Studententeams der Hochschule der Medien haben in einer großen Stuttgarter Flüchtlingsunterkunft zwei Dokumentarffilme gedreht. Sie haben dabei für sich Überraschendes gelernt.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Sein Weg führt Hayyan Salman an Trümmern vorbei. Dann setzt sich der 23-Jährige, blickt vom Birkenkopf auf seine neue Heimat. Nicht lange ist es her, da hat seine Familie der Krieg in Syrien zur Flucht getrieben. Mit dem Boot kamen sie von Ägypten nach Italien. Der Kapitän machte sich mitten auf der Fahrt davon. Sie waren 200 Flüchtlinge und ohne Essen, ohne Wasser, ohne Medizin. „Wie wir es geschafft haben? Ich weiß es nicht“, erzählt Salman in dem Film „Krieg.Flucht.Neuanfang“ von Studenten der Hochschule der Medien. In der Dokumentation berichtet er auf berührende und doch unaufgeregte Weise von genau diesen Abschnitten seines Lebens.

 

Der Birkenkopf, Stuttgarts Trümmerberg, ist dabei nur einer von vielen Drehorten, aber einer, den die Studenten ganz bewusst ausgewählt haben. „Es ist noch gar nicht lange her, dass in Stuttgart Krieg war“, sagt der Student Thay Putra, der den Film mit Johannes Maier und Felix Schwarz im vergangenen Semester gedreht hat. Über die Bildsprache wollten sie dieses vermitteln. Auch in die Stadtbibliothek, wo sich Hayyan Salman weiterbildet, in die Volkshochschule, wo er Deutsch lernt, auf den Fußballplatz und beim Einkauf haben sie ihn begleitet. Hayyan ist auch in seinem Zimmer zu sehen, das er sich mit zwei Brüdern in einer Stuttgarter Flüchtlingsunterkunft teilt – eine Umstellung für die Familie, die in Syrien sehr wohlhabend war. Gleich zwei Studententeams der Hochschule der Medien (HdM) haben im Sommersemester Dokumentationen in einem der größten Stuttgarter Flüchtlingsheime gedreht. Der eine beschäftigt sich mit dem Flüchtling Hayyan Salman, der andere mit der engagierten Sozialarbeiterin Salome Gunsch aus der Unterkunft, die viele Schicksale mitbekommt – doch letztlich angesichts der Masse an Flüchtlingen, für die sie zuständig ist, vieles an ehrenamtliche Helfer delegieren muss. „Sie wollte zuerst nicht mitmachen, weil sie nicht im Mittelpunkt stehen wollte, aber sie trägt die Geschichte wunderschön“, meint Diana Schmidt, die den Film „Integration auf Umwegen – Zwischen bewegenden Schicksalen und Bürokratie“ mit ihren Kommilitonen Thales Camargo, Laura Petzold und Verena Süß gemacht hat. Die Studenten haben Salome Gunsch in ihrem Alltag begleitet und sie dabei über ihr Wirken reflektieren lassen.

Die Sozialarbeiterin wollte nicht im Mittelpunkt stehen

Eckhard Wendling, Professor für Film- und TV-Produktion, findet, dass beide Filme sehr gelungen sind. Gemeinsam mit seinem Kollegen Stephan Ferdinand hat er den Kurs geleitet. Wendling ist es wichtig, dass seine Studenten sich in ihren Projekten sozialen Themen widmen. Wenn er seine Studenten frage, was sie für einen Film drehen wollten, käme meist der Vorschlag, eine Band vorzustellen – am liebsten drei Rapper rund um eine brennende Tonne. Soziale Themen mögen im Vergleich dazu weniger plakativ sein, aber es bringe ihnen viel mehr, meint Wendling. Einen kommerziellen Hintergrund dürften die Filme nicht haben. So drehen die Studenten für Stiftungen oder soziale Verbände Filme, die „sonst nicht entstehen würden, weil die Auftraggeber kein Geld dafür haben“. Die beiden Filme aus dem Flüchtlingsheim gehen an die Caritas. Aber auch ein Film für eine Kindertagesstätte aus Weilimdorf ist im vergangenen Semester entstanden. Im Flüchtlingsheim sind die Studenten „sehr herzlich aufgenommen“ worden, wie sie erzählen. So berichtet Thay Putra, dass sie gleich am ersten Abend zu viert von Hayyans Familie zum Essen eingeladen worden seien – es gab Fladenbrot, Olivenöl und syrische Kräuter. Die Studenten sind überrascht gewesen, wie gut ausgebildet viele Flüchtlinge sind, die hierher kommen. „Da war ein Ingenieur, der hat Informatik studiert, aber es wird hier nichts anerkannt“, erzählt Diana Schmidt.

Familie hat die Studenten zum Essen eingeladen

Beide hatten vorher andere Vorstellungen, wie es im Flüchtlingsheim aussehen würde. „Ich dachte, es wäre chaotischer, es hatte das Gefühl von einem Wohnheim“, sagt Diana Schmidt. Sie sei überrascht gewesen, dass sich so viele Ehrenamtliche engagieren und es so viele Freizeitangebote gibt. Im Film sieht man beispielsweise Flüchtlinge mit der Sozialarbeiterin Yoga machen. „Es sah da alles so temporär aus, nicht so, als würden die Bewohner zwei Jahre bleiben“, meint auch Thay Putra. Der Vater des 21-Jährigen ist in den 80er Jahren selbst als Flüchtling aus Sri Lanka nach Deutschland gekommen. Auch deshalb lag ihm diese Arbeit besonders am Herzen. Vier Monate sind sie in der Einrichtung ein- und ausgegangen. Es sei komisch gewesen, als es vorbei war, meint Diana Schmidt. Inzwischen haben sie die Filme in der HdM präsentiert – 17 Flüchtlinge sind nach Vaihingen gekommen. Das sei schön gewesen, sagt die 27-Jährige.