Am Dienstag beginnt in Rheinstetten ein Erörterungsverfahren über das Landesprojekt bei Karlsruhe, das 186 Millionen Euro kosten soll.

Karlsruhe - Tausende von Kubikmetern Erde müssen bewegt werden, 510 Hektar groß ist die betroffene Fläche: Die Rede ist vom derzeit größten geplanten Rückhaltebecken am Oberrhein, dessen Planfeststellung vor dem Abschluss steht. Am Dienstag beginnt in der Karlsruher Messe (im südlich angrenzenden Rheinstetten) das öffentliche Erörterungsverfahren. Über 400 Einwendungen von Bürgern und Anliegern liegen vor. Vom „bislang ökologischsten“ Polder – so nennt man Flächen, die bei Hochwasser geflutet werden, auch – entlang der badischen Rheinseite spricht man beim Karlsruher Regierungspräsidium.

 

Im Juli des vergangenen Jahres war die Untere Wasserbehörde beim Landratsamt in die so genannte Offenlage gegangen: Die Pläne für den neuen Polder wurden in den betroffenen Rathäusern zur Einsicht ausgelegt, 35 Aktenordner umfassen die Planbeschreibungen und die zugehörigen Fachgutachten. Nun soll im Verlauf von vier Tagen in der Karlsruher Messe über die Einwendungen sowie die Bedenken von Behörden und Umweltverbänden debattiert werden. Bislang kam das bereits 1988 beschlossene Integrierte Rheinprogramm (IRP), zu dem der Polder bei Karlsruhe gehört, nur schleppend voran. Erst vier von 13 Flächen am Oberrhein sind in Betrieb. Einige scheiterten am Protest der Bürger.

Stahlwand erregt die Gemüter

Wegen des Hochwasserrückhalteraum Bellenkopf/Rappenwört, das voraussichtlich 186 Millionen Euro kosten wird, streitet man derweil schon seit Monaten teilweise leidenschaftlich über die Knackpunkte: In Karlsruhe treibt Bürger vor allem das Vorhaben um, das an den Rhein grenzende Rheinstrandbad bei Daxlanden – ein beliebtes Erlebnisbad mit Rutsche – mit einer vier Meter hohen stählernen Spundwand zu „ummanteln“. Eine solche Wand ist auch für das angrenzende, in den 1930-er Jahren im Bauhausstil gebaute Naturschutzzentrum Rappenwört geplant. Erst im Sommer nannte Robert Mürb, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Oberrheinischer Waldfreunde, das Vorhaben eine neue Berliner Mauer und trug seine Kritik an „einem unverantwortlichen Landschaftseingriff“ dem Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) vor.

Der Grund für die stählerne Spundwand, die vom Regierungspräsidium weiterhin als notwendig erachtet wird, sind „ökologische Flutungen“. An bis zu 158 Tagen im Jahr werde ab einem Wasserscheitelstand am Pegel Maxau von 5,17 Meter ein Teil des Rheinwassers in die sogenannten Retentionsräume eingeleitet, sagte Horst Kugele. Der Referatsleiter im Regierungspräsidium spricht vom derzeit „ökologischsten Polder“ entlang des Oberrheins und erklärt, die temporären Flutungen seien notwendig, um die Natur an das Wasser zu gewöhnen“. Eine neue Auenlandschaft solle dadurch entstehen. Die Landtagsabgeordnete Bettina Lisbach (Grüne) hätte sich, wie ein Großteil der Naturschützer vor Ort, dagegen „ungesteuerte Flutungen“ gewünscht: mit einem jederzeit frei in die Flächen fließenden Rheinwasser.

Auch Badesee würde überflutet

Joachim Schneider, der Leiter des Umweltamts im Karlsruher Landratsamt , der von Dienstag an bei dem Erörterungsverfahren als Verhandlungsleiter fungiert, wird vermutlich auch die Emotionen in Schach halten müssen, die weiter südlich bei Neuburgweier auf Gemarkung der Stadt Rheinstetten aufkamen: Dort soll die temporäre ökologische Flutung des Polders auch zur zeitweiligen Überflutung des bei Badefreunden beliebten Fermasees führen. Schon im vorigen Jahr waren dort und etwas weiter nördlich bei Karlsruhes Rheinstrandbad Markierungen aufgestellt worden – mit Hinweisen darauf, wie oft, und bis zu welchen Geländehöhen Wasser über das durch einen Damm getrennte Rheinufer „schwappen“ könnte. In Neuburgweier fürchtet man durch das temporär im Gelände stehende Wasser eine weitere Ausbreitung der aus Asien eingewanderten Tigermücke.

Entscheidungen werden in der Karlsruher Messe keine fallen. Um auch berufstätigen Bürgern die Teilnahme zu erleichtern, finden jeweils am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag so genannte „Bürgersprechstunden“ statt. Von 17.30 bis 19.00 Uhr haben an diesen Tagen die privaten Einwender zusätzlich die Möglichkeit, ihre Bedenken zu erörtern. Die Erörterung beginnen jeweils um 9 Uhr.

Hochwasserschutz am Rhein

Rückhalteraum
Die geplante Becken für den Hochwasserschutz westlich von Karlsruhe bei Rheinstetten-Neuburg erstreckt sich über eine Länge von knapp sechs Kilometern. Sie soll in einer teilweise schon bestehenden Auenlandschaft entstehen. Auf einer Fläche von 510 Hektar soll das Rückhaltebecken künftig bis zu 14 Millionen Kubikmeter Rheinwasser aufnehmen können. Die Baukosten werden auf 186 Millionen Euro geschätzt.

Rheinprogramm
Das Hochwasserschutzkonzept Integriertes Rheinprogramm (IRP) wurde 1988 verabschiedet. Es sieht insgesamt 13 Rückhalteräume vor, davon sind erst vier in Betrieb: Rheinschanzinsel, Söllingen/Greffern, Kehl/Straßburg und Altenrhein. Kleinere Baumaßnahmen laufen derzeit bei Schwanau (Elzmündung / Ortenaukreis) und auf der Gemarkung Elisabethenwört bei Philippsburg (Kreis Karlsruhe).