„Thank you for travelling with Deutsche Bahn. Take care and goodbye.“ Das muss reichen nach einem weiteren Chaostag im Zugverkehr. Der StZ-Redakteur Christoph Link berichtet von seinen leidvollen Erfahrungen zwischen Berlin und Stuttgart.

Berlin/Stuttgart - Immer diese Mäkelei. Am Gleis sechs des Berliner Hauptbahnhofs wird erörtert, dass am Tag zuvor sechs Züge wegen streikender Klimaanlagen ausgefallen sind. „Der TGV fährt in Frankreich auch bei Hitze“, murrt ein Büromensch mit Rollkoffer. Seit elf Tagen verursacht eine überflutete Strecke zwischen Berlin und Hannover massenhaft Verspätungen von 60 bis 120 Minuten – dafür haben viele Verständnis, für Klimaprobleme weniger.

 

Es ist Mittwoch, 13.58 Uhr, eigentlich sollte nun der IC 2385 einfahren, der mich in den Süden bringt mit Umstiegen in Göttingen und Würzburg, so dass ich um 20.53 Uhr Stuttgart erreiche. Es wird eine Lehrfahrt ins Sachen Flexibilität, und die beginnt mit der Anzeige „15 Minuten später“, gefolgt von „20 Minuten später“. Dann kommt der IC und schaukelt einen durchs flache Grüne von Brandenburg.

Die Schaffnerin bleibt cool

Der nächste Halt sollte Stendal sein, aber als der Zug in einer Stadt hält und rückwärts weiterfährt, fragt ein Mann laut: „Wie denn, fahren wir wieder nach Berlin?“ Hitze, Babygeschrei, Koffer im Gang – das Abteil trägt es mit Stoizismus ebenso wie die Durchsage: „Verehrte Fahrgäste, wie Sie vielleicht bemerkt haben, haben wir außerplanmäßig in Wittenberge gehalten.“ Das liegt nördlich, ein Umweg.

Die Elbe sieht aus wie der Mississippi, und vor Wolfsburg hat der IC 87 Minuten Verspätung. In der Autostadt ist der Bahnsteig voller Menschen, bis auf die Stehplätze wird der Zug abgefüllt. „Ach, hier hält doch kaum noch was“, sagt eine eingestiegene Studentin und ist dankbar für den letzten Sitzplatz. Welche Anschlüsse schaffe ich, wie komme ich am schnellsten ans Ziel?

„Wissen Sie, ich erwarte eine Beratung von Ihnen!“

Es gibt viele Informationsquellen und oft widersprechen sie sich. Fahrgäste stöbern mit Smartphones auf bahn.de, man wartet auf Lautsprecheransagen – und im Wagen zehn debattieren drei am Tisch mit der Schaffnerin: ob der Zug nun in Fulda halte oder nicht, denn seit der Elbeflut fährt er da manchmal durch, auch wenn er laut Fahrplan halten sollte.

Kurz darauf wird die Schaffnerin von einer jungen Frau im Gang eingehend befragt, um nicht zu sagen, bedrängt: „Wissen Sie, ich erwarte eine Beratung von Ihnen!“ Die Schaffnerin bleibt cool. Sie sagt mir, sie habe in einem Abteil gerade die Klimaanlage repariert.

„Die Lage stabilisiert sich“

Mein Anschluss in Göttingen ist weg. Ausstieg in Kassel-Wilhelmshöhe, ich sprinte zum Schalter mit der Reiseauskunft – der ausgedruckte Fahrplan mit der schnellsten Verbindung nach Stuttgart ist am Bahnsteig schon Makulatur: der empfohlene ICE ist 60 Minuten zu spät. Also einfach irgendwo einsteigen, Hauptsache gen Süden.

Endlich im ICE vor Mannheim, der zuckelt nur, Badener machen sich Sorgen, ob sie den Anschluss nach Lörrach kriegen. Erst heißt es ja, dann „bedauerlicherweise“ nein. Später verwechselt der Zugführer in der Durchsage Mannheim mit Stuttgart und vorm Ziel – Ankunft in Stuttgart 22.20 Uhr, so schlimm ist die Verzögerung nicht – ist er genervt. Welche Anschlüsse man erreicht, übersetzt er nicht mehr: „Thank you for travelling with Deutsche Bahn. Take care and goodbye“ – das muss reichen. Heute soll alles gut werden, ein Interimsfahrplan tritt in Kraft. „Die Lage stabilisiert sich“, sagt eine Sprecherin.