Nach der frustrierenden 1:4-Heimniederlage gegen den Hamburger SV kann 1899 Hoffenheim den Abstieg in die zweite Liga kaum noch verhindern. Das Schreckensszenario zweite Liga rückt immer näher.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Hoffenheim - Der dicke Frontmann der Band „Die Chefs – die Retter des Rocks im Kraichgau“ hat im Bauch der Südtribüne der Rhein-Neckar-Arena alles gegeben. Zu satten E-Gitarrensounds schmetterte er beim Duft von Bier und Bratwurst seine Evergreens wie „Mein Stadion“ – und auch die Vereinshymne der TSG 1899 Hoffenheim haben die Chefs selbstverständlich im Sortiment. Doch all die Stadionromantik half nach dem mit 1:4 deutlich verlorenen letzten Heimspiel der Saison recht wenig. Die TSG ist in der Fußball-Bundesliga jetzt kaum noch zu retten. Deshalb muss nicht nur die Frau Mitte Dreißig mit dem blau-weißen Fanschal und dem schwarzen T-Shirt der „Black Bulls Hoffenheim“ weinen, als sie die Partyzone in Richtung Parkplatz verlässt.

 

Zum erhofften Befreiungsschlag gegen den HSV, der bei zuvor null Siegen in vier Aufritten eigentlich zu den Lieblingsgegnern der Badener gehörte, ist die Rhein-Neckar-Arena mit 30 150 Besuchern noch einmal restlos ausverkauft gewesen. Vielleicht für etwas längere Zeit zum letzten Mal.

Zwar flüchtete sich der TSG-Trainer Markus Gisdol in die Gewissheit, „dass der letzte Spieltag ja stets seine eigene Charakteristik hat und ganz eigene Geschichten schreibt“; zwar haben in Düsseldorf und Augsburg die Konkurrenten im Ringen um den Relegationsplatz ebenfalls verloren. Doch es steht bei zwei Punkten Rückstand und der deutlich schlechteren Tordifferenz der TSG nur noch ein Spieltag aus. Das Schreckensszenario zweite Liga, wo dann Clubs wie der FC Ingolstadt, Energie Cottbus oder der FSV Frankfurt kaum für gut gefüllte Ränge sorgen würden, rückt also immer näher.

Der nächste Gegner ist der Tabellenzweite

Schließlich steht den bei der deftigen Heimschlappe gegen den HSV äußerst verunsicherten Hoffenheimern ein äußerst schwerer Gang bevor: Zum Saisonkehraus muss man beim Tabellenzweiten Borussia Dortmund in Deutschlands größter Fußballarena antreten. Dass der BVB eine Woche später in London gegen den FC Bayern das Endspiel in der Champions League bestreitet und dadurch abgelenkt sein könnte, glauben im Hoffenheimer Lager längst nicht alle. So erwartet Sebastian Rudy „einen kleinen Fußballkrieg“, während es sein Mittelfeldkollege Sejad Salihovic etwas ruhiger angehen will: „Wir werden in Dortmund alles geben und hoffen, dass sie nicht ganz bei der Sache sind.“

Dass zumindest der Hoffenheimer Trainer Mut besitzt, hatte Markus Gisdol schon vor dem HSV-Spiel bewiesen. In dem Linksverteidiger Stefan Thesker sowie in dem Innenverteidiger Niklas Süle präsentierte der Coach zwei Youngster aus dem eigenen Stall in der Startelf. Zudem saßen in Jens Grahl, Robin Szarka, Patrick Schorr und Andreas Ludwig vier weitere Grünschnäbel auf der Bank. Renommierte Namen wie Matthieu Delpierre, Tim Wiese oder Eren Derdiyok fehlten derweil gänzlich auf dem Spielberichtsbogen. Das war ein Indiz, wie es im Kraichgau weiter gehen soll: Mit jungen Spielern will Gisdol künftig einen Fußball spielen lassen, „den die Leute gerne sehen.“ Ob in Liga eins oder zwei – das scheint dabei für den Trainer nicht die alles entscheidende Frage.

Schade nur, dass Gisdols Wille zur Veränderung gegen die konzentriert und effektiv aufspielenden Hamburger nicht belohnt wurde. Während bei Hoffenheim vor allem die beiden Defensivnovizen Thesker und Süle nervös begannen, verwertete der HSV seine Chancen konsequent. Nach Toren von Heung Min Son (18.) und Dennis Aogo (35.) hieß es zur Halbzeit bereits 0:2 – und Hoffenheim war zu diesem Zeitpunkt virtuell abgestiegen, weil Düsseldorf führte und Augsburg beim FC Bayern noch das 0:0 hielt.

„Alle zusammen zu viele Fehler“

„An der Einstellung meiner Mannschaft lag es nicht – man hat gesehen, dass sie wollte. Aber wir haben alle zusammen zu viele Fehler gemacht“, resümierte Gisdol den 1:4-Endstand nach weiteren Gästetoren durch Petr Jiracek (60.) und Artjoms Rudnevs (88.) bei einem Ehrentreffer von Kevin Volland (61.). Während die Hanseaten mit zwei Punkten Rückstand auf den Tabellensechsten Eintracht Frankfurt noch von einem Europa-League-Platz träumen dürfen, muss man in Hoffenheim vor dem Showdown in Dortmund auch am Torabschluss arbeiten.

Immerhin versiebten Sven Schipplock, Kevin Volland und Co. in der zweiten Hälfte eine Reihe guter Möglichkeiten auf das Anschlusstor, indem sie sich im Strafraum den Ball viel zu umständlich auf den starken Fuß legten. „Heute haben wir vor dem Tor zu oft die komplizierte Variante gewählt“, sagte Gisdol, der sich vor dem 34. Spieltag aber nicht verrückt machen lassen will. Klar ist dennoch: Gewinnt die TSG Hoffenheim in Dortmund nicht, ist sie garantiert nur noch zweitklassig.