Am Stuttgarter Höchstleistungsrechenzentrum HLRS wird internationale Spitzenforschung betrieben. Doch noch muss sich bei kleineren und mittleren Firmen herumsprechen, dass hier auch günstige und flexible Computerkapazitäten für ihre Bedürfnisse reserviert sind.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Der Raum mit den brummenden und rauschenden schwarzen Elektronikschränken auf dem Universitätscampus in Stuttgart-Vaihingen ist eine Rechenfabrik erster Güte. Die Kühlungsventilatoren laufen an diesem heißen Sommertag auf vollen Touren. Das Computerhirn, das hier in den mehr als hundert Schränken mit blinkenden Leuchtdioden arbeitet, ist eines der leistungsfähigsten und schnellsten der Welt. Wenn im August in einer neuen Ausbaustufe die Rechenleistung fast verdoppelt wird, dann hat das Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart (HLRS) die Chance, wieder zu den führenden zehn Rechenzentren der Welt aufzuschließen.

 

Doch wenn Andreas Wierse, der Chef der 2011 von der Universität Stuttgart und dem Karlsruher Institut für Technologie gegründeten Sicos BW GmbH über sein Angebot redet, dann dürften auch die Verantwortlichen von kleinen und mittleren Unternehmen aufhorchen. Denn auf dem Superrechner ist ein Plätzchen für sie frei. Günstig und flexibel dürfen sie hier auch vergleichsweise kleine Kapazitäten anzapfen. So lassen sich etwa Simulationen durchführen, für die diese Firmen selbst nicht die Computer haben, und für die sie auch keine kommerziellen Cloud-Anbieter finden. Für diese Anbieter ist nämlich die Vermietung von Rechenleistungen erst von einer bestimmten Größenordnung an lukrativ. „Die privaten Firmen widmen sich heute immer noch lieber den Großkonzernen“, sagt Wierse.

Niedrige Zugangsschwelle

Die Zugangsschwelle im Stuttgarter Höchstleistungsrechenzentrum ist demgegenüber außerordentlich niedrig. Schon für einen Mindestbeitrag von 25 Euro kann man sich einige Rechenstunden reservieren. Die kleinste zu vergebende Kapazität von 24 Rechenknoten ist für 1,34 Euro in der Stunde zu erhalten. Zum Vergleich: Das ist etwa die sechsfache Rechenleistung eines modernen Laptops. Das erscheine auf den ersten Blick als nicht so viel, sagt Wierse. Doch selbst ein solcher Aufwand für eine vielleicht noch unerprobte Berechnung könne für kleinere oder mittlere Unternehmen eine unüberwindbare Hürde sein, sagt Wierse: „Oft benötigen Unternehmen solche Computerkapazitäten auch nur vorübergehend und wollen deshalb nicht dauerhaft in sie investieren.“

Die Rechenleistung der Universität bekommen sie hingegen zum Selbstkostenpreis. „Die Preise sind allerdings so gestaltet, dass das keine Subventionierung ist“, sagt der Sicos-Chef. Das Geld, das durch die Nutzer aus der Industrie hereinkommt, wird in die Stuttgarter Rechner reinvestiert. Der entscheidende Bonus gegenüber kommerziellen Angeboten liegt anderswo. Im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten ist beispielsweise die Beratung und Betreuung inklusive – etwa bei der Entwicklung von Rechencodes oder der Frage, wie sich Lizenzen für die bei den Rechenvorgängen benutzte Software für den meist nur kurzen benötigten Zeitraum erwerben lassen.

Sicos BW will die Hemmschwelle für innovative Fragestellungen auch in kleineren und mittleren Betrieben senken. Denn auch wenn beim Thema Industrie 4.0 in Baden-Württemberg gerade viel über Daten als „Rohstoff des 21. Jahrhunderts“ geredet wird, tut sich die potenzielle Klientel beim Sprung ins große Rechenzentrum immer noch schwer. „Es gibt welche, die müssten es eigentlich machen, haben aber noch gar nicht davon gehört. Manche glauben, dass sie sich das nicht leisten können. Und wieder andere haben sich noch nicht mit möglichen Fragestellungen beschäftigt“, sagt Wierse. All diese Bedenken ließen sich aber ausräumen.Bisher ist mit den etwa zwei Dutzend Unternehmen, die das Rechenzentrum regelmäßig nutzen, die Quote für kommerzielle Nutzung, die einen einstelligen Prozentanteil an der Rechnerkapazität nicht überschreiten soll, kaum ausgeschöpft. Laut Wierse könnten doppelt oder gar viermal so viele Unternehmen berücksichtigt werden.

Eine Reihe von Erfolgsbeispielen

Doch es gibt eine Reihe von Erfolgsbeispielen. Sie beginnen mit dem kleinen Gründer, der zurzeit für die Analyse von Emulsionen komplexe Berechnungen durchführt. Dazu gehört auch die Korber Firma für Lasersystemtechnik Bollinger & Ohr, die in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurdienstleister Lauer & Weiss aus Fellbach aufwendige Simulationen zu einer Verpackungs-Schweißtechnik erstellen ließ. Bisher waren hier teure praktische Testläufe nötig. „Da haben sie gleich einmal Teile mit Kosten von mehreren hundert Euro verbrauchen müssen“, sagt Wierse. Auch das Stuttgarter Unternehmen Recom Services hat schon komplexe Verbrennungsvorgänge in Kohlekraftwerken virtuell nachvollziehen lassen.

Nicht zuletzt hat der Stuttgarter Rechner im vergangenen Jahr den termingerechten Start des 3D-Trickfilms Biene Maja ermöglicht. Die Stuttgarter Firma Mark 13 ließ 115 000 datenintensive Stereobilder berechnen und sparte nicht nur Geld, sondern auch entscheidende Zeit. Für den Datentransport, sagt Wierse, seien wegen langsamer Leitungen in der Innenstadt konventionelle Mittel nötig gewesen: „Die Daten wurden jeden Morgen auf Festplatten angeliefert. Das ging am schnellsten.“