Die medizinischen Fakultäten der Universitäten machen sich Sorgen um die Verteilung der Landeszuschüsse in den kommenden fünf Jahren. Im neuen Solidarpakt für die Hochschulen würden keine Prioritäten gesetzt, klagen sie – und lasten das der SPD an.

Stuttgart - Die Hochschulmediziner in Baden-Württemberg sorgen sich um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unikliniken. Schon jetzt, warnt Ingo Autenrieth, der Sprecher der Dekane der medizinischen Fakultäten im Land, würden jährlich 87 Millionen Euro fehlen, um die Kostensteigerungen zu decken. Und die Lücke könnte noch größer werden. Der Solidarpakt, der den Hochschulen seit 2007 feste Landeszuschüsse garantiert, läuft zum Jahresende aus. Auf die Hochschulmedizin entfallen dabei jährlich nominell 560 Millionen Euro an Landesmitteln. Netto bleiben den medizinischen Fakultäten laut deren eigenen Angaben nach Abzug von globalen Minderausgaben und diversen Verschiebungen und Verrechnungen in den vergangenen Jahren jeweils zwischen 420 und 440 Millionen Euro.

 

Zurzeit werden die Pfründe neu verteilt. Die Hochschulen und das Wissenschafsministerium verhandeln einen neuen Pakt mit einer fünfjährigen Laufzeit. Die Dekane der medizinischen Fakultäten befürchten, dass sie bluten müssen, wenn das Geld für die kommenden Jahre verteilt wird. Vertreter aller Hochschularten erwarten vom Land Erhöhungen ihrer Budgets, immerhin müssen alle, von der Dualen Hochschule bis zur Universität, deutlich mehr Studenten verkraften.

Dekane vermuten parteipolitisches Kalkül

Mit dem bisherigen Verhandlungsverlauf sind die Dekane nicht zufrieden. Sie hätten mit ihren Argumenten zu wenig Gehör gefunden, klagen sie und vermuten dahinter parteipolitisches Kalkül. Die Hochschulmedizin mit ihre Spitzenforschung verschlingt sehr viel Geld und kommt auf den ersten Blick nur relativ wenigen zugute. Es gibt mit Heidelberg, Freiburg, Tübingen und Ulm vier Uniklinika im Land. Dagegen habe jede Kleinstadt eine Fachhochschule oder eine duale Hochschule, lästern die Dekane. Sie argwöhnen, dass der Finanzminister das Geld lieber mit der Gießkanne auf alle Hochschularten verteile, um möglichst viele Leute zu erreichen. Denn das bringe die Wählerstimmen in der Fläche. Überhaupt drücke sich die Landesregierung vor einer wissenschaftspolitischen Debatte. Vor allem der SPD-Teil sträube sich dagegen, Prioritäten zu setzen und wolle lieber „eine Nivellierung aller Hochschularten“, schimpft ein Professor, der lieber ungenannt bleiben will.

Auf die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer lassen die Dekane zwar rein fachlich nichts kommen, aber ihr fehle das Durchsetzungsvermögen gegenüber dem sozialdemokratischen Finanzminister.

„Geld denen geben, die es vermehren“

Es sei schon aus wirtschaftspolitischen Gründen nicht sinnvoll an der Hochschulmedizin zu sparen, argumentiert Ingo Autenrieth, der Dekan der medizinischen Fakultät der Uni Tübingen. Spitzenforschung bringe nicht nur Geld, sie bringe auch Renommee. Mit Blick auf die Drittmittel, die die Hochschulen für Spitzenleistungen einwerben könnten, verlangt Autenrieth, „die Regierung sollte das Geld denen geben, die es vermehren“. Er verweist auf Arbeitsplätze und die Universitätsmedizin als Beschäftigungsmotor in den Regionen.

Jedes Jahr fünf Prozent mehr für die Grundfinanzierung halten die Dekane für zwingend. Sie haben auch die außeruniversitäre Konkurrenz an den Max Planck Instituten und der Helmholtz-Gemeinschaft im Auge. Die Institutionen erhielten aus dem Pakt für Forschung und Innovation des Bundes jedes Jahr fünf Prozent mehr, berichtet Ingo Autenrieth. Wenn das Land bei der Universitätsmedizin dahinter zurückbleibe, „geht die freie Forschung unter“.

Professoren verlangen Prioritäten

Der Sprecher der Dekane fordert die Landesregierung auf, Prioritäten zu setzen, auch wenn das unbequem sei. „Heidelberg, Tübingen und Freiburg spielen nun mal in der Champions League“, argumentiert der ärztliche Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Hygiene an der Uni Tübingen. Entsprechend müsse die Ausstattung der Universitäten sein. Der Professor geht so weit, eine Differenzierung innerhalb der Hochschulen zu überlegen. Warum nicht an einigen Standorten Lehrschwerpunkte bilden und an anderen die Spitzenforschung fördern, fragt Autenrieth.

Das Wissenschaftsministerium reagiert zum gegenwärtigen Zeitpunkt befremdet auf die Klagen der Dekane. Die Verhandlungen zum Solidarpakt sind aufwendig. Man sei noch lange nicht in dem Stadium angelangt, in dem über Priorisierungen gesprochen werde, sagt ein Sprecher von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Zurzeit sei der Schwerpunkt der Gespräche die Erhöhung der Grundfinanzierung. Das Ministerium will weg kommen von dem hohen Anteil der Programm- und Projektmittel in der Hochschulfinanzierung. Das entspricht einer Forderung, die aus allen Hochschularten laut wird.

Der Sprecher erklärt, wie für die Hochschulen gelte auch für die Universitätsmedizin, „eine auskömmliche Grundfinanzierung und mehrjährige Planungssicherheit sind von enormer Bedeutung“. Der Eindruck, den die Dekane vom Verhältnis zwischen Wissenschafts- und Finanzministerium hätten, sei für das Wissenschaftsministerium „nicht nachvollziehbar“.