Im Seehaus berichten hochrangige Friedensbotschafter aus Ruanda und Kolumbien von ihren Erfahrungen mit einem Aussöhungsprojekt.

Leonberg - Nur noch kurz die Welt retten“ wollte der deutsche Sänger Tim Bendzko vor einigen Jahren. Die ganze Welt gerettet hat Tobias Merckle mit der Hoffnungsträger-Stiftung aus Leonberg nicht, aber einen kleinen Beitrag geleistet, diese ein Stück weit besser zu machen. Seit vielen Jahren unterstützt die Stiftung den Aussöhnungsprozess nach dem Völkermord im ostafrikanischen Staat Ruanda im Jahr 1994, bei dem rund eine Million Menschen ihr Leben ließen. Ein Element des Friedensprozesses sind die „Dörfer der Versöhnung“, in denen Täter und Opfer friedlich zusammenleben.

 

Dieses Modell hat Tobias Merckle vor vier Jahren Francisco Galan, dem ehemaligen Chef der zweitgrößten kolumbianischen Guerillaorganisation ELN, und Lácides Hernández, dem Präsidenten von Prison Fellowship Kolumbien vorgestellt. Beide Länder standen vor der Herausforderung, dass ein bewaffneter Konflikt die Gesellschaft auseinandergerissen hatte. In Kolumbien geschah dies durch die Guerillaorganisationen FARC und ELN, die gegen den Staat kämpften. Sie rekrutierten unter anderem zahlreiche Kindersoldaten, die sie aus Familien rissen.

In Kolumbien gibt es fünf Dörfer der Versöhnung

Seit 2015 sind in Kolumbien fünf Dörfer der Versöhnung aufgebaut worden, bei denen der Wiederaufbau der Infrastruktur im Mittelpunkt steht. Auf Einladung des Seehauses haben hochrangige Friedensbotschafter beider Länder am Dienstag von ihren Erfahrungen berichtet.

„Wir haben die Kraft der Versöhnung und Vergebung nutzen müssen, um Ruanda nach dem Völkermord wieder aufzubauen“, erklärte Bischof John Rucyahana. „Die Genozid-Ideologie wurde den Menschen auch in der Kirche und in den Schulen eingetrichtert“, sagte er. Man sei in die Gefängnisse gegangen und habe zunächst getrennt mit Tätern und Opfern gesprochen. Später habe man beide Seiten zusammengebracht.

Wichtig sei gewesen, dass die Hinterbliebenen den Tätern vergeben hätten. „Wenn man die Wut in sich behält, behält man Gift in Kopf und Seele und kann nicht mehr frei denken“, sagte Rucyahana. Teil des Aussöhnungsprogramms sei auch ein System lokaler Gerichte gewesen, bei denen die Dorfältesten über Straftaten urteilen und so die Justiz entlastet hätten. So genannte Versöhnungsbeauftragte in den Gemeinden hätten die alltäglichen Konflikte gelöst.

Sie wollen den Kindern eine Stimme geben

Bischof Deo Gashagaza, der im Rahmen des Genozid selbst 45 Familienmitglieder verloren hat, berichtete, auch dank der Hilfe der Hoffnungsträger habe man rund 300 Kindern von Tätern mit Essen und Schulbildung versorgen können. „Für diese Kinder war es wichtig, die Wahrheit über ihre Väter zu hören. Denn sie dachten, ihre Väter sind unschuldig im Gefängnis und hatten Hass auf die Opfer“, sagte er. In den acht Dörfern der Versöhnung mit jeweils rund 1000 Bewohnern hätten Täter und Opfer zusammen eine neue Gemeinschaft aufgebaut. „Die Täter sagten, ich habe nichts, was ich zurückgeben kann. Aber ich habe Hände zum Arbeiten“, führte Gashagaza weiter aus. Wichtig sei auch gewesen, dass die Menschen Geld verdienen konnten, denn Armut sei die Wurzel vieler Straftaten gewesen.

Margarita Restrepo, Abgeordnete des kolumbianischen Repräsentantenhauses, berichtete von ihren Bemühungen zur Wiedereingliederung von Kindern, die von FARC und ELN zwangsrekrutiert waren. „Bisher sind nur 77 von rund 3000 Kindern zurückgegeben worden. Es gibt kaum schriftliche Dokumente. Wir müssen diesen Kindern eine Stimme geben“, sagte sie.