein. Das Narrativ des harten Mannes ist schon noch in den Köpfen vieler Studis.“ Viele behaupteten, „es geht mir gut“, auch wenn das gar nicht stimme. Bis es dann plötzlich peng mache – und die Betroffenen ihr Studium abbrächen oder in stationäre Therapie kämen.

Mut fassen beim Männeryoga

Doch so weit will man es in der HdM gar nicht erst kommen lassen. Am 17. November veranstaltet das Center for Learning & Development der HdM einen sogenannten „Men’s Health Aktionstag“. Mit Männeryoga, einem Workshop zur Resilienz, einer Gesprächsrunde mit dem Titel „Boys, let’s talk!“ sowie dem Vortrag eines Tübinger Psychotherapeuten samt Diskussion sollen die studierenden Männer aus ihren Rückzugszonen gelockt werden. Damit sie sich nicht gleich outen müssen, finden zumindest die Gesprächsrunden virtuell statt. Dann können sich Interessenten auch anonym dazuschalten. Ziel des Aktionstages sei, das Thema mentale Gesundheit bei Männern aus der Tabuzone zu holen. Das unterstütze auch die Verfasste Studierendenschaft. „Wir wollen die Männer ermutigen, sich zu trauen“, sagt Sixt. Diese sollten lernen: „Mir darf’s auch mal schlecht gehen.“

Viele Studierende leiden unter Coronafolgen

Und was ist mit den Studentinnen? Die warteten meist ohnehin nicht erst, bis der Leidensdruck zu groß sei, berichtet Sixt. Sondern kümmerten sich frühzeitiger um Hilfe. Diese sei seit der Pandemie notwendiger denn je. „Corona ist mit Sicherheit ein Brandbeschleuniger gewesen.“ Und nun litten viele noch unter den Nachwirkungen. Denn, so der Studienberater: „Kontakte waren nicht, Feiern war nicht, viele fühlten sich da allein und allein gelassen.“ Manche hätten schon in der Schule unter der Pandemie gelitten und brächten aus dieser Situation Belastung und Überforderung ins Studium mit. Andere hätten Lernrückstände. Oft kämen Studierende in die Beratung, weil sie sich nicht organisieren könnten, müde seien, motivationslos, orientierungslos – „und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen“.

Den meisten helfe es schon, dass sie mit jemandem darüber sprechen könnten, berichtet Sixt. Manche schicke man auch zur psychologischen Beratungsstelle des Studierendenwerks. Für eine Therapie gebe es allerdings zu wenig Plätze und Wartezeiten. Eine Einzelberatung in der zentralen Studienberatungsstelle der HdM ist einfacher zu haben, eine Warteliste gebe es nicht. Studierende könnten selbst übers Intranet einen Termin buchen. „In der Regel bekommen alle Studis so innerhalb einer Woche einen Termin – im akuten Fall auch schneller“, so Sixt. Aktuell biete man wieder vor allem persönliche Beratungstermine an, da könne man direkter mit den Studierenden arbeiten. „Man merkt, dass auch die Studis das persönliche Gespräch wieder schätzen.“

Therapieplätze sind rar

Im Januar veranstaltet die HdM eine Woche zur mentalen Gesundheit – für alle. Zum Angebot der zentralen Studienberatung gehören auch Programme zu Lerntechniken oder zum Verfassen von Hausarbeiten.