Benedikt Paulowitsch heiratet in der Stettener Glockenkelter – und wird draußen überrascht. Vor einem Jahr erst hat er sich in der Gemeinde beworben. Bald wird sie nicht nur die berufliche Heimat sein.

Kernen - Die Szenerie mutet wie ein Großeinsatz von Rettungskräften an. Ein Feuerwehrwagen mit der Aufschrift „Einsatzleitung“ blockiert die Zufahrt zur Stettener Glockenkelter, das Rote Kreuz steht parat. Eingreifen müssen die Helfer nicht, nur geduldig abwarten am Samstagvormittag. Während vor der Kelter immer mehr Menschen zusammenkommen, geht es innen mit 26 Leuten ruhig und berührend zu: Es ist die standesamtliche Hochzeit von Kernens Bürgermeister Benedikt Paulowitsch. Seine Verlobte Chantal Wende unterschreibt nach der Trauung durch die Ordnungsamtsleiterin Marianne Rapp erstmals mit ihrem neuen Nachnamen. In einem Jahr steht die kirchliche Hochzeit an – in Nordrhein-Westfalen, wo Chantal Paulowitsch herkommt.

 

Die Mund- und Nasenmasken, die das frisch verheiratetet Paar auf dem Weg nach draußen trägt, sind mit „Mr“ und „Mrs“ beschriftet. Der große Bahnhof, der sie erwartet, überrascht die beiden nur bedingt: Wegen der Corona-Regeln hatten sich alle anmelden müssen. Dass es ein öffentlich gefeiertes Ja-Wort wird, hat Benedikt Paulowitsch aber nicht wissen können, als er seiner Chantal Mitte des vorigen Jahres einen Antrag machte – sechs Jahre, nachdem er sie in einem Restaurant in New York kennengelernt hatte.

Leben im „schönsten Ort von Baden-Württemberg“

Vor genau einem Jahr bewarb sich Paulowitsch als Bürgermeister von Kernen, siegte Ende September und nahm Mitte November im Rathaus seine Arbeit auf. Im Falle seiner Wahl werde er „mit seiner künftigen Ehefrau nach Kernen ziehen“, versprach er damals. Das neue Eigenheim ist inzwischen gekauft. Statt Hochzeitsreise beginnt die Renovierung, im November ziehen die beiden von Leutenbach nach Stetten. „Jeden Tag wissen wir, dass es die richtige Entscheidung war, in den schönsten Ort von Baden-Württemberg zu kommen“, sagt der Schultes. An einem Freudentag wie diesem darf übertrieben werden. So stellt er auch seinen Freund aus Studienzeiten, Marian Schreier, als „künftigen Oberbürgermeister von Stuttgart“ vor. Von Schreier gab es in der Kelter aber keine Wahlkampfrede, sondern persönliche Worte.

Benedikt Paulowitsch (32) und seine Frau (29) sind sichtlich gerührt über den Empfang. Die Drehleiter der Fellbacher Feuerwehr lässt sie für einen Moment 30 Meter über allen Dingen schweben, ein Schornsteinfeger ist als Glücksbringer mit dabei. Durch ein Spalier aus Feuerwehrschlauch, zu durchschneidenden Bändern und weißen Rosen geht es für das Paar in die erwartungsvolle Menge von Gratulanten. Gemeinderäte, Landtagsvertreter, Winzer, Freunde und Familie – herzliche Worte ersetzen in diesen Zeiten Umarmungen. Feste und Begegnungen, sie fehlen auch dem Bürgermeister.

Das Digitale hat seine Grenzen

„Drei Monate war Krisenmanagement angesagt“, bilanziert er die bisherige Amtszeit. Es gab keine Veranstaltungen, „ich war nicht so präsent und greifbar, wie ich wollte“. Digitalisierung ist ein großes Thema von Paulowitsch. Er schätzt die neuen Möglichkeiten, die etwa der ins Internet verlagerte Bürger-Planer-Dialog zum künftigen Wohngebiet Hangweide bot. Auch die Rathausmitarbeiter setzen viel auf das Homeoffice. Doch das Digitale, sagt der Bürgermeister, könne eben vieles nicht ersetzen. Er vermisse das öffentliche kulturelle Leben. „Und eine Online-Weinprobe ist eben kein Fest.“

Von der Feier an der Glockenkelter wird das frisch getraute Paar lange zehren. „Wir werden unseren Kindern und Enkeln davon erzählen“, jubelt Paulowitsch – der wenig später dirigieren darf. Die Musikvereine aus Stetten und Rommelshausen haben sich zusammengetan und stimmen den „Bürgermeister-Marsch“ an.