Wohnen auf weniger als 90 Quadratmeter – für eine vierköpfige Familie war das viele Jahre undenkbar. Bei Neubauten wird es jedoch wieder normal.
Große Wohnungen, weiß Julian Pflugfelder, geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Immobilienunternehmens, sind heutzutage schwer zu verkaufen. Am Gämsenberg im unteren Schlösslesfeld entstehen derzeit in einem der größeren Baugebiete der Stadt Ludwigsburg 61 neue Wohnungen. Allerdings setzt man vermehrt auf Wohnungsgrößen, wie sie in den 1960er-Jahren an der Tagesordnung waren. Die Drei-Zimmer-Wohnungen messen um die 66 Quadratmeter, das kleinste Zimmer hat weniger als zehn Quadratmeter, die Vier-Zimmer-Wohnungen sind etwa 85 Quadratmeter groß. „Für eine vierköpfige Familie ist das schon sehr kompakt“, räumt Pflugfelder ein.
Am gefragtesten seien Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen. Was angesichts der Baupreise auch kein Wunder ist. Denn die vier Zimmer kosten mehr als 600 000 Euro, eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 59 Quadratmetern immer noch deutlich mehr als 400 000 Euro. Was trotz der hochwertigen Ausstattung mit Parkett, Fußbodenheizung und Aufzug sowie guter Energieeffizienz dank Innendämmung, Dreifachverglasung, Luft-Wasser-Wärmepumpe und Fotovoltaikanlage alles andere als ein Schnäppchen ist. Dennoch seien etwa 60 Prozent bereits verkauft, sagte Pflugfelder bei einer Besichtigung eines der Rohbauten durch den Bauausschuss des Ludwigsburger Gemeinderats am Donnerstagabend.
Viele Preistreiber beim Bauen
Der Grund für die hohen Preise: „Unter 6000 Euro für Grundstück, Herstellungskosten und andere Baunebenkosten kann man heute nicht mehr bauen“, so der Immobilienprofi. Und das, obwohl die ganz großen Kostensteigerungen vorbei seien. Dafür gebe es sehr wenige Anbieter für den technischen Ausbau, also beispielsweise in den Bereichen Heizung und Elektrik.
Zur Kostensteigerung haben laut Pflugfelder auch die Auflagen des Gestaltungsbeirats der Stadt Ludwigsburg beigetragen. Der sei zwar ein wichtiges Instrument der städtebaulichen Entwicklung der Kommune, doch weil man wegen der Sonderwünsche in einigen Bereichen von standardisierten Bauprozessen habe abweichen und Planungsrichtlinien verlassen müssen, seien im Vergleich zu anderen Bauvorhaben etwa zehn Prozent Mehrkosten entstanden. Zudem sei das Grundstück wegen der Hanglage auch anspruchsvoll zu bebauen – was die Kosten ebenfalls nach oben treibe. Ganz zu schweigen vom langen Bauprozess: Vom Grundstückserwerb über die Planungen bis zur Fertigstellung werden am Gämsenberg 15 Jahre vergangen sein.
Ein knappes Drittel geförderte Wohnungen
30 Prozent der Wohnungen sind geförderter Wohnraum zu verbilligten Mietpreisen. Wie hoch die Mieten dann am Ende aber sein werden, kann Pflugfelder noch nicht sagen. Die ersten Wohnungen im ersten Baufeld sollen Ende des Jahres bezugsfertig sein, auf dem zweiten Grundstücksteil, den eigentlich die städtische Wohnbaugesellschaft WBL bebauen wollte, sollen die Arbeiten im dritten Quartal beginnen. Die WBL hatte das Grundstück Ende 2024 an Pflugfelder verkauft, weil sich mit den Neubauten in Grünbühl und im Jägerhofquartier ein Kapazitätsproblem ergeben hat. Und ein finanzielles: Im Jägerhofquartier konnten rund 40 Prozent der Wohnungen noch nicht verkauft werden.
Für den zweiten Bauabschnitt am Gämsenberg beträgt die Sozialquote der Wohnungen ebenfalls 30 Prozent. „Der Fokus auf den sozialen Wohnungsbau ist wichtig“, sagt Ludwigsburgs Baubürgermeisterin Andrea Schwarz. Ein weiterer Fokus liege auf dem Wohnbestand – wenn ältere Menschen, nachdem die Kinder ausgezogen sind, sich kleinere Wohnungen suchen. Doch diese Rechnung gehe nicht auf, warnte einer der anwesenden Gemeinderäte. Ein älteres Haus zu kaufen und dann auch noch energetisch zu sanieren, sprenge jeden finanziellen Rahmen.
Die Wucht neu gebauter Häuser stößt bei Nachbarn auf Kritik
Bei Neubauprojekten soll vermehrt in die Höhe gebaut werden – so der Wunsch der Stadt. So kann je Grundstücksfläche mehr Wohnraum gewonnen werden. Dies wiederum sorgt für Widerstände bei Nachbarn. Der an den Gämsenberg angrenzende Schlösslesweg beispielsweise ist durch kleinere Einfamilienhäuser geprägt, die bisherige Aussicht auf das Wäldchen oberhalb des Neckars ist verbaut. Eines der neu gebauten Häuser hätte, monierte ein bei der Besichtigung anwesender Anwohner, sogar noch höher werden sollen. Aber: „Es gibt kein Recht auf Aussicht“, so die Replik von Andrea Schwarz.
Mit Abstand das Teuerste beim Bauen ist laut Pflugfelder übrigens die Tiefgarage. Im Durchschnitt läge man aktuell bei etwa 55 000 Euro je Stellplatz. Wegen der besonderen Lage dürften die Baukosten am Gämsenberg aber über dem Durchschnitt liegen. Verkauft wird ein Stellplatz dennoch für 25 000 Euro. „Uns ist wichtig, dass der Kauf eines Tiefgargenstellplatzes für die Erwerber wirtschaftlich möglich ist“, so Pflugfelder. Dies funktioniere aber nur durch eine Gesamtkalkulation für Wohnungen und Stellplätze.
Die Neubauten am Gämsenberg
Zwei Bauabschnitte
Im ersten Bauabschnitt entstehen neun Häuser, in zwei von ihnen gibt es geförderte Wohnungen. Die Häuser A und B sind am unteren Ende zusammengebaut, haben aber zwei Eingänge. Im zweiten Bauabschnitt werden inklusive der geförderten Wohnungen sieben Häuser gebaut. Je Wohnung ist ein Tiefgaragenplatz vorgesehen.
Preise
Die Wohnungen werden zu einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 6 800 Euro verkauft. Das Verkaufsvolumen liegt insgesamt bei circa 56 Millionen Euro