Die etablierten Parteien vergeben mit einer unverständlichen Sprache in ihren Wahlprogrammen eine große Chance, Wähler für ihre Inhalte zu interessieren, finden die Hohenheimer Kommunikationsforscher. Am Beispiel Hamburger Bürgerschaftswahl glänzt vor allem die Linke.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Dass sogenannter Politsprech die Wähler abschreckt, ist nicht neu. Problematisch wird es, wenn die Parteien aus ihren Fehlern nicht lernen. Denn in den Wahlprogrammen findet sich eher mehr Unverständliches als vor Jahren, wie die Hohenheimer Kommunikationsforscher herausgefunden haben. Bandwurmsätze mit bis zu 100 Wörtern, Fachjargon, Fremdwörter, Begriffsungetüme oder Verwaltungsdeutsch – geboten wird schwer verdauliche Kost. „Alle Parteien haben sich Transparenz und Bürgernähe auf die Fahne geschrieben, doch mit derartigen Wahlprogrammen verpassen sie eine kommunikative Chance“, rügt Lehrstuhlinhaber Frank Brettschneider.

 

Noch unverständlicher als zur Wahl 2015

Aktuell hat das Forscherteam die Wahlprogramme zur Hamburger Bürgerschaftswahl am 23. Februar untersucht. Dafür wurde eine Analysesoftware eingesetzt, mit deren Hilfe der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ entwickelt wurde. Eine Erkenntnis: die Programme sind im Schnitt noch unverständlicher als bei der Wahl 2015. Im Sprachvergleich mit anderen Bundesländern liegt Hamburg auch nur im Mittelfeld.

Den formal eingängigsten Text bietet die Linke, womit sie einen deutlichen Sprung nach oben gemacht hat. Alle anderen Parteien haben sich mit ihren Indexwerten verschlechtert: Die CDU folgt auf Platz zwei, den letzten Platz teilen sich SPD und FDP. „Alle Parteien könnten verständlicher formulieren“, urteilt Brettschneider mit Blick auf gelungene Passagen in den Einleitungen und im Schlussteil. Die Themenkapitel seien hingegen das Ergebnis innerparteilicher Expertenrunden. Da wird offenkundig schwer gesündigt.

AfD formuliert mit Abstand am populistischsten

Erstmals wurde, wie schon bei den jüngsten Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, die Verwendung populistischen Vokabulars analysiert. Ein Ergebnis: die Sprache der AfD ist in Hamburg am weitaus populistischsten – mehr noch als bei den AfD-Kollegen in den neuen Ländern. Auf Platz zwei folgt die Linke. Einig seien sich Populisten darin, das Volk als Gegenspieler einer entfremdeten Elite zu begreifen, sagt Brettschneider. Meist fokussierten Rechtspopulisten vor allem auf kulturelle Themen (etwa Migration), während Linkspopulisten ökonomische Themen ins Zentrum rückten.