Das Hochwasser hat Polizei und Feuerwehr in Atem gehalten. Die Retter rechnen damit, dass zwei Menschen in den Fluten ums Leben gekommen sind. Zwar waren viele Straßen und Keller überflutet, die Zerstörungen hielten sich allerdings in Grenzen.

Baden-Württemberg - Heftige Regenfälle haben am Wochenende auch in Baden-Württemberg zu unzähligen Überflutungen und Erdrutschen geführt. Laut Innenministerium mussten die Helfer landesweit zu mehr als 3000 Einsätzen ausrücken. Gut 6000 Helfer etwa von der Feuerwehr oder vom Technischen Hilfswerk waren im Einsatz, wie Minister Reinhold Gall (SPD) am Sonntag bilanzierte.

 

Besonders betroffen waren der Neckar und die Donau sowie deren Zuflüsse. Laut Hochwasser Vorhersage-Zentrale (HVZ) gab es an den Nebenflüssen der Donau einen Anstieg der Wasserstände, wie es nur alle hundert Jahre vorkommt. Zahlreiche Straßen im ganzen Land wurden überflutet, durch umgestürzte Bäume versperrt oder durch abgerutschte Hänge verschüttet. Mehrere Deiche drohten überspült zu werden. Die Polizei riegelte auch Autobahnabschnitte und Bundesstraßen ab.

Sechs Menschen gerettet

Rettungskräfte haben in Veringenstadt (Landkreis Sigmaringen) sechs Menschen in Sicherheit gebracht. Wie die Polizei mitteilte, war die Lauchert über die Ufer getreten. Rund 20 Keller wurden überflutet, die Anwohner versuchten, ihre Häuser mit Sandsäcken zu schützen. Dramatische Szenen auch in Steinmauern bei Rastatt: eine 29-Jährige war mit ihrem voll besetzten Kleinwagen trotz Straßensperre ins Hochwasser von Murg und Rhein gefahren. Das Auto wurde von der Fahrbahn gespült, verfing sich aber in Bäumen. Die vier Insassen retteten sich aufs Dach. Beim Rettungsversuch kenterte ein Feuerwehrboot, zehn Personen fielen ins Wasser, hielten sich aber am Boot oder an Bäumen fest und wurden gerettet.

Innenminister Gall dankte allen, „die sich qua Amtes oder ehrenamtlich in den Dienst der Bevölkerung gestellt haben“. Laut Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hat das flächendeckende Hochwasser gezeigt, dass die Entscheidung des Landes, mehr Geld für den Hochwasserschutz auszugeben, richtig gewesen sei.

Mann springt in reißende Echaz

Die Polizei im Kreis Reutlingen befürchtet, dass zwei Männer in den Fluten zu Tode gekommen sind. Ein 46 Jahre alter Bauarbeiter aus Bad Urach wird seit Freitag vermisst. Die Polizei nimmt an, dass er in einen Nebenfluss der Erms stürzte, die Hochwasser trug. Feuerwehrleute hätten die ganze Nacht erfolglos nach ihm gesucht. Ein Hubschrauber konnte wegen starken Regens nicht eingesetzt werden. In Reutlingen ist am Samstag ein ebenfalls 46 Jahre alter Spaziergänger aus ungeklärten Gründen in die starke Strömung der Echaz gesprungen. Rettungstaucher und Feuerwehrleute hätten vergeblich nach dem Mann gesucht, teilte die Feuerwehr mit.

Drei Monate nach einem Erdrutsch in Sipplingen am Bodensee droht dort wegen des Regens erneut Gefahr an einem Hang an der B 31. Sechs Bewohner eines Hauses wurden in Sicherheit gebracht, die B 31 wurde gesperrt. Die Hauseigentümer hatten Risse und in Bewegung geratenes Erdreich entdeckt.

