Am Morgen und am Spätnachmittag ist in vielen Städten kein Durchkommen mehr. Ein Esslinger Professor hat einen entspannenden Vorschlag: Leichte Falträder mit Elektroantrieb.

Stuttgart/Esslingen - Mit dem Rad zur Arbeit - diese Idee scheidet für viele Angestellte schon aus praktischen Gründen aus. Oft sind die Wege zu weit oder man will nicht völlig verschwitzt im Büro ankommen. Eine mögliche Lösung hat ein Team der Hochschule Esslingen um Professor Oliver Zirn entwickelt: superleichte Räder mit Elektroantrieb, die sich zusammenfalten lassen. Sie könnten den Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel erleichtern.

 

Den Tüftlern ging es um die „letzte Meile“ - also einen vergleichsweise kurzen Weg von Bus- oder Bahn-Haltestelle zum Arbeitsplatz und zur Wohnung. „Geschlossene Wegeketten im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)“ nennen das die Planer. Das Gefährt muss leicht und zusammenklappbar sein, damit man es als „Gepäckstück“ auch zu Stoßzeiten mit in die Bahn nehmen kann. Zugleich darf es einem beim Benutzen nicht den Schweiß aus allen Poren treiben.

Ultraschallsensor verbaut

Erste Überlegungen vor knapp drei Jahren brachten Zirn und seinen Kollegen Axel Norkauer von der Hochschule für Technik in Stuttgart auf die Idee, elektrisch unterstützte Roller einzusetzen. Die sind etwa in US-Großstädten mittlerweile sehr populär, doch für deutsches Recht viel zu flott unterwegs. „Die schaffen 20 Stundenkilometer, das ist für den Gehweg unvernünftig schnell“, sagt Zirn.

Also bauten sie dem Roller einen Ultraschallsensor ein, der Gegenstände und Personen in Fahrtrichtung erkennt und dann automatisch das Gefährt herunterbremst. Doch bei den zuständigen Stellen traf auch dieses Modell auf keine Gegenliebe. Eine Genehmigung lehnten die Verkehrsjuristen wegen möglicher Gefährdungen für andere Bürgersteigbenutzer ab. Eine Dauerdrosselung auf sechs Stundenkilometer empfanden wiederum die Probefahrer als uninteressant - denn bei Schrittgeschwindigkeit können sie auch gleich zu Fuß gehen und sich den Transport eines Rollers sparen.

Mit 250.000 Euro Fördermitteln des Landesverkehrsministeriums ging es deshalb 2016 an die nächste Idee: Falträder mit Elektroantrieb. Die gab es zwar schon von mehreren Herstellern auf dem Markt, doch mit relativ hohem Gewicht und deshalb für die schnelle Mitnahme in Bus und Bahn zu schwer. Das Team um Zirn hatte den Ehrgeiz, das Gewicht des Transportmittels unter zehn Kilogramm zu drücken. In Zusammenarbeit mit der taiwanesischen Firma Strida ist das nun gelungen. Das Gefährt ist nach Angaben der Hochschule mit 9,9 Kilogramm das weltweit leichteste elektrifizierte Faltrad.

Nachteile von Leichtmaterialien

Nachteil: Die Verwendung von Leichtmaterialien wie Carbon ist teuer - das Faltrad dürfte über 3.000 Euro kosten. Deutlich günstiger liegt die Variante aus Aluminium mit weniger als 1.000 Euro - allerdings auch mit eineinhalb Kilogramm mehr Gewicht. Der Akku reicht mit seiner Kapazität von 100 Wattstunden für acht bis zwölf Kilometer.

Probefahrt auf einem Privatgelände: Das Rad lässt sich auf der Ebene mühelos ohne elektrische Unterstützung fahren, auch wenn es nur einen einzigen Gang hat, der die Tretkraft per Zahnriemen auf das Hinterrad überträgt. Geht es bergauf, lädt man per Knopfdruck Energie hinzu - und schafft auch kleine Anhöhen, ohne ins Schwitzen zu geraten. „Damit kommen Sie ohne große Anstrengung die Stuttgarter Weinsteige hoch“, verspricht Forscher Zirn.

Das Verhalten des Faltrads ist leicht gewöhnungsbedürftig. Bei starkem Schub aus dem Elektromotor kann das Vorderrad schon mal kurz abheben. Der Motor unterstützt immerhin Geschwindigkeiten bis zu 22 Stundenkilometer.

Rad kann noch nicht gekauft werden

Kaufen kann man das Rad noch nicht. Eine Unsicherheit für die Einführung seines E-Faltrads sieht Zirn noch in der Politik: Derzeit bemühten sich Anbieter aus den USA, deutsche Großstädte mit einem Netz ausleihbarer Elektroroller zu überziehen - ähnlich wie die leihbaren E-Bikes, die es heute schon gibt. Sollte das genehmigt werden, wäre das E-Faltrad zwar immer noch interessant - allerdings würden sich viele Nutzer wahrscheinlich eher für den leichteren Roller entscheiden.