Bald wird es in Deutschland Cannabis auf Rezept geben. Doch wo soll der Stoff herkommen? Der Hauptlieferant, die Niederlande, stößt bereits an Grenzen. Nun soll der Anbau in Deutschland erfolgen – kontrolliert von einer Cannabisagentur.

Berlin - „Es geht hier nicht um Kiffen auf Rezept.“ Das will Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, lieber gleich vorweg sagen. Den Spaß-Joint auf Krankenschein wird es auch weiterhin nicht geben. Natürlich nicht. Dennoch ändert sich in Deutschland gerade etwas im Umgang mit dem ThemaCannabis. Der Bundestag hat im Januar ein Gesetz verabschiedet, das die Versorgung schwerkranker Patienten mit Cannabis in Arzneimittel-Qualität nach einer entsprechenden ärztlichen Verordnung und die Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung möglich macht. Auch der Bundesrat hat schon zugestimmt. Die Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten steht unmittelbar bevor.

 

Nun wird die verwaltungstechnische Konsequenz gezogen – und die hat es durchaus in sich: Wenn den Patienten Cannabis verschrieben werden kann, muss es in ausreichender Menge und Qualität dauerhaft zur Verfügung stehen. Genau darum wird sich der Staat nun kümmern. Eine Cannabisagentur, angesiedelt beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wird den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland steuern und kontrollieren. Am Freitag stellten die Spitzen der Behörde gemeinsam mit dem Staatssekretär die Pläne vor.

Anbau durch lizensierte Unternehmen

Der Anbau von Cannabis wird nicht durch die staatliche Behörde selbst erfolgen, sondern durch lizenzierte Unternehmen, die in einem europaweiten Ausschreibungsverfahren ausgewählt werden. Die Cannabis-Agentur wird dann die Ernte aufkaufen, einen Hersteller-Abgabepreis festlegen und das Cannabis an Hersteller von Cannabis-Arzneimitteln, Großhändler oder Apotheken verkaufen. Gewinn darf die Behörde damit nicht erzielen.

Der staatlich kontrollierte Anbau in Deutschland soll sicherstellen, dass bei möglicherweise wachsendem Bedarf immer genug Cannabis zur Verfügung steht. Das ist nämlich durchaus ein Problem: Bislang war die Patientenabgabe nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich. Eine solche Genehmigung haben derzeit rund tausend Patienten. Bei einem durchschnittlichen Tagesbedarf von einem Gramm pro Person würden also etwa 365 Kilogramm pro Jahr benötigt, um eine kontinuierliche Versorgung sicherzustellen.

Bislang muss das Cannabis importiert werden. Es kommt aus den Niederlanden und aus Kanada. Aber durchaus nicht in ausreichendem Umfang. Nach Angaben der Bundesregierung hat Deutschland im Jahre 2016 insgesamt 170 Kilogramm Arznei-Cannabis importiert. Die Tendenz ist steigend: 2015 waren es 93 Kilogramm, 2014 erst 48,5 Kilogramm. Da es Signale aus den Niederlanden gibt, dass eine weitere Steigerung der Lieferung des nach medizinischen Kriterien kontrolliert angebautem Cannabis nicht ohne Weiteres möglich ist, setzt Deutschland nun auf den staatlich kontrollierten Anbau im eigenen Land. Mit einer ersten Ernte wird für das Jahr 2019 gerechnet, erklärte BfArM-Präsident Professor Karl Broich.

Auch MS-Patienten hoffen

Allgemein wird erwartet, dass die Menge des verschriebenen Cannabis weiter steigen wird. Die Ärzte sind bei der Verschreibung an keine Indikation gebunden. Heute sind zwei Drittel der Inhaber einer Ausnahmegenehmigung chronische Schmerzpatienten. Aber Hinweise zeigen, dass der Einsatz von Cannabis auch bei der Behandlung einer Reihe weiterer Erkrankungen sinnvoll sein könnte: etwa bei Multipler Sklerose (MS), Alzheimer oder bei der Bekämpfung von Appetitlosigkeit und Übelkeit nach Chemotherapien. Bedingung für die Verschreibung ist aber immer, dass die Patienten mit anderen verfügbaren Arzneimitteln nicht zufriedenstellend therapiert werden können. Diese Feststellung obliegt dem verschreibenden Arzt, der Patient muss also nicht erst eine Leidenstour hinter sich gebracht haben, bei der andere Arzneimitteln versagten.

Privater Anbau bleibt verboten

Der private Anbau durch die Patienten selbst bleibt weiterhin verboten. Die staatliche Kontrolle der lizenznehmenden Anbauer soll ein gleichbleibendes medizinisches Qualitätsniveau sicherstellen. Insofern wird auch keine Tür für den privaten Haschraucher geöffnet. Überhaupt weist das BfArM darauf hin, dass das Rauchen der getrockneten Cannabisblüten offenbar keineswegs die klügste Einnahme-Methode sei. Ölige Lösungen und Tropfen stehen als Alternative zur Verfügung, zum Inhalieren oder zum Schlucken. Möglich wäre das Rauchen aber dennoch.

Da die Wirksamkeit des Cannabis in der medizinischen Praxis noch nicht gut erforscht ist, soll der Einsatz in Deutschland durch eine fünfjährige Begleitstudie ergänzt werden.