Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Diese alte Philosophenfrage erwacht in Fonfaras digitaler Satire neu in einem wilden Mix aus Tönen, verfremdeten Stimmen und Geräuschen, die einfach unterirdisch sind. Der frühere Radioheld, der von 1986 bis 1998 im wilden Süden, wie man unsere Heimat damals nannte, mit Frau Kächele und Frau Peters ein ganz-ganz Wilder war, hat das Hörspiel „Der neue Bahnhof isch fertig“ produziert – mit der geballten Stimmkraft von schwäbischen Größen.
Das Ergebnis ist schräger als der neue Bahnsteig. Die Montagsdemos werden als Kultur-Event gefeiert. Es geht um Schwarzgeldgeschäfte im ICE und andere Verschwörungstheorien. Wasserströme im Gestein führen zu Tretbootspaß. So verrückt wird Stuttgart 21 in der heimischen Kleinkunst-Liga!
Roland Baisch hat eine neue Hüfte bekommen
Es ist ein Spiel mit Täuschungen und unglaublichen Begegnungen im Schienenverkehr der Zukunft. Die Frage, wann Stuttgart 21 tatsächlich fertig ist, kann freilich selbst Teflon Fonfara nicht beantworten, auch wenn er sich mit noch so viel Hefezopf und einem Haufen Butter dopt.
Entertainer Roland Baisch, einer der Stimmen in dieser abgedrehten Produktion, hat gerade eine neue Hüfte verpasst bekommen. „Die hält 25 Jahre“, sagt er. In dieser Zeit, hofft Baisch, könnte es gelingen, jemanden im neuen Bahnhof abzuliefern. Aber so sicher ist er sich da nicht.
Die offizielle Version der Deutschen Bahn lautet: 2025 fährt der erste Zug tief unter Stuttgart! Wenn dann alles so abgeht, wie sich dies Teflon Fonfara in seinem Hörspiel ausmalt, ja, dann ist Land unter im Wortsinn!
Ein Who’s who der schwäbischen Spaßszene
Surreal ist das, verrückt und geradezu dadaistisch. Fans dieses speziellen Humors werden begeistert sein. Aber es wird auch Menschen geben, die keine Ausdauer für 90 Minuten haben, die mit Crazy-Schwäbisch vollgestopft sind.
Das Hörspiel ist ein Who’s who der heimischen Spaßszene. Mit Roland Baisch wirken als Sprecher außerdem mit: Michael Gaedt (Soko Stuttgart, KGB, einst Tierschau), Heiko Volz (der frühere Äffle-Sprecher und heutige Neckar-Käptn), Babs Steinbock (Cleaning Women, WooDop Mädla), Frl. Wommy Wonder und Bernd Kohlhepp.
„Ich halte S 21 immer noch für eine fatale Fehlentscheidung“
Für Baisch, den Mann mit der neuen Hüfte, war sofort klar, dass er zusagte: „Frau Kächele und Frau Peters sind Legenden. Da freue ich mich, sie ehren zu können.“ Travestie-Lady Wommy gibt dagegen zu, früher immer SWF 3 gehört zu haben und damit die beiden Schwäbinnen gar nicht zu kennen. Als sie das Buch fürs Hörspiel las, hat ihr gefallen, „dass Teflons Comedy gegen den Strich gebürstet ist“. Babs Steinbock, die mit Fonfara vor Corona als Frau Kächele und Frau Peters live aufgetreten ist, sagt: „Ich trauere immer noch sehr dem alten Bahnhof nach und halte S 21 immer noch für eine fatale Fehlentscheidung – aber Teflons Variante ist Spitze!“
1978 hat Fonfara „Stuttgarts ersten Sargverleih“ eröffnet
Der Hörspiel-Autor mit den weißen Haaren ist selbst eine Legende. 1978 hat er sich einen noblen, massiven Eichensarg gekauft und „Stuttgarts ersten Sargverleih“ eröffnet. In den Zeitungen schaltete Teflon Fonfara eine Anzeige mit folgendem Text: „Sargmiete nur 100 Mark die Nacht.“ Mit dieser Geschäftsidee löste der schrille Schwabe einen Mediensturm aus. „Spiegel“ und „Stern“ schrieben über den Mann, dessen Band Fonfara Music Gitarrensoli spielte, die so lang waren wie der Morgenstau der A 81 bei Pleidelsheim. Heute freilich gibt er zu: „Nur einmal hab ich den Sarg verleihen können – für eine Party.“ Der Werbeerfolg zwischen Hamburg und Wien sei aber umwerfend gewesen.
Fast schien es, als ruhten Frau Kächele und Frau Peters in Fonfaras Eichensarg. Die Schwäbinnen priesen in etwa 800 Radio-Spots die Einmaligkeiten ihres Hausfrauendasein dank Erfindungen wie der „Orgasmusschaukel“ an.
„Heute gibt es keine CDs mehr“
Daheim nahm das Multitalent in grauer Vorzeit auf dem Kassettenrekorder die Spots auf, technisch wurden die Stimmen verändert. Sodann brachte Fonfara die Kassetten ins Funkhaus, wo die Geschichten unbearbeitet gesendet wurden. Mit der Fusion von SDR und SWF 1998 endete die Radiokarriere von der Kächele und der Peters. Die Comedy-Hoheit von SWR 3 lag von nun an in Baden-Baden. Dort hat man die Schwabenweiber entsorgt. Im Maritim Hörspielspielverlag kehren sie nun zurück. „Heute gibt es keine CDs mehr“, sagt Fonfara, „deshalb kann man sich das Hörspiel von Ende April an als Download auf allen wichtigen Portalen runterladen.“
Der neue Bahnhof isch fertig? Bis es wirklich so weit ist, muss noch viel Hefezopf gebacken und Butter haufenweise gemacht werden.