Ein bisschen Wehmut ist dabei, wenn heute die letzten Zivis der Diakonie Württemberg gehen. Die Wohlfahrtsverbände haben sich auf die Zeit danach eingestellt.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Ein bisschen Wehmut ist dabei, wie es sich gehört für einen Abschied von Liebgewonnenem. „Schade, dass es den Zivildienst nicht mehr gibt“, sagt Patrick Simon. Der 21-Jährige gehört zu den letzten sieben Zivis, die noch Dienst tun in Einrichtungen der Diakonie Württemberg. Doch an diesem Donnerstag ist Schluss.

 

„Ich empfehle allen meinen Kumpels, so was mal zu machen“, sagt Nico Negele, der wie Patrick Simon im Behindertenzentrum (Bhz) der Diakonie am Fasanenhof gearbeitet hat. „Meine Meinung über behinderte Menschen hat sich völlig verändert“, erzählt Negele. „Das sind für mich jetzt ganz normale Menschen.“ Weil dem 21 Jahre alten Kraftfahrzeugmechatroniker die Arbeit in dem Behindertenzentrum so gut gefällt, hat er seinen Zivildienst verlängert. Wie Patrick Simon, der gelernte Sozialversicherungsangestellte macht bis im Frühjahr als Hilfskraft weiter, bevor er noch mal die Schulbank drückt.

Von den Erfahrungen profitiert

„Mit Behinderten zu arbeiten macht Spaß, weil sie so offen sind“, sagt auch der Mediengestalter Florian Raulf im Rückblick auf die 15 Monate im Bhz. Von diesen Erfahrungen hat er profitiert. Raulf: „Es sind richtige Freundschaften entstanden.“

Für Wolfgang Hinz-Rommel ist das Ende des Zivildienstes ein tiefgreifender Einschnitt. „Kurz nach seinem 50. Geburtstag – der war im April 1961 – wird der Zivildienst abgeschafft“, sagt der Leiter der Abteilung Freiwilliges Engagement bei der Diakonie Württemberg. Fast 55 500 Zivis haben in deren Einrichtungen in diesen Jahrzehnten ihren Dienst geleistet.

„Ersatzdienst“

In den Anfangsjahren taten die „Kriegsdienstverweigerer“ ihren „Ersatzdienst“ noch unter den misstrauischen Augen eines Großteils der Gesellschaft, vielen galten sie als „Drückeberger“. Das änderte sich in den Jahren nach 1968. „Da stiegen die Verweigererzahlen, seit den 80er Jahren mit großer Geschwindigkeit“, erinnert sich Wolfgang Hinz-Rommel. Der Zivildienst wurde zur gesellschaftlich anerkannten Alternative zum Wehrdienst. Zum Segen der Einrichtungen, die sich um das Wohl von Alten, Kranken, Jugendlichen und Behinderten kümmern.

Die seit Jahren grassierende Sorge, mit dem Ende des Zivildienstes werde eine Lücke in der sozialen Landschaft der Republik klaffen, ist aber nicht eingetreten. „Das hat sich nicht bewahrheitet“, sagt Wolfgang Hinz-Rommel. In vielen Einrichtungen habe man Lösungen gefunden, um Ersatz zu schaffen. Durch den vermehrten Einsatz von Ehrenamtlichen, Minijobbern, vor allem aber durch die wachsende Zahl von jungen Leuten, die ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) machen oder den neuen Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) leisten. So ist die Zahl der FSJler in diesem Jahr auf mehr als 1000 gestiegen, sonst waren es im Schnitt 800. Und es sind bereits 360 Bufdis bei der Diakonie Württemberg im Einsatz.

„Was kann ich lernen“

Allerdings müssen sich die Einrichtungen auf die neuen Freiwilligen anders einstellen als auf die Zivis. Bei denen waren auch Jobs als Fahrer oder Pförtner beliebt. Wer einen Freiwilligendienst macht, fragt hingegen: „Was bringt’s mir, was kann ich lernen“, erzählt Abteilungsleiter Hinz-Rommel. Wesentlich stärker beschäftigt die Verantwortlichen bei der Diakonie die Frage, wie viele Männer künftig noch in die Sozialarbeit gehen. „In vielen diakonischen Einrichtungen gibt es Mitarbeiter, die eine Zivildienstbiografie haben“, sagt Wolfgang Hinz-Rommel. Die neuen Freiwilligen sind allerdings zu drei Viertel Frauen.

Moritz Vogel, Personalreferent des Bhz, ist darüber nicht nur erfreut. So sei es in einer Behinderteneinrichtung auch wichtig, „dass man in der Betreuung ein ausgewogenes Verhältnis von weiblichen und männlichen Kräften hat“. Wie seine scheidenden Zivikollegen sagt auch Florian Raulf von sich, er habe schon immer eine „soziale Ader“ gehabt. Auf die Idee, nach der Ausbildung einen Sozialdienst zu machen, wäre er selbst vermutlich aber nicht gekommen. Dazu bedurfte es doch eines Anstoßes von außen – vom Zivildienst.