Die Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus sieht den Charakter Heslachs durch die Pläne von Hofbräu gefährdet. Die Brauerei führt aber bereits Verhandlungen mit Investoren.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Im Lehenviertel ist die sogenannte Gentrifizierung schon weit voran geschritten. Junge, kreative und meist gut verdienende Menschen zieht es in diesen Stadtteil. Die Mietpreise sind dementsprechend hoch. Von der schönen, neuen Welt ist der Stadtteil Heslach bislang verschont geblieben. Ab dem Marienplatz in Richtung Erwin-Schoettle- und Bihlplatz wird es eher schmuddlig. Die Mieten sind im zweitgrößten Stadtteil des Südens noch recht sozial verträglich, viele Bewohner sind alteingesessene Heslacher. Dies wird aber nicht mehr lange so bleiben. Das ist zumindest die Befürchtung der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus und der Stadtisten im Bezirksbeirat Süd sowie im Stuttgarter Gemeinderat.

 

Hofbräu veräußert Areal an der Böblinger Straße

Schuld daran ist nach Auffassung der Lokalpolitiker die Firma Hofbräu. Die Stuttgarter Brauerei plant derzeit die Veräußerung ihres Grundstücks an der Böblinger Straße 104 an einen Investor. Nach den Wünschen des Unternehmens soll auf dem Areal der ehemaligen Schlecker-Filiale ein Wohnpark mit 55 Wohnungen sowie Ladeneinheiten im Erdgeschoss entstehen. Erst vor kurzem hatte das Unternehmen eine Machbarkeitsstudie im Bezirksbeirat vorgestellt. „Da käme nach dem Lehenviertel im nächsten Stadtteil die Gentrifizierung in Gang“, sagt der Bezirksbeirat Heinrich Kaiser (SÖS/Linke).

Klar ist auch, dass sich das Klientel an der Böblinger Straße durch das Neubauprojekt verändern wird. Die Mieten werden sicherlich über dem Durchschnitt im Stadtteil liegen. Allerdings benötigt Hofbräu für seine Pläne einen geänderten Bebauungsplan. Auch das macht einigen Bezirksbeiräten Sorgen. „Das ist lediglich ein Gewinn für Hofbräu, für den Stadtteil ist es das Gegenteil“, ist Jens Hermann von den Stadtisten überzeugt. Mit einem neuen Bebauungsplan greift zwar das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM), vier Sozialwohnungen sind der Fraktionsgemeinschaft und den Stadtisten an dieser Stelle aber definitiv zu wenig. Sie wünschen sich bezahlbare Wohnungen für ältere Menschen, Familien und Menschen mit geringerem Einkommen.

Für die Bezirksbeiräte und die Stadträte gibt es deshalb nur eine Lösung: Die Stadt müsse das Grundstück kaufen. In einem Antrag fordern die Stadträte der Fraktionsgemeinschaft nun das Stadterneuerungsvorranggebiet Nummer zwei um die Fläche des Firmengeländes der Stuttgarter Hofbräu zu erweitern. Die Stadt hätte dann in jedem Fall ein Vorkaufsrecht. Damit könnte nach Auffassung von Thomas Adler die Landeshauptstadt dafür sorgen, dass der besondere bauliche Charakter von Heslach inklusive des derzeitigen Einwohnermilieus erhalten wird. Das geplante Gebäude von Hofbräu „wirke wie ein optischer Fremdkörper“ im Stadtteil, schreiben die Bezirksbeiräte in ihrem eigenen Antrag.

Sozialer Wohnungsbau gilt nicht nur für Heslach

Ganz so negativ wie SÖS/Linke, Piraten und Stadtisten sieht der Bezirksvorsteher Raiko Grieb die Pläne nicht. Für ihn klingt die Machbarkeitsstudie „interessant“. Er will das Vorhaben an der Böblinger Straße mit dem Bezirksbeirat eng und positiv begleiten. „Jede geförderte Wohnung, die mehr als SIM bedeutet, ist wertvoll für uns.“ Wichtig ist ihm aber auch, dass die Ecke den Anschluss nicht verpasst. Bisher sei die Spanne zwischen Kaltental und Heslach einerseits sowie der Halbhöhenlage andererseits zu groß. Und: „Wir können das Problem des sozialen Wohnungsbaus nicht allein in Heslach lösen.“

Unabhängig von den Ansichten und Anträgen der Lokalpolitiker ist die Firma Hofbräu schon einen Schritt weiter. „Die Verhandlungen mit den potenziellen Investoren sind schon weit fortgeschritten“, sagt der Geschäftsführer Martin Alber.

Die entsprechenden Anträge für die Änderung des Bebauungsplans sind in Bearbeitung. Gemeinderat und Stadtverwaltung haben noch nicht entschieden. Über den Antrag der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Die Linke-Plus allerdings auch nicht.

Historie
Die Brauerei ist seit Generationen im Süden ansässig. Der überwiegende Teil des Geländes zwischen Erwin-Schoettle-Platz und Bihlplatz ist in der Hand des Unternehmens. Hofbräu gehört seit dem Jahr 2010 vollständig zur Radeberger-Gruppe. Nun plant Hofbräu Teile seines Areals, in dem bisher Verwaltung, Vertrieb und Teile der Geschäftsführung untergebracht sind, bis Ende 2017 in das benachbarte Brauereigebäude zu verlegen.

Pläne
Das Grundstück an der Böblinger Straße 104 will Hofbräu im Zuge dessen an einen Investor verkaufen. Nach den Wünschen der Brauerei soll dort ein viergeschossiger Wohnpark mit rund 55 Wohnungen, Ladeneinheiten und einem Supermarkt entstehen.