Am meisten regnet es im Münstertal

Hochwasseralarm auch am Rhein, den sogenannten Scheitel wird der Fluss nach Berechnungen der Karlsruher Hochwasserexperten aber erst in der Nacht zum Montag erreichen. Am Oberrhein seien zwei Rückhaltebecken geöffnet und ein Wehr aktiviert worden, um die Wassermassen abzufangen, sagte Rüdiger Friese von der Vorhersage-Zentrale. Es sei die bisher größte Hochwassermaßnahme zwischen Basel und Worms. Mehr als 55 Millionen Kubikmeter Wasser können damit zurückgehalten werden. Die Schifffahrt auf dem Oberrhein ist am Samstag eingestellt worden. Auf dem Neckar fahren zwischen Stuttgart und Heilbronn schon seit Freitag keine Schiffe mehr. Das bleibe auch in den nächsten Tagen so, sagt die Polizei.

Im Schnitt 60 bis 80 Liter Regen pro Quadratmeter seien am Freitag und auch am Samstag im Schwarzwald gemessen worden, sagte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes. Nirgends im Land regnete es am Wochenende mehr als im Münstertal bei Freiburg: Fast 100 Liter Regen pro Quadratmeter fielen dort in 24 Stunden.

Kreis Ludwigsburg
In Pleidelsheim kämpften die Feuerwehr und viele weitere Helfer den ganzen Samstag und Sonntag, um eine Überschwemmung des Orts zu verhindern. Um die Gefahr an einem Damm beim Freiberger Altneckar zu entschärfen, wurden 10 000 Sandsäcke gefüllt und zur Verstärkung des Damms zusammengesetzt. Die Pleidelsheimer Wehr erhielt Unterstützung von 22 anderen Wehren im Kreis. Zudem ließ das Wasser- und Schifffahrtsamt ganze Lastwagenladungen mit Schotter in den Neckarkanal kippen, um so ein defektes Wehr zu ersetzen.

Dieses Stauwehr, das gerade repariert wird, hatte die Gefahr letztlich heraufbeschworen: Das Wasser konnte nicht, wie sonst, in den Altneckararm abfließen. Stattdessen lief es durch den Schifffahrtskanal direkt auf Pleidelsheim zu. Am Sonntagmittag entschlossen sich die Verantwortlichen im Krisenstab dann dazu, noch größere Geschütze aufzufahren: Große Kunststoffsäcke wurden mit Schotter gefüllt und zwischen einer Spundwand und dem Damm versenkt. Dadurch erhoffte man sich weitere Stabilität.

Zu Hochwassereinsätzen wurden auch die Feuerwehren in Bietigheim-Bissingen und Vaihingen gerufen. Dort liefen zahlreiche Keller voll, weil Nebenflüsse der Enz über die Ufer getreten waren. Laut Feuerwehr gab es dafür keine Notfallpläne, weil von diesen Gewässern normalerweise keine Gefahr drohe. Angesichts der am Sonntag noch immer nicht gebannten Gefahr in Pleidelsheim hat der Kreisbrandmeister Andy Dorroch ein Hilfeersuchen des Innenministeriums abgewiesen: Es hatte alle Feuerwehren im Land gebeten zu prüfen, wie viele Pumpen man in Hochwassergebiete bei Sigmaringen schaffen könne. Material auszuleihen, könne er nicht verantworten, sagte Dorroch.

Kreis Göppingen
„Entspannung, aber noch keine Entwarnung“, auf diesen Nenner ließ sich am Sonntagnachmittag die Hochwasserlage im Kreis Göppingen bringen. Am Samstag war die Fils in Salach gegen 22.30 Uhr gefährlich angeschwollen, doch am Sonntag fiel der Wasserstand dort um mehr als einen Meter. Waren in der Nacht zum Samstag noch fast 900 Einsatzkräfte im ganzen Kreis gefordert gewesen, so verlagerte sich der Arbeitsschwerpunkt am späten Samstagabend ins obere Filstal, wo die Lage vor allem in Bad Überkingen aus dem Ruder zu laufen drohte.

