Die Sintflut zieht ab – vorerst. Der Neckar bei Esslingen hat schon wieder seinen beinahe normalen Pegelstand erreicht, nachdem zuvor zwischen den Schleusen Oberesslingen und Esslingen das Hochwasser paradoxerweise zu Niedrigwasser geführt hatte. Der Grund waren Baumstämme, die von den Wassermassen gegen die Wehrtore der Schleuse Esslingen geschwemmt worden waren und zwei der drei Tore blockiert hatten. Sie konnten nicht mehr geschlossen werden. Das Wasser floss ungebremst ab, während in Oberesslingen die Schotten gezielt dicht gemacht wurden, um den Wasserstand im Fluss für die Reparatur der Esslinger Wehre weiter zu senken.
Diese ging am Mittwochmorgen zwischen 7 und kurz vor 9 Uhr über die Bühne – wesentlich schneller als erwartet, teilt Walter Braun mit, der Leiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Neckar. „Ein Baumstamm hatte sich in der Schiene verkeilt, in der das Wehrtor rauf- und runterfährt. Ein Mitarbeiter ist reingeklettert und hat ein Seil befestigt, sodass wir den Stamm mit einem Seilzug herausziehen konnten.“
Ins zweite Wehrtor hatte ein treibender Wurzelstock eine sogenannte Tonne – ein schwimmendes Verkehrszeichen für Schiffe – mitgerissen, und zwar mitsamt dem Betongewicht, an dem sie befestigt ist. Die Kette, die beide verbindet, war in diesem Fall das rettende Glied für den Seilzug, der das Hindernis vom Wehrtor entfernte. Die Schifffahrt selbst, so Braun, wird auf dem Neckar-Oberlauf allerdings noch bis mindestens kommenden Montag ruhen. An manchen Stellen, etwa am Plochinger Hafen oder beim Kraftwerk Altbach, müssten wahrscheinlich Notfahrrinnen ausgebaggert werden, da vor allem die Fils unter Wasser ebenso viel Schlick und Kies in den Fluss gespült habe wie Treibgut an der Oberfläche.
Am Mittwochnachmittag wurde der provisorische Damm am Esslinger Wasserhaus teilweise geöffnet, um die Kanäle in der Altstadt mit Rücksicht auf die dort lebenden Fische wieder ans Flusswasser anzuschließen, teilte die Stadt mit. Ab Freitagvormittag soll der Damm abgebaut werden.
„Land muss den Geldhahn aufdrehen“
In der stark betroffenen Gemeinde Hochdorf hat sich das Wasser aus der Ortsmitte zurückgezogen, teilt der Bürgermeister Gerhard Kuttler mit – und wehrt sich gegen den Vergleich mit dem besser gegen Hochwasser geschützten Reichenbach: „Dort hat das Land die Schutzmaßnahmen größtenteils bezahlt, uns werden die Landesmittel verwehrt für die beiden großen Rückhaltebecken am Tal- und am Tobelbach, die wir bräuchten. Begründung: In Hochdorf gebe es zu wenig Schadenspotenzial.“
Tatsächlich, so der Bürgermeister, seien weniger Häuser betroffen als in Reichenbach, diese aber alle paar Jahre. Deshalb will er erneut auf das Land zugehen, das „endlich die klimawandelbedingte neue Realität anerkennen und den Hahn aufdrehen muss – den Geldhahn!“
Hochwasserfolgen betreffen zwei Straßen: Die Owener Tecksteige droht in einem Abschnitt abzurutschen, auf die Landesstraße zwischen Roßwälden und Ebersbach könnte ein Hang stürzen. Beide Straßen sind gesperrt. Eine erste Entsorgungshilfe bietet der Abfallwirtschaftsbetrieb des Kreises Esslingen mit Sonderabfuhren von Sperrmüll ab Samstag, 8. Juni, an. Anmeldung per Mail unter hochwasser-awb@lra-es.de oder unter der Rufnummer 07 11 / 3 90 24 81 03.