Baden-Württemberg zählt so viele Studenten wie noch nie zuvor – und in diesem Jahr sollen es noch mehr werden. Die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sieht das Land gut vorbereitet.

Stuttgart - Die öffentlichen Appelle scheinen zu fruchten. Noch nie gab in Baden-Württemberg mehr Studenten als im aktuellen Studienjahr, und die meisten studieren auch noch das, was Politik und Wirtschaft wünschen. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) präsentierte gemeinsam mit Carmina Brenner, der Präsidentin des Statistischen Landesamtes, die neuesten Studierendenstatistiken. Danach gibt es erstmals in Baden-Württemberg mehr als 300 000 Studenten. Genau 305 000 junge Menschen waren im Wintersemester 2011/12 an den Hochschulen des Landes immatrikuliert, das sind sechs Prozent mehr als ein Jahr zuvor und 100 000 mehr als vor zehn Jahren. Die Zahl der Studienanfänger stieg innerhalb eines Jahres sogar um 15 Prozent, im Herbst 2011 haben 66 200 junge Menschen ein Studium aufgenommen.

 

Am meisten gefragt war die Duale Hochschule (DHBW). Sie ist mit 27 800 Studierenden nun die größte Hochschule im Land – noch vor der Uni Heidelberg mit 27000 Studenten. Die meisten Anfänger (14 577) entschieden sich für Wirtschaftswissenschaften. Es folgen Maschinenbau, Informatik und Elektrotechnik. Auf dem fünften Rang liegt Germanistik, doch sind die Anfängerzahlen dort rückläufig (-0,7 Prozent). Die technischen Fächer dagegen verbuchen enorme Zuwächse. Allen voran das allgemeine Ingenieurwesen mit 38,7 Prozent, Physik mit 31 Prozent und Wirtschaftsingenieurwesen mit 29 Prozent.

Studienentscheidung „erfolgreich gesteuert“

Die Studienentscheidungen der Anfänger seien „ein Beleg dafür, dass es gelingt, erfolgreich zu steuern“, sagt die Wissenschaftsministerin zufrieden. Seit Jahren werben Wirtschaft und Politik für die Mintfächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Gleichzeitig betonte Bauer, „es ist gut, wenn sich mehr junge Menschen für ein Studium entscheiden“. Man brauche hoch qualifizierte Fachkräfte. Den Anstieg habe Baden-Württemberg „gut gemeistert“.

Im kommenden Wintersemester werden die Anfängerzahlen noch einmal ansteigen. Dann kommen die Absolventen des doppelten Abiturjahrgangs in Baden-Württemberg an die Hochschulen. 93 000 junge Menschen werden eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben, 2011 waren es 70 000. Wie viele von ihnen tatsächlich studieren werden, ist offen. Bauer verweist auf die Ausbauprogramme der Hochschulen und geht davon aus, „dass wir auch die weiter steigende Nachfrage werden befriedigen können“.

Plätze länger erhalten

Sie betonte jedoch erneut, dass die zusätzlichen Plätze nicht so schnell wieder abgebaut werden könnten. „Wir sind nicht auf dem Matterhorn, wo es nach steilem Anstieg steil bergab geht, sondern auf einem Hochplateau“. Die Kultusministerkonferenz prognostiziert, dass die Zahl der Anfänger nach dem Höhepunkt im Jahr 2012 langsam zurückgeht, 2025 werde das Niveau von 2009 erreicht. Darauf müsse der Landtag reagieren, verlangt Bauer. Sie fordert aber auch, „der Bund muss den Hochschulpakt 2020 dringend anpassen“.

Dank insgesamt 22 500 neuer Plätze sieht sich Baden-Württemberg bei den Anfängern gut gerüstet. Jetzt muss das Land laut Bauer „im Masterbereich nachlegen“. Noch in dieser Legislaturperiode müssten weitere Plätze geschaffen werden. In der Diskussion bezog Bauer deutlich Position: „Ich halte nichts davon, dass jeder Bachelor seinen Master braucht. Schon gar nicht einen konsekutiven“. Damit würde die Reform der Studienstruktur konterkariert. Es gebe keine ernsthaften Anzeichen dafür, dass der Bachelorabschluss von der Wirtschaft nicht angenommen werde. Beim Ausbau müsse ein ausgewogenes Verhältnis zwischen direkt an den Bachelor anschließenden Mastern und Mastern zur Weiterbildung gefunden werden. Das hänge auch von den Fächern ab.

Master an Dualer Hochschule umstritten

Ob die beliebte Duale Hochschule Masterstudiengänge anbieten soll, wird derzeit in einer Studie geklärt. Die Ministerin ist aber jetzt schon „sehr skeptisch“ was den konsekutiven Master an der DHBW angeht. Die Absolventen hätten hervorragende Einstellungschancen. Die Unternehmen würden erwarten, dass sie auch zur Verfügung stünden. Das Erfolgsmodell der Mischfinanzierung mit Unternehmensbeteiligung würde durch einen konsekutiven Master konterkariert. Dagegen würde ein Weiterbildungsmaster nach einer Phase der Berufstätigkeit Bauer zufolge „hervorragend zur Dualen Hochschule passen“.

Die größten ihrer Art

Die Duale Hochschule, die frühere Berufsakademie, die 2008 Hochschulstatus erlangt hat, zählt die meisten Studenten (27 758) und die höchsten Zuwächse (plus 29,9) bei den Anfängern. Unter den Universitäten ist Heidelberg die größte (26 958). Die Universität Stuttgart verbucht bei den Anfängern die höchste Steigerungsrate der Universitäten und macht mit 5339 Anfängern ein Plus von 21,9 Prozent. Mit insgesamt 21 608 Studenten steht Stuttgart größenmäßig auf Platz sechs, Hohenheim mit 8808 auf Rang neun, die kleinste Uni ist Ulm (8628 Studenten). Die größte der Fachhochschulen, die jetzt Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) heißen , ist Karlsruhe (6926), die größte Pädagogische Hochschule Ludwigsburg mit 5160 Studenten. 51 Prozent der Studenten waren an Universitäten eingeschrieben, 29 Prozent an den HAW, neun an der Dualen Hochschule.

Doppelte Jahrgänge wirken sich aus


Der doppelte Abiturjahrgang in Bayern vom vergangenen Jahr und der bevorstehende in Baden-Württemberg hat sich nach Ansicht von Carmina Brenner auf die Anfängerzahlen ebenso ausgewirkt wie der Wegfall der Wehrpflicht. Fast 5000 Anfänger kamen aus Bayern – 31 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Durchschnittsalter der männlichen Anfänger sank von 21,7 auf 21,2 Jahre. Auch Frauen verzichteten wohl auf freiwillige Dienste, hier sank das Durchschnittsalter von 21,3 auf 21,1 Jahre. Der Frauenanteil bei den Anfängern ging auf 45 Prozent zurück.