Die Fils hatte bereits einen Teil von Wiesensteig überschwemmt, in Bad Überkingen wurde mit Macht daran gearbeitet, dass ein instabil gewordener Damm nicht brach. 20 000 Sandsäcke wurden gefüllt oder aus halb Baden-Württemberg herangeschafft, um das aufgeweichte Bauwerk zu sichern. Eine eigens eingerichtete Führungsgruppe warnte die Bewohner: Sie sollten Wohnungen im Erdgeschoss verlasen und ihre Autos in Sicherheit bringen.

Zudem wurde eine Altenwohnanlage vorsorglich geräumt. Als Ausweichquartier diente eine Schule. Eine 200-köpfige Helferschar aus dem gesamten Kreisgebiet arbeitete die halbe Nacht durch – letztlich erfolgreich. Die Brisanz der Lage machte der Kreisbrandmeister Michael Reick am Sonntagnachmittag deutlich: „Ein paar Mal war’s echt knapp. Hätte der Damm nicht gehalten, wäre der untere Teil von Bad Überkingen komplett abgesoffen.“ Kreis Esslingen
Während im Kreis Esslingen die Feuerwehren zunächst vor allem an kleineren Flüssen und Bächen im Einsatz waren, hat sich der Schwerpunkt am frühen Sonntagmorgen in das Neckartal verlagert. Umgestürzte Bäume, abgerutschte Hänge und voll gelaufene Keller haben die Wehren so sehr beschäftigt, dass noch niemand einen Überblick über die Einsatzzahlen hat. Sie lägen jedenfalls „irgendwo im vierstelligen Bereich“, schätzt der Feuerwehrsprecher Andreas Nitsch. Zusätzlich halfen die Feuerwehren mit 5000 Sandsäcken im Kreis Göppingen aus. Neben der B 297 zwischen Neckartenzlingen und Nürtingen sind einige Landes- und Kreisstraßen bis auf Weiteres gesperrt: Die Neidlinger sowie die Neuffener Steige sowie die Straßen zwischen Unterensingen und Wendlingen und zwischen Wernau und Köngen.
Rems-Murr-Kreis
Waiblingen - Besonders die Wieslauf hatte sich am Freitag in einen reißenden Wildbach verwandelt und zwischen Welzheim und Rudersberg zu Hangrutschungen geführt. Man hatte sich daher auf das Schlimmste eingestellt. Die Hochwasser-Vorhersage-Zentrale habe für die Murr Pegelstände von bis zu 3,80 Meter prognostiziert, berichtet der Kreisbrandmeister Andreas Schmidt. Bei dem verheerenden Hochwasser vor zwei Jahren, als im Murrtal ganze Landstriche überflutet und Schäden in zweistelliger Millionenhöhe angerichtet wurden, waren nur 3,60 Meter erreicht worden. Dann aber habe sich abgezeichnet, dass das Wettertief östlich am Rems-Murr-Kreis vorbeiziehen würde, und die Meteorologen hätten ihre Prognose korrigiert. Dennoch blieben die Feuerwehren in Alarmbereitschaft. Schmidt wäre bereit gewesen, dem Innenministerium mit einer Sandsack-Befüllungsmaschine und Tauchpumpen auszuhelfen, doch das war nicht mehr nötig.

Kreis Böblingen
Auch im Kreis Böblingen traten Flüsse und Bäche über die Ufer. Die Straße zwischen Ehningen und Mauren musste wegen Überflutung gesperrt werden, außerdem die Verbindung von der Maurener bis zur Hildrizhausener Kreuzung. Die Feuerwehren waren im Dauereinsatz, um Keller leer zu pumpen. In Herrenberg-Mönchberg rutschte ein Hang ab und drückte eine Mauer weg, die Erdmassen ergossen sich auf eine Straße. An der A 8 bei der Anschlussstelle Leonberg-Ost drohte ein Regenrückhaltebecken überzulaufen. Dadurch war ein Industriegebiet gefährdet. Doch letztlich konnte die Glems das überfließende Wasser aufnehmen.