Eine Schau im Freiberger Museum widmet sich alten Hochzeitsbräuchen. Expertin Karola Schierle erklärt, was es damals bedeutete, wenn eine Frau von der Heirat schwanger wurde – und warum Hochzeitsgäste so manches Mal zu spät in die Kirche kamen.

Politik: Lisa Kutteruf (lis)

Freiberg am Neckar - Im „feinen Saal“ des Freiberger Museums im Schlössle hat bereits Carl Eugen von Württemberg um Franziska von Hohenheim geworben. Nach einer längeren Pause können sich Paare dort nun wieder standesamtlich trauen lassen. Dazu passend hat das Museumsteam eine Ausstellung rund um Hochzeiten in der Zeit vor 1965 eröffnet, die noch bis zum 27. Oktober für Besucher offensteht. Karola Schierle vom Glas- und Heimatmuseum Wüstenrot gibt im Interview einen Vorgeschmack.

 

Frau Schierle, wie liefen die Hochzeiten vor 1965 ab?

Der ganze Ablauf, vom sich Kennenlernen bis zur späteren Hochzeit, war sehr streng und genau geregelt. Am wichtigsten war jedoch, dass die Hochzeit standesgemäß war, dass Sach zu Sach kam, wie man damals sagte.

Was bedeutete das konkret?

Die Eltern bestimmten immer mit. Herkunft und Vermögen waren entscheidend, Liebesheiraten eher selten. Vor der offiziellen Hochzeit wurde vor Zeugen vertraglich festgelegt, was jeder einbringt: Die Höhe der Mitgift der Braut – um 1900 Weibsbeibring genannt – und das Vermögen von Bräutigamsseite. Eine Verlobung konnte damals nicht ohne weiteres aufgelöst werden. Das Paar musste dann offiziell vom Heiratsvertrag losgesprochen werden. Es gab übrigens auch eine Zeit, in der ein Paar gar nicht heiraten durfte, wenn der Mann die notwendige Versorgung einer zukünftigen Familie nicht nachweisen konnte.

Was bedeutete es, wenn eine Frau vor der Hochzeit schwanger wurde?

Das kam wohl häufiger vor. War das Problem offensichtlich, galt das Paar als ‚gefallen’. Laut kirchlicher Vorschrift konnte es dann nur an einem Mittwoch heiraten. Normalerweise wurde dienstags oder donnerstags geheiratet, bis zirka 1920. Erst langsam setzte sich der Samstag durch. Außerdem durfte die gefallene Braut keinen grünen Kranz aus Myrte oder Rosmarin tragen.

Wie waren die Bräute denn damals abgesehen vom Myrtekranz gekleidet?

Es war bis in die 1920er Jahre nicht üblich, ein weißes Hochzeitskleid zu tragen. Weiß war früher dem Adel vorbehalten, alle anderen trugen ein schwarzes Brautkleid, das sie später dann auch zu anderen feierlichen Anlässen anzogen. Dafür trugen die Brautjungfern weiße oder zumindest helle Kleider. Das sollte ihre Unschuld symbolisieren. Die unverheirateten jungen Leute liefen im Hochzeitszug vor oder direkt nach dem Brautpaar. Diese Paare wurden mit Bedacht zusammengestellt, denn oft entstand daraus das nächste Brautpaar.

Welche Bräuche gab es damals noch?

Eine Besonderheit war die sogenannte Brautfuhre. Die Mitgift der Braut, also Möbel, Hausrat, Wäsche und Betten, musste ja von A nach B transportiert werden. Um 1900 gab es noch keine Umzugsfirmen. Alles wurde auf große Leiterwagen gepackt, mit Girlanden und Blumen verziert und von Pferde- oder Ochsengespannen an den neuen Wohnort befördert. So konnte jeder gleich die Fülle der Mitgift begutachten. Amüsante Anekdoten gibt es auch über die sogenannte Hochzeitssuppe, die früher im ländlichen Raum üblich war: Da die Gäste oft eine weite Anreise hinter sich hatten, wurden sie bei ihrer Ankunft mit einer schlichten Suppe verköstigt. Oft ging es dabei schon so hoch her, dass die Hochzeitsgesellschaft zu spät zur Trauung in die Kirche kam.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Unterschiede zwischen den Hochzeiten früher und heute?

Heute steht es glücklicherweise allen frei, die Person zu heiraten, die sie möchten. Entscheidend sind die gesetzlichen Vorschriften. Seit 1957 ist die Aussteuer der Mädchen nur noch eine freiwillige Gabe der Eltern. Den Mädchen steht heutzutage genauso eine Ausbildung zu wie den Jungen. Die Heirat dient also nicht mehr dem Zwecke der Absicherung, die früher oft in große Abhängigkeit führte.

Ist das Bohei um Hochzeiten in Zeiten von Instagram und Facebook größer geworden?

Heute werden viele Hochzeiten regelrecht inszeniert, bis ins kleinste Detail geplant. Ein riesiger Markt ist dadurch entstanden. Hochzeitsmessen, komplette Pauschalangebote – allein die Auswahl der Kleidung ist schon ein Event. Viele Paare möchten auch heutzutage auf die kirchliche Trauung nicht verzichten. Dabei sollten sie bedenken, dass man am Altar vor Gott ein gegenseitiges Versprechen ablegt. Treu zu sein, zueinander zu halten in guten wie in schlechten Zeiten... Ich habe das Gefühl, das geht bei der ganzen Hochzeitspracht manchmal unter.

Expertin Karola Schierle vom Glas- und Heimatmuseum Wüstenrot beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit Hochzeitsbräuchen. Nun hat sie die Ausstellung in Freiberg mitgestaltet, für die Objekte aus dem Museumsbestand und von Leihgebern zusammengetragen wurden.

Das Museum dokumentiert die Entwicklung Freibergs. Die Sonderausstellung „Hochzeitsglück“ kann sonntags von 14 bis 17 Uhr angeschaut werden – und nach telefonischer Vereinbarung.