Nur Niedersachsen und Bayern bitten Studenten noch zur Kasse. Nun bröckelt auch in Bayern die Front, das Thema wird dort zur Chefsache.

München - Es waren einmal sieben, jetzt sind es nur noch zwei. Ein Bundesland nach dem anderen will sich von den um das Jahr 2005 eingeführten Studiengebühren wieder verabschieden. Nordrhein-Westfalen schafft sie in diesem Wintersemester ab, Baden-Württemberg will vom Sommersemester 2012 darauf verzichten, und Hamburg will vom Herbst 2012 keine mehr eintreiben. Es bleiben also nur noch Niedersachsen und Bayern, die die ungeliebte Gebühr von 500 Euro pro Semester noch erheben wollen. Aber ausgerechnet im schwarz-gelb regierten Freistaat wächst nun die Kritik an dem Obolus der Studenten. Ministerspräsident Horst Seehofer (CSU) hat das Thema zur Chefsache gemacht, indem er Zweifel an der richtigen Verwendung der Abgabe säte: "Es kann nicht sein, dass wir Gebühren erheben und nicht wissen, wofür wir sie ausgeben", erklärte Seehofer. Ihm missfällt, dass die Hochschulen Einnahmen aus den Gebühren in Höhe von 100 Millionen in Rücklagen steckten, anstatt sie zur Verbesserung der Studienbedingungen zu nutzen.

 

Explizit hatte sich zuvor schon die bayerische FDP-Generalsekretärin Miriam Gruß für eine Abschaffung der Studiengebühr noch in dieser Legislaturperiode ausgesprochen. Die Vorstöße von Seehofer und Gruß veursachten Spannungen in der CSU-FDP-Koalition und lösten durch allgemeines Zurückrudern eine politische Bugwelle aus: Namentlich der FDP-Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch desavouierte seine Parteikollegin Gruß, indem er klarstellte, dass die Studiengebühren für ihn "nicht verhandelbar" seien. Wolle man den Wohlstand in Bayern halten, dann brauche man "top" ausgebildete Leute und deshalb auch die Studienbeiträge für eine bessere Lehre an den Universitäten. Im Übrigen zweifelt Heubisch an Seehofers Aussage, dass die Unis 100 Millionen Euro auf die hohe Kante gelegt hätten, es seien allenfalls 30 Millionen Euro, sagt Heubisch. Aber auch aus der CSU-Landtagsfraktion kamen kritische Wortmeldungen, wonach Seehofer klarstellen müsse, dass er nicht für eine Abschaffung, sondern allenfalls für eine "Überprüfung" der Gebühren sei.

Barke ist im Prinzip für die Gebühr

Bundesweit wird die bayerische Debatte dennoch als Signal für eine Absetzbewegung verstanden - denn wohl kein Land will als letztes und einziges an den Gebühren festhalten. Schon melden sich Stimmen aus Niedersachsen, die einen Dominoeffekt befürchten. Sollte Bayern sich vom Bezahlstudium verabschieden, so Erich Barke, der Präsident der Leibniz-Universität in Hannover, fürchtet er das Gleiche auch in seinem Land: "Niedersachsen würde es wohl nicht als einziges Bundesland durchstehen." Barke ist im Prinzip für die Gebühr, fordert aber vor allem eine bundeseinheitliche Regelung: Die Bundesrepublik müsse sich entscheiden, was in der Bildung kostenlos sei und was nicht: "Das darf nicht von der politischen Farbenlehre in den Bundesländern abhängen."

Die Hochschulrektorenkonferenz plädiert dafür, dass dort, wo die Gebühr fällt, den Unis eine Kompensation gezahlt wird. In Baden-Württemberg, wo jährlich 135 Millionen Euro an Studiengebühren eingenommen werden, hat Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) diese Zusage mehrfach gegeben. Wird sie eingehalten, dann sind wohl auch die Universitäten zufrieden. "Wir haben viel Arbeit mit der Studiengebühr. Und beliebt haben wir uns bei den Studenten damit auch nicht gemacht", heißt es im Rektorat einer baden-württembergischen Uni. Ministerin Bauer kommentiert die Münchner Debatte auf ihre Art: Sollte sich ergeben, dass nicht nur Baden-Württemberg, sondern auch Bayern die Gebühr abschafft, "hätte die erneuerte Südschiene doch schon Früchte getragen".

Beispiel Uni Stuttgart: Wie Studiengebühren verwendet werden

Einnahmen: Die Studiengebühr von 500 Euro pro Semester war eine besondere Einnahme. Sie wird in Baden-Württemberg vom Sommersemester 2012 an gestrichen, soll den Unis aber ersetzt werden. Die sagen, dass dies aufgrund der klammen Kassenlage bitter nötig sei. Die Uni Stuttgart erziehlt jährlich neun Millionen Euro durch die Gebühr.

Ausgaben: Die Uni Stuttgart hat 70 Prozent der Einnahmen an die Fakultäten verteilt. Die stellten damit beispielsweise mehr Tutoren und Dozenten ein (Fahrzeugtechnik), kauften sich einen Simulator für eine Sojus-Raumkapsel (Raumfahrt) oder ein teures Lernlabor (Sportwissenschaft), das Kräfte und Reflexe misst. 1,6 Millionen Euro bekamen zentrale Einrichtungen (Bibliothek und Rechenzentrum).