Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) will eine Strategie erarbeiten, wie sich die Kommunen besser gegen plötzlich auftretende Unwetter wappnen können. Es gebe aber noch Arbeit auf Jahrzehnte hinaus beim Hochwasserschutz .

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)
Stuttgart – - Der grüne Umweltminister Franz Untersteller nimmt für sich in Anspruch, in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen im Hochwasserschutz angestoßen zu haben. Doch sieht er noch Arbeit auf Jahrzehnte hinaus. Die Notfallpläne für plötzlich auftretende Unwetter will er nun deutlich verbessern.
Herr Untersteller, Ihre Experten haben für fast 12 000 Flusskilometer im Land Gefahrenkarten erstellt. Warum kam die Katastrophe in Braunsbach dennoch überraschend?
In Braunsbach ist in einer Stunde so viel Regen gefallen wie sonst in einem ganzen Monat. Da können Sie noch so viele Rückhaltebecken bauen; diese Wassermengen können Sie leider nicht beherrschen, selbst wenn die Abflussrohre drei Meter Durchmesser gehabt hätten. Und so lokal begrenzte Gewitter lassen sich auch nicht vorhersagen, sogar zwei Stunden vor dem Unwetter nicht.
Die Klimaforscher sagen voraus, dass solche Unwetter künftig häufiger auftreten werden. Was heißt das für Ihre Politik?
Sagen wir es ganz klar: Braunsbach und Schwäbisch Gmünd waren kein klassisches Hochwasserereignis, sondern Unwetterkatastrophen. Was wir in solchen Fällen tun können, ist dies: uns besser auf den Eventualfall vorzubereiten. Wir arbeiten schon seit einiger Zeit an einer Strategie, damit die Kommunen ihre konkreten Risiken bei Starkregen erkennen und die Folgen besser managen können. Da geht es etwa darum, Wasser schadlos abzuleiten, aber es geht auch um eine gute Alarm- und Einsatzplanung. Aber ich möchte noch mal betonen: Verhindern können Sie solche Unwetter und deren Folgen nicht.
Wie sieht es beim Hochwasserschutz aus?
Da haben wir die Pläne schon angepasst, denn wir müssen künftig im Winter mit 30 Prozent mehr Niederschlägen rechnen. Bei allen Projekten, wie dem Bau eines Rückhaltebeckens, berücksichtigen wir einen Klimafaktor, erhöhen also das Volumen entsprechend.
Sie haben den Etat für den Hochwasserschutz gegenüber früher auf 50 Millionen Euro jährlich verdoppelt. Reicht das angesichts der Herausforderungen aus?
Man muss die Projekte ja auch abarbeiten können, man braucht das Personal. In der Öffentlichkeit hört man immer, die Landesverwaltung sei aufgebläht. Ich habe in den vergangenen fünf Jahren viel dazu gelernt und sage: jedenfalls im Bereich Hochwasserschutz ist das nicht so.
Aber bei den Dämmen haben Sie noch nicht einmal die Hälfte der Anlagen ertüchtigt. Da scheint es große Defizite zu geben.
Am Rhein beherrschen wir heute schon ein 100-jährliches Hochwasser – der derzeitige Bau von Rückhaltebecken ist nun auf ein 200-jährliches Hochwasser ausgerichtet. Wir werden damit 2028 fertig. Man muss aber sagen, dass die Franzosen auf ihrer Rheinseite schon alles abgearbeitet haben. Bei den Dämmen sind die meisten mittlerweile 60 oder 70 Jahre alt – da muss tatsächlich noch viel gemacht werden. Das wird viele Jahre in Anspruch nehmen.
Hat es die CDU, Ihr jetziger Koalitionspartner, in früherer Zeit also schleifen lassen?
Das ist so. Aber ich mache meinen Vorgängern keinen Vorwurf, denn sie waren abhängig von der Haushaltslage. Wir sind das nicht mehr. Denn wir erhalten seit 2014 die kompletten Einnahmen aus dem Wasserpfennig und haben so Planungssicherheit. Jährlich stehen uns etwa 50 Millionen Euro zur Verfügung, ab 2020 noch mehr. Am Geld scheitern die geplanten Maßnahmen im Hochwasserschutz nicht mehr.
Nach dem Unwetter sind alle für verstärkte Schutzmaßnahmen – als Sie vor zwei Jahren das Wassergesetz novelliert und ein Bauverbot in Überflutungsgebieten ausgesprochen haben, mussten Sie viel Prügel einstecken.
Wir mussten das vom Bund vorgegebene Verbot umsetzen, haben aber noch Erleichterungen für die Kommunen erreicht. Zum Beispiel darf in den Gebieten gebaut werden, wenn die Häuser entsprechend geschützt sind gegen Hochwasser. Dennoch habe ich damals, um es vorsichtig auszudrücken, viel Post bekommen von Bürgermeistern aller Couleurs. Aber ich stehe dazu: Es ist ein Punkt gekommen, an dem wir jene Gebiete, die noch nicht bebaut sind, frei halten müssen. Das ist eine Schutzmaßnahme, wir können nicht mehr so weitermachen wie in den Jahrzehnten zuvor.
Halten Sie diese rigorose Haltung durch?
Ja, absolut. Es wird kein Zurück mehr geben. Auch der Bund und die EU haben uns zum Handeln angehalten.
Hochwasser entsteht auch, weil Flächen versiegelt sind. Das ehrgeizige Programm der Landesregierung, den Flächenfraß zu begrenzen, kommt gerade ins Stocken – die Beseitigung der Wohnungsnot hat Vorrang.
Manches ist gelungen, und wir müssen den Weg weitergehen. Zum Beispiel kann ich nicht verstehen, weshalb viele Gebäude in Gewerbegebieten nur einstöckig sind. Im mittleren Westen der USA kann man vielleicht so bauen, weil dahinter auf 1000 Kilometern nur Kojoten kommen. Bei uns ist das nicht der Fall – wir sind ein dicht besiedeltes Land. Muss man solche Gebäude wirklich einstöckig genehmigen?
Naturschützer kritisieren zudem, dass zu wenig begradigte Flüsse zurückgebaut werden. Tun Sie zu wenig?
Das kann man an einigen Stellen machen. Aber man braucht einfach große Grundstücke, um Schleifen in einen Fluss zu bauen. Heute sind allerdings die Ufer der meisten Flüsse bebaut – und es gibt bei uns nun mal ein grundgesetzlich geschütztes Eigentum. Um es ganz klar zu sagen: Vielerorts im Land sind solche Pläne deshalb einfach illusorisch.