Die Energiekrise gefährdet das Projekt Green Deal. Bisweilen scheint es unmöglich, Kompromisse zu finden, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - Wieder einmal zeigen sich die tiefen Gräben, die sich quer durch die Europäische Union ziehen. Auslöser ist der massive Anstieg der Energiepreise. Dabei reagiert die Kommission schnell und richtig, indem sie die EU-Regeln großzügig interpretiert und den Staaten weitgehend freie Hand bei der schnellen Bekämpfung der Krise lässt. Doch angesichts der Frage, mit welchen Maßnahmen solche Preisanstiege in Zukunft verhindern sollen, gehen die Meinungen der Mitgliedsländer sehr weit auseinander. Bisweilen scheint es unmöglich, Kompromisse zu finden.

 

Plötzlich gibt es fundamentale Fragen

Das Problem ist, dass fundamentale Auseinandersetzungen ausgefochten werden. Es geht etwa darum, wie viel Mitspracherecht der Staat im Energiesektor haben darf. Da verlässt sich Deutschland auf die Kraft der Märkte, Frankreich setzt auf die Macht des Staates. Und plötzlich steht wieder eine Frage im Raum, die längst beantwortet schien: Atomkraft – ja oder nein? Sogar das große Zukunftsprojekt der EU wird in Zweifel gezogen. Staaten wie Polen und Ungarn versuchen die Chance zu nutzen, um den Green Deal bis zur Unkenntlichkeit zu verwässern.

Die EU gibt ein desolates Bild ab

So gibt die Europäische Union kurz vor dem großen Klimagipfel COP26 in Glasgow ein desolates Bild ab. Das ist fatal, wollte sich Brüssel doch mit seinem Green Deal an die Spitze im globalen Kampf gegen den Klimawandel stellen. Auf diese Weise sollte auch Druck auf die USA, China oder Indien ausgeübt werden. In diesem Sinne ist die aktuelle Energiekrise eine erste Bewährungsprobe, wie ernst es die EU mit ihrem vollmundigen Versprechen eines fundamentalen grünen Umbaus der Union meint.