Jessica Baumeister und ihr Secondhand-Brautmodengeschäft „Glücksrobe“ haben auf Instagram 20 000 Follower. Die Kundinnen kommen aus ganz Deutschland nach Remseck. Was macht den Erfolg aus?

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

An ihrer eigenen Hochzeit trug Jessica Baumeister gleich drei verschiedene Kleider – nacheineinander, nicht übereinander. Was man bei anderen vielleicht als übertrieben, verschwenderisch oder geltungssüchtig abtun würde, bei der 30-Jährigen ist es irgendwie nachvollziehbar. Baumeister nennt es eine „Berufskrankheit“, sie hat sich voll und ganz der Brautmode verschrieben. Und eins ist ihr dabei wichtig: Nachhaltig müssen die Kleider und Outfits sein.

 

Mit ihrem Laden „Glücksrobe“ verkaufte sie als erste im Landkreis Ludwigsburg Secondhand-Kleider, in der Region Stuttgart gibt es inzwischen gut ein Dutzend Läden mit einem ähnlichen Konzept. Baumeisters Geschäft dürfte zu den erfolgreicheren gehören, zu ihr nach Remseck kommen Bräute aus ganz Deutschland – vom Schwarzwald bis nach Hamburg. Sechs bis acht Anproben finden täglich statt. An den beliebten Samstagen gibt es bis in den August keine Termine mehr.

Aus der Sammelleidenschaft wurde ein Geschäft

Ein Teil des Erfolgs ist der Instagram-Auftritt, in den Baumeister mehrere Stunden Arbeit täglich steckt. Mehr als 20 000 vor allem weibliche Follower, denen sie Einblicke in ihren Arbeitsalltag gewährt, sind der Lohn. Oft folgen die Frauen dem Kanal jahrelang, bis sie selbst vor den Altar oder Standesbeamten treten. Das Kleid kaufen viele dann bei „Glücksrobe“. Schließlich „kennt“ man Jessica Baumeister schon, ihre Mutter Claudia Wittmann (51), mit der sie den Laden führt, sowie das Team, das aus 17 Mitarbeiterinnen – fünf davon in Vollzeit – besteht.

Angefangen hat alles damit, dass die gelernte Bankfachwirtin Baumeister in ihren 20ern regelmäßig auf Hochzeiten kellnerte. „Ich war immer fasziniert von dem Thema.“ Vor allem von den schicken Roben. Nachdem ihre Schwester Melanie 2014 „Ja“ gesagt hatte, begann Jessica Baumeister damit Hochzeitskleider zu sammeln. Die meisten ersteigerte sie auf Kleinanzeigenportalen im Netz. Als die Sammlung auf mehr als 20 Kleider angewachsen und die Zwei-Zimmer-Wohnung viel zu klein geworden war, sagte sich Baumeister: Irgendwas muss ich damit machen, oder alles einfach wieder verkaufen. Sie entschied sich, ihre Stelle als Filialleiterin einer Sparkasse zu schmeißen und sich fortan der Brautmode zu widmen.

Tipp bei Hochzeitskleidern: nicht so sehr auf die Größe achten

Anfangs stattete Jessica Baumeister den Ehefrauen in spe noch Hausbesuche ab, das wurde aber schnell zu viel. Der erste Laden hatte 15 Quadratmeter, inzwischen ist das Geschäft zweimal umgezogen – erst nach Kornwestheim, dann nach Remseck. Dort haben Baumeister, Witmann und das Team die Verkaufsfläche eines Raumausstatters bezogen.

Auf rund 150 Quadratmetern gibt es alles, was das Brautherz begehrt. 250 verschiedene Kleider in allen Schnitten und Größen, Accessoires, Schuhe auch. Der Großteil der Träume in Weiss, etwa 80 Prozent, ist Secondhandware. „Im Durchschnitt kann man ein Kleid zwei- bis dreimal weiterverkaufen“, sagt Claudia Wittmann. Das „Rekordkleid“ trugen fünf Bräute. 60 Prozent des Verkaufspreises gehen an die Vorbesitzerin, den Rest behält „Glücksrobe“. Für Secondhandware könne man in der Regel die Hälfte des Neupreises verlangen, sagt Baumeister. Zwischen 700 und 1000 Euro normalerweise, maximal 1500. Obendrauf kommen die Kosten fürs Umnähen. „Einen Figurenzwilling findet man ganz selten“, sagt Wittmann. Überhaupt sollten Frauen ihrer Meinung nach nicht so sehr auf die Größen achten – besonders bei Hochzeitskleidern. Gerade in dem Bereich sei die Mode sehr typenspezifisch. „Nicht das Kleid ist entscheidend, sondern die Frau, die drinsteckt“, sagt Jessica Baumeister.

Jede Robe verkaufen Baumeister und ihr Team freilich nicht weiter: Die Kleider sollten nicht älter als drei Jahre alt, in gutem Zustand – ohne Löcher oder Risse – und professionell gereinigt sein. Anbieten können Verkaufswillige ihr Kleid über die Internetseite. Ein paar Angaben zu Hersteller, Größe, Preis, Bilder hochladen – fertig. Auch das unkomplizierte Prozedere dürfte Teil des Erfolgs sein. Die Wiederverkaufsquote ist hoch: neun von zehn Kleidern finden eine neue Braut. „Viele kommen auch zweimal, wenn sie auf unserem Instagramkanal ein Kleid sehen, das ihnen gefällt.“

Baumeister kreiert auch eigene Mode

Weil sich auch in Sachen Brautmode die Trends schnell ändern, kaufen Baumeister und Wittmann seit 2019 auch Ware, die bei „normalen“ Brautmodengeschäften vom Haken verschwindet. „Outletkleider“ nennen sie diese Stücke. Zudem designt die 30-Jährige seit zwei Jahren auch selbst. Genäht werden die Kleider in Wasserburg am Inn (Bayern), mit bis zu 2000 Euro sind sie auch deutlich teurer als der Rest.

Dass das Thema Nachhaltigkeit insgesamt eine größere Bedeutung erfahren hat, spielt Baumeister bei ihrem Geschäft natürlich in die Karten, das sagt sie selbst. Der finanzielle Aspekt auch. „Viele sind auf den Trichter gekommen: Das trage ich nur einmal.“, sagt sie, „deshalb sind sie nicht mehr bereit so viel Geld auszugeben.“ In die Glücksrobe kommen von Ärztinnen über Lehrerinnen bis hin zur Putzfrau alle. In der Regel kaufen die aber nur ein Kleid.

Der Weg zum Secondhandkleid

Online
 Termine für Anproben können per Mail an anfrage@gluecksrobe.de oder telefonisch (0 71 46/40 71 846) gestellt werden. Eine Übersicht über freie Termine gibt es online unter: www.gluecksrobe.de. Unter der Adresse findet man auch einen Onlineshop, Verkaufswillige können ihre Kleider zum Weiterverkauf anbieten. Neue Kleider bewirbt das Team auch auf Instagram(@gluecksrobe_secondhand_bride).

Offline
 Die Räume der „Glücksrobe“ befindet sich in Remseck im Finkenweg 2.