Eine Rechnung über 280 Euro erhielt ein Vater, der nachts beim Kind im Kinderkrankenhaus in Esslingen blieb. Nun kriegt er das Geld zurück. Doch nicht alle Krankenkassen übernehmen diese Kosten.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Wegen einer Gehirnerschütterung ist Janna Reiher (Namen der Familie geändert) für fünf Tage ins Esslinger Kinderkrankenhaus gekommen. Die Ärzte verordneten strikte Bettruhe. Sie sollen nach Darstellung des Vaters den Eltern klar gemacht haben, dass es notwendig sei, die Siebenjährige rund um die Uhr zu betreuen. Werner Reiher blieb deshalb auch nachts bei seiner Tochter. Geschlafen hat er auf einer einfachen Liege, die er tagsüber zur Seite räumen musste, wie es in Kliniken üblich ist. Weil seine Tochter nicht gehen durfte, habe sie auf die Toilette getragen werden müssen. „Mit anderen Worten: meine Frau und ich haben nebenbei das Pflegepersonal erheblich entlastet“, sagt Werner Reiher.

 

Für die Familie war Jannas Krankheit kostspielig: 70 Euro pro Nacht, also insgesamt 280 Euro, hat das Krankenhaus dem Vater dafür in Rechnung gestellt, dass er als Begleitperson geblieben ist. „Das muss man sich erst mal leisten können“, sagt Reiher. Der Hintergrund der Rechnung: Das Gros der Krankenkassen zahlt nur bis Vollendung des sechsten Lebensjahres, wenn eine Bezugsperson beim Kind im Krankenhaus bleibt, es sei denn, es liegen medizinische Gründe vor, weil das Kind zum Beispiel schwer behindert ist oder eine ausgeprägte Angststörung hat. „Eine Gehirnerschütterung ist keine medizinische Indikation“, erklärt Anja Dietze, die Sprecherin des Esslinger Klinikums.

Barmer zeigt sich großzügig

Ab sieben Jahren müssen also in der Regel die Eltern zahlen. „Wenn eine medizinische Indikation vorliegt, ist das Alter nicht relevant, aber das prüfen die Krankenkassen natürlich“, sagt Dietze. Eine Expertengruppe des Medizinischen Diensts der Krankenkassen befürwortet tatsächlich nur „bis zum Ende des Vorschulalters“ die Mitaufnahme einer Bezugsperson. „Der Oberarzt erklärte mir, dass er meine Anwesenheit zwar aus medizinischen Gründen für notwendig hält, aber persönlich in Haftung genommen werden könne, wenn er das offiziell tut“, berichtet Werner Reiher.

Was der Vater des siebenjährigen Mädchens nicht wusste, sondern erst durch die Recherche heraus kam: Seine Krankenkasse, die Barmer GeK, gehört zu den Krankenversicherungen, die großzügiger sind bei der Übernahme von Begleitpersonen als die Mehrheit der Kassen. Laut der Sprecherin orientiert sich die Barmer nämlich an einer Empfehlung der Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland, die das sogenannte Rooming-In für alle Kinder vor dem neunten Geburtstag empfiehlt.

Familie kann sich Geld von der Kasse zurückholen

Wieso hat der Vater trotzdem eine Rechnung bekommen, obwohl die Barmer seine Mitaufnahme gezahlt hätte? Hat das Klinikum gar nicht geprüft, ob die Kasse als Kostenträgerin in Frage kommt? Das ist tatsächlich der Fall gewesen. „Wenn wir keinen Hinweis der Eltern oder der Kasse haben, müssen wir davon ausgehen, dass nur die Regel bezahlt wird und dann geht die Rechnung an die Eltern“, erklärt die Sprecherin Anja Dietze – der Regelfall trete ab dem siebten Geburtstag des Kindes ein. Die Familie Reiher kann sich das Geld nun allerdings vom Klinikum zurückholen: „Wenn die Kasse das übernimmt, bleibt die Familie nicht auf den Kosten sitzen“, verspricht Dietze eine Rückabwicklung.

Mit 70 Euro liegt Esslingen im Mittelfeld

Für das Esslinger Klinikum wäre das ein Minusgeschäft. Denn Eltern müssen als Selbstzahler in allen Kinderkliniken der Region mehr zahlen als die Krankenkassen, die 45 Euro pro Nacht erstatten. Dabei gibt es aber von Klinik zu Klinik kräftige Preisunterschiede. Am günstigsten ist die Übernachtung für Eltern in den Kinderkliniken Ludwigsburg (49,32 Euro) und Böblingen (50 Euro), die den Eltern die Umsatzsteuer zusätzlich berechnen. Mit 70 Euro liegt Esslingen im Mittelfeld. Das sei ein Wert, der den realen Aufwand abdecke, so Anja Dietze. 45 Euro seien nicht kostendeckend.

Am teuersten ist es in Stuttgart. Das Olgäle verlangt 100 Euro fürs Rooming-In, wenn die medizinische Notwendigkeit der Begleitperson nicht bescheinigt ist. Eltern zahlen im Olgäle also mehr als doppelt so viel pro Nacht wie die Kassen. „Es ist eine Wahlleistung, ein Zusatzangebot“, sagt die Sprecherin des städtischen Klinikums, Ulrike Fischer. Wie viele Eltern sich diese im vergangenen Jahr geleistet haben, kann sie nicht sagen. Statistisch erfasst sei nur, wie oft die Krankenkassen die Kostenträger waren: Für 5607 Begleitpersonen haben sie innerhalb eines Jahres, vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2015, gezahlt.