Das Stuttgarter Projekt „Silberpfoten – Für Senioren und ihre Tiere“ hat den Deutschen Tierschutzpreis erhalten. Im Tierheim werden derweil längst nicht nur während der Ferienzeit Tiere abgegeben.

Stuttgart - Fell bürsten mag sie nicht. „Das ist ungewohnt – und am Rücken hat sie noch Schmerzen“, sagt Annett Gmelin-Steimle. Die Tierpflegerin streichelt Nikita. Als die charaktervolle Katzenlady mit Maine-Coon-Aussehen im Tierheim von Stuttgart-Botnang abgegeben wurde, war sie in beklagenswertem Zustand: ihr langes prachtvolles Haarkleid verknotet, verklebt, schmutzig, gesundheitlich angegriffen – der einstige Halter, ein älter Herr, habe sie nicht mehr angemessen versorgen können. Nun ist der Pelz der Zwölfjährigen wieder schön. Das passiert immer wieder, weiß man im Tierheim. „Wenn jemand etwa ins Heim muss, fließen oft viele Tränen, weil das Tier nicht mit kann“, so Petra Veiel, Pressesprecherin des Tierheims. Daher freut sie sich, dass nun das Projekt „Silberpfoten – Für Senioren und ihre Tiere“, bei dem Ehrenamtliche den Senioren helfen, ihre Tiere zu versorgen, erster Sieger des Deutschen Tierschutzpreises 2017 wurde.

 

Die zierlichen Tana hat eine andere Geschichte. Mit der Hündin aus dem Urlaub zurückgekehrt, merkte Herrchen erst zu Hause, dass der Vermieter das nicht duldet. „Manche meinen es gut, doch machen sie sich keine Gedanken darüber, was es bedeutet einen Hund zu halten oder ob es überhaupt erlaubt ist“, sagt Nicola Hildebrandt, die Tana pflegt. Sie ist überzeugt, dass die verspielte Promenadenmischung bald ein neues Herrchen oder Frauchen findet. „Tana ist neugierig, fröhlich, wunderbar zu halten.“

Die Vermittlungsquote des Tierheims gut

Die Vermittlungsquote des Tierheims Botnang ist gut. „80 bis 90 Prozent noch im selben Jahr“, so Petra Veiel, Pressesprecherin des Tierheims. Aber an Nachschub mangele es – leider – nicht. Und die Tiere kommen keineswegs vor allem zur Urlaubszeit. „Mittlerweile werden bei uns Tiere das ganze Jahr über abgegeben“, so Veiel. Vom 1. Januar bis Mitte August 2017 waren das im Tierheim Botnang bereits über 280 Hunde, darunter auch Fundtiere der Stadt, sowie 210 Katzen. Durchschnittlich rund 800 Tiere leben dort – jeglicher Art. „Hunde, Katzen, Reptilien, Vögel, den größten Teil machen Kleintiere aus – Hasen, Hamster, Mäuse, wir haben sogar Ratten“, zählt Veiel auf.

Die Gründe für Abgaben sind vielfältig. Sich ändernde familiäre Verhältnisse, schief hängender Haussegen, Umzüge, gesundheitliche Probleme der Halter. „Sie glauben gar nicht, wie viele Spontanallergien es gibt, eine stark ansteigende Diagnose!“ Doch nicht selten stecke dort Überforderung dahinter, finanzieller Art wegen der Futter- oder Arztkosten – oder körperlicher, weil Gassigehen nervt oder Tierpflege anstrengt.

Dann gibt es noch jene, die Hundewelpen günstig aus einem Kofferraum oder im Internet kaufen. Die meisten kommen laut Tierschutzorganisationen aus sogenannten Qualzüchtungen in Osteuropa, oft nicht immunisiert, mit gefälschtem Impfpass. „Und Erbkrankheiten!“, so Veiel. „Wenn die erst begeisterten Halter das merken, kommen sie. Sie wollen kein chronisch krankes Tier.“ Für Hund, Katze oder Hase müsse man eben Verantwortung übernehmen. „Man bindet sich über Jahre, darüber denken viele nicht nach.“

Die Zahl der Katzen steigt an

Auch beschlagnahmte Tiere sind in Botnang – von Menschen, die diese vernachlässigten, quälten oder hordeten, manchmal bis zu 90. Diese Animal Hoarder sind ein Albtraum für Veterinärämter und Tierheime. Wie viele Fälle es jährlich gibt, ist nach der Landestierschutzbeauftragten Julia Stubenbord schwer feststellbar. Indes würden diese zunehmend öffentlich – dank Tierschützern und aufmerksamen Bürgern. Gemäß des Deutschen Tierschutzgesetzes muss ein Tier „seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht“ untergebracht werden. Dazu gehört auch nicht das andere Extrem wie bei einem Labrador, der überfüttert abgegeben wurde. „Der Mann steckte seine ganze Liebe hinein, zum Nachsehen des Tieres“, so Veiel. Daher hat sie eine klare Botschaft: „Bei Problemen kommen! Es ist besser, ein Tier abzugeben, statt es auszusetzen.“

Das unterstreicht auch Bärbel Scheib-Wanner, Vorsitzende der Katzenhilfe Stuttgart, die mit Tierheim und -ärzten eng zusammenarbeitet, um die über 500 Katzen, die im Jahr zu dem Verein kommen zu versorgen: Die Katzenhilfe vermittelt weiter an Pflegeplätze, hat eine Auffangstation, kastriert, richtet Futterstellen ein. Und die Katzenzahl steige an. „Wenn jemand ein Tier, warum auch immer, nicht mehr haben will oder kann, soll er sich melden, wir finden eine Lösung, holen auch Tiere ab – nur nie aussetzen“, so Scheib-Wanner. Die Katzenhilfe kümmert sich vor allem um Streuner – mit oft unklarem Schicksal. Und die ehrenamtlichen Helfer haben einen Traum: „Ein Katzenparadies wie in Göppingen-Donzdorf!“, schwärmt Scheib-Wanner. Dort leben in einem Freigehege von rund 5000 Quadratmetern heimatlose Katzen, die nicht mehr vermittelt werden können. „Aber geeignete, bezahlbare Flächen zu finden, ist in Stuttgart fast unmöglich.“