Die Sanierungsarbeiten nach den verheerenden Überschwemmungen im Juni werden sich über Jahre erstrecken – und Geld kosten, das an anderer Stelle fehlt. Vielfach sind geologische Gutachten nötig, bevor die Bagger anrollen. Aber es gibt erste Erfolge.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Die Beseitigung der beim Hochwasser im Juni entstandenen Schäden an der Verkehrsinfrastruktur wird die Straßenbauer im Kreis über Jahre beschäftigen. Denn die Reparaturen an den von Hangrutschungen und Unterspülungen betroffenen Strecken vom Wieslauftal bis in den Welzheimer Wald bedeuten nicht nur einen großen planerischen Aufwand. Sie werden auch Millionenbeträge kosten und binden Geld, das im Straßenbaubudget für Projekte an anderer Stelle fehlen wird. Vor allem aber zeigt sich, dass es noch Monate dauern wird, bis die Bagger überhaupt anrollen können – von einem Termin für die Fertigstellung ganz zu schweigen.

 

Bestes Beispiel für den mühsamen Weg zur erfolgreich abgeschlossenen Sanierung ist die seit dem Starkregen für den Verkehr gesperrte Kreisstraße 1883 zwischen dem Rudersberger Weiler Oberndorf und dem zu Althütte gehörenden Lutzenberg. Auch wenn es ab kommenden Montag eine Teilfreigabe für einen wenigstens einbahnig den Berg hoch rollenden Verkehr geben soll, gehört die Nebenstrecke zu den Sorgenkindern des Waiblinger Landratsamts.

Auf einer Strecke von zwei Kilometern gibt es gleich vier Problemstellen

Denn auf der gerade mal zwei Kilometer langen Strecke lauern gleich vier Stellen, die das Zeug für eine Dauerbaustelle haben. Hier ist der Hang abgerutscht, da die Fahrbahndecke unterspült, die Leitplanken hängen samt dem vor Jahren angebrachten Unterfahrschutz für Motorradpiloten teils buchstäblich in der Luft. Undenkbar ist mit Blick auf die aktuellen Schäden, dass auf der schmalen Nebenstraße durch den Wald eines schönen Tages wieder ein Begegnungsverkehr stattfinden kann – auch wenn die im Dreieck zwischen Backnang, Winnenden und Schorndorf lebenden Menschen über die langen Umfahrungswege auf den Ausweichstrecken noch so fluchen mögen.

Denn mit ein bisschen Gussasphalt ist es bei vielen Strecken durch den Rems-Murr-Kreis nicht getan. Gleich nach den verheerenden Überschwemmungen im Juni hatte die Straßenbauverwaltung mit Hochdruck an der Beseitigung der kleineren Hochwasserfolgen gearbeitet. Umgekippte Bäume wurden von der Straße geschnitten, auf der Fahrbahn liegende Geröllhaufen abgebaggert und mit Schlamm zugelaufene Entwässerungsschächte freigemacht.

Aktuell sind noch 13 Strecken gesperrt oder nur halbseitig befahrbar

Trotz des Sofortprogramms der Straßenmeisterei gibt es aber nach wie vor kreisweit 13 Strecken, die für den Verkehr abschnittsweise voll gesperrt oder allenfalls einbahnig befahrbar sind. Und die zu sanieren wird sich laut Stefan Hein, dem für den Straßenbau zuständigen Dezernatsleiter im Waiblinger Landratsamt, noch Jahre hinziehen. „Wir rechnen fest damit, dass wir Ende 2027 wieder für alle Strecken freie Fahrt geben können“, sagt der gelernte Bauingenieur übers Reparaturprogramm für die vom Hochwasser geschädigten Kreisstraßen.

Denn vor einem Baubeginn sind erst mal ein exaktes geologisches Gutachten und eine in den meisten Fällen europaweite Vergabe der Arbeitsaufträge nötig. „Wir können ja nicht mit dem Bagger ein paar Schaufeln Erde anhäufen und hoffen, dass die Fahrbahn darauf schon irgendwie halten wird“, sagt Hein. Teilweise sei bei den Hangrutschungen eine bis zu 40 Meter tiefe Gründung auf Bohrpfählen notwendig, um dem Asphalt die nötige Stabilität zu geben. Schuld am Aufwand ist nicht zuletzt der im Welzheimer Wald häufig vorkommende Knollenmergel. Durch den Wechsel von wasserführenden und festen Schichten neigt der Untergrund ähnlich wie am Albtrauf dazu, bei starken Regenfällen ins Rutschen zu kommen – und reißt im Zweifelsfall auch mal ein Stück Straße mit.

Schuld an den Rutschungen ist nicht zuletzt der Knollenmergel

Das ist beispielsweise bei der K 1916 zwischen Birkenweißbuch und Oppelsbohm der Fall, die als einzige Kreisstraße aus Sicherheitsgründen auch weiterhin komplett gesperrt bleibt. Bei etlichen weiteren Strecken ist die Benutzung einspurig möglich, teilweise auf einer deutlich verengten und an den Hang gekuschelten Fahrbahn. Eine halbseitige Sperrung, teilweise auch mit Baustellenampeln, gibt es auf der K 1870 bei Bretzenacker, auf der K 1876 bei Berglen-Krehwinkel, auf der K 1866 bei Walkersbach, auf der L 1891 bei der Buchengehrener Sägmühle und auf der K 1902 beim Murrhardter Teilort Grab. Bei den Landesstraßen sind die komplett gesperrte 1080 von Klaffenbach nach Welzheim und die ebenfalls zu einer Einbahnstraße gemachte 1119 zwischen Althütte und Klaffenbach in der langen Liste der Sanierungsfälle verzeichnet.

Bevor die Bagger anrollen, braucht es Gutachten

Die Kosten für die Beseitigung der durch die von einer stundenlang über dem Rems-Murr-Kreis hängenden Gewitterzelle ausgelösten Schäden werden laut Maximilian Zacharias vom Straßenbauamt allein im Rems-Murr-Kreis aktuell auf 10,2 Millionen Euro geschätzt. Matthias Bauer vom für die Landesstraßen zuständigen Baureferat Süd in Göppingen sieht sogar einen Reparaturbedarf von bis zu 15 Millionen für seinen Bereich. Noch gar nicht eingerechnet sind in dieser Summe die Unterspülungen an der Wieslauftalbahn und die Kosten, die in den einzelnen Kommunen anfallen – vom nicht mehr befahrbaren Feldweg bis zur weggespülten Fußgängerbrücke.

Jetzt werden als Einbahnstraße wenigstens die K 1883 und die L 1119 wieder für den Verkehr freigegeben – bei einer Gewichtsbeschränkung bis höchstens 7,5 Tonnen. Der Verkehr wird hangseitig geführt und durch Betonleitwände und Warnbaken gesichert. Doch erst das für den Herbst erwartete geotechnische Gutachten gibt einen Fingerzeig, wie groß der Aufwand für eine grundlegende Sanierung ist – und wie lange sie dauert.