Weniger Ganztagsangebote, weniger Personal, höhere Gebühren: Die Gemeinde Hemmingen sucht Wege, um der hohen Betreuungskosten Herr zu werden.

Hemmingen - Zur Sitzung des Hemminger Gemeinderats sind so viele Bürger wie selten gekommen. Meist bleiben die Stühle für die Besucher weitgehend verwaist. So gaben die vielen belegten Plätze zwar ein ungewöhnliches Bild ab – doch das Interesse der Bürger kam wenig überraschend.

 

Vor der Sitzung am Dienstag gab es die Bürgerfragestunde. Diese nutzten zahlreiche Hemminger, um ihrem Ärger über die Kinderbetreuung Luft zu machen. Der Gemeinderat hatte beschlossen, die Gebühren für die Kita- und Hortbetreuung um neun Prozent zu erhöhen. Der Hauptamtsleiter Ralf Kirschner stellte zudem den Zwischenbericht des Arbeitskreises Kinderbetreuung vor. Hierbei verstehen viele Eltern nicht, warum sie als Betroffene von den bislang vier Treffen der Mitglieder der Verwaltung und des Gemeinderats ausgeschlossen wurden. In den vergangenen Wochen äußerten sich frustrierte Eltern zunehmend etwa in der Gruppe Hemmingen im sozialen Netzwerk Facebook.

Laut CDU-Fraktionschef Walter Bauer sollten die Eltern ursprünglich einbezogen werden in den Arbeitskreis, der inzwischen Lösungen für Probleme im Kinderbetreuungsbereich erarbeitet hat. Jedoch will die Gemeinde die Kita-Gebühren bis 2027 so weit erhöht haben, dass die Eltern ein Fünftel der Gesamtkosten der Kinderbetreuung tragen – derzeit sind es rund elf Prozent. „Das kann den Eltern nicht gefallen – und hätte uns vielleicht in Erklärungsnot gebracht“, sagte Bauer.

Keine Wartelisten in Hemmingen

Zumal die Mütter und Väter mehrmals von einer „unsozialen Verteilung“ der Gebühren sprachen. Beispielsweise würden Eltern mit zwei Kindern in der Regelgruppe erheblich mehr zahlen als Familien mit vier Kindern, wo nur noch das vierte Kind betreut wird. „In Hemmingen bluten Familien mit zwei Kindern aus“, sagt Petra Kirschner. Die Elternbeiratsvorsitzende der Kita Haupt-/Blohnstraße spielt dabei vor allem auf den seit Herbst 2017 wegfallenden Geschwisterbonus an. Sie und andere Eltern kritisieren auch, dass es die Ganztagsbetreuung nur noch an drei oder fünf Tagen gibt und nicht mehr auch an zwei Tagen. Das gehe am Bedarf der Eltern vorbei.

Die Gemeinde geht indes einen Schritt weiter, um den Personalkosten von fast vier Millionen Euro Herr zu werden. Um das Personal noch effizienter einzusetzen, werden in den Kitas die Rand- und Öffnungszeiten exakt auf die gebuchten Betreuungszeiten angepasst. Damit lässt sich Personal einsparen. Auch damit, dass künftig nicht mehr alle Einrichtungen Ganztagsbetreuung anbieten. So stellt die Kita in der Albert-Schweitzer-Straße im September die Ganztagsbetreuung ein. Die Haupt-/Blohnstraße betreut nur noch an drei Tagen ganztags. Aber auch dieses Angebot läuft aus, weil die Einrichtung keine Anmeldungen für Vollzeitplätze mehr annimmt. „Wir stellen weiterhin Angebote nach dem Bedarf zur Verfügung“, betont der Hauptamtsleiter Kirschner. Es sei aber unnötig, dort Ganztagsbetreuung zu haben, wo kaum ein Kind sie nutzt.

Dass Hemmingen bedarfsgerecht ausbaut, zeige sich daran, dass die Gemeinde seit vielen Jahren keine Warteliste hat. „Der Bedarf ist gedeckt“, sagt Kirschner – wenngleich der ständige Ausbau mit zu den hohen Kosten führe. Auch gehe die Gemeinde in einigen Punkten über die Vorgaben des Mindestpersonalschlüssels hinaus. Sie sichert in allen Kitas Sprachförderung oder investiert rund eine Viertel Million Euro in die Ausbildung von Personal.

Streit unter den Fraktion

Wenn im Herbst die Kita im Neubaugebiet Hälde öffnet, hat Hemmingen sechs Einrichtungen mit 411 Plätzen in 21 Gruppen. Derzeit gibt es 130 Ganztagsplätze. Nach der Sommerpause wollen Verwaltung und Gemeinderäte klären, welche Aufgaben der Arbeitskreis noch hat. Elternbeiräte sollen dann mitreden dürfen.

Neben dem Unmut bei den Eltern gab es auch Streit unter den Fraktionen. Einige Räte haben sich mehr vom Arbeitskreis versprochen. Elke Kogler von der SPD lobte, dass die Gemeinde Personal über die Ausbildung gewinne. „Die Personaleinsparungen gehen aber zu Lasten der Vielfalt der Betreuungszeiten.“ Unterdessen warf die CDU den Sozialdemokraten „Arbeitsverweigerung“ vor. „Die SPD ist beim Thema Kinderbetreuung ein Totalausfall. Sie stellt sich bloß hin und fordert eine kostenlose Bildung“, sagte der Fraktionschef Walter Bauer. Dem widersprach Wolfgang Stehmer. Er sei im Arbeitskreis gewesen, von Arbeitsverweigerung könne keine Rede sein, sagte der Fraktionschef. Und man habe Vorschläge gemacht. „Wir haben einkommensabhängige Gebühren für die Ganztagsbetreuung abgelehnt, weil die vorgesehenen Einkommensstufen und deren Gebührenzuordnung nicht gerecht waren. Unsere Forderung, diese so zu gestalten, dass die Belastungen prozentual dem Einkommen gerechnet werden, wurde abgelehnt.“