Seit Jahren baut der Stauferkreis sein touristisches Angebot aus. Holger Bäuerle sieht viele positive Entwicklungen. Der Tourismusmanager im Landratsamt erkennt aber auch noch Nachholbedarf.

Region: Andreas Pflüger (eas)
Kreis Göppingen – - Seit vielen Jahren trommelt der Kreis Göppingen, nicht zuletzt auf der CMT, um mit seinen Schätzen Reisende und Gäste anzulocken. Holger Bäuerle, der Tourismusmanager im Landratsamt, findet, dass sich die Erfolge auf diesem Feld inzwischen sehen lassen können.
Herr Bäuerle, immer wieder wird betont, dass der Stauferkreis ein großes touristisches Potenzial habe. Wie viel davon wird denn aus Ihrer Sicht bereits ausgeschöpft?
Für unser Tourismuskonzept, das vom Kreistag 2013 beschlossen wurde, haben wir dieses Potenzial in einem umfangreichen Prozess definiert. Seitdem arbeiten wir systematisch an der Umsetzung. Was die Ausschöpfung angeht, liegen wir, so würde ich aus dem Bauch heraus sagen, irgendwo zwischen 60 bis 70 Prozent.
Müsste da nicht schon mehr gehen? Das Feld ist inzwischen doch recht gut bestellt. Sowohl beim Kreis als auch bei den Tourismusverbänden gibt es professionelle Strukturen?
Da ist doch in den vergangenen Jahren bereits viel passiert. Mittlerweile sind 33 der 38 Kreisgemeinden in einem unserer beiden Tourismusverbände aktiv dabei. Durch die Professionalisierung konnten wir in der operativen Tourismusarbeit, also direkt am Gast, enorm zulegen. Die beiden Hauptamtlichen leisten eine gute Arbeit und sind hoch motiviert. Sie haben schon vieles umgesetzt und weitere gute Ideen. Dies, gepaart mit der Optimierung der Infrastruktur für Radfahrer und Wanderer sowie der überregionalen Vermarktung durch den Landkreis, zeigt deutlich seine Wirkung.
Kommen wir zum vorhandenen Angebot: Fahrradfreundlichkeit, Qualitätswandern, Historientourismus, regionale Spezialitäten. Was läuft in diesen Bereichen gut?
Sehr erfreulich ist, dass wir für unsere vielseitigen Rad-Aktivangebote als erster „Fahrradfreundlicher Landkreis“ in Baden-Württemberg ausgezeichnet wurden. Auch beim Wandern läuft es sehr gut. Mit der Zertifizierung des Albtraufgängers als „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ sowie als „Leading Quality Trail – Best of Europe“ konnte ein klarer Wettbewerbsvorteil geschaffen werden, so dass wir sicher noch mehr Besucher an den Albtrauf locken können. Ebenso positiv hat sich in den vergangenen Jahren der Hohenstaufen in Szene gesetzt: die Gastronomie, die kostenlosen Audioguides und die zahlreichen Veranstaltungen, das passt jetzt alles zusammen. Und bei der Vermarktung der regionalen Produkte hat sich zum Beispiel das Albtrauf-Mitbringsäckle zu einem absoluten Renner entwickelt.
Und wo gibt es noch Nachholbedarf?
Mit dem Albtraufgänger haben wir eine herrliche Mehrtagestour zu bieten. Allerdings braucht es noch qualifizierte Halbtages- und Tagestouren, die beispielsweise spontan an einem Sonntagnachmittag begangen werden können. Auch ein umfangreicheres Aktivangebot für Familien mit Kindern wäre eine gute Ergänzung. Und es fehlt an ausgewiesenen Strecken speziell für Mountainbiker sowie an einer einheitlichen Beschilderung aller Wege. Die genannten Defizite sollen jedoch bis Ende des nächsten Jahres mit der „Freizeitwegekonzeption“ weitestgehend behoben werden.
Das ist aber gewiss noch nicht alles?
Nein, ein weiteres Problemfeld ist, dass wir im Vergleich mit den anderen Landkreisen der Region Stuttgart ein zu geringes Angebot an Schlafgelegenheiten haben. Es mangelt insbesondere an einfacheren Unterkünften, beispielsweise für Wanderer, aber auch an Mittelklassehotels. Hier muss, gemeinsam mit der Dehoga und der IHK eine Strategie zur Neuansiedlung von Beherbergungsbetrieben entwickelt werden. Notwendig ist das auch, weil wir mit der geplanten Märklin-Erlebniswelt einen Magneten in den Landkreis bekommen werden, was uns durch das Scheitern des Baumwipfelpfads in Wiesensteig vor drei Jahren leider verwehrt geblieben ist.
Der Göppinger OB Till, zugleich Vorsitzender der Touristikgemeinschaft Stauferland, hat jüngst gesagt, dass sich touristischer Erfolg im Kreis Göppingen nicht an Übernachtungszahlen festmachen lässt. Sehen Sie das auch so? Und falls ja, hat sich die Erkenntnis endlich durchgesetzt, dass man keine Langzeiturlauber hierher locken kann?
Die Übernachtungszahlen sind für den touristischen Erfolg einer Region nur bedingt aussagekräftig. Ein Teil der tatsächlichen Übernachtungen, zum Beispiel in Kleinbetrieben oder in Ferienwohnungen, bleiben in diesem Fall ebenso unberücksichtigt wie der Tagestourismus. Unser Landkreis ist kein klassisches Ziel für Langzeiturlauber und wird es auch niemals werden. Durchschnittlich hält sich jeder Übernachtungsgast nur 2,7 Tage bei uns auf. Dabei sind ein Großteil der Gäste – etwa 80 Prozent – Geschäftsreisende. Grundsätzlich spielt also der Tagestourismus für unsere Region die wichtigere Rolle. Die Wertschöpfung hieraus ist nicht zu unterschätzen.
Die Erkenntnis, dass der Stauferkreis vor allem und verstärkt auf Naherholungssuchende aus der Region setzen sollte, ist nun aber nicht gerade neu.
Der Landkreis Göppingen zählt eindeutig zum Naherholungsgebiet der Metropolregion Stuttgart. In den letzten Jahren wurde deshalb vor allem an der Optimierung des ÖPNV gearbeitet. Die Teilintegration in den VVS und die Integration in den Verkehrsverbund DING waren wichtige Bausteine. Zudem ging und geht es weiter darum, unsere vielfältigen Angebote, etwa die Wander- und Radpauschalen, die Wellnessangebote, die regionalen Produkte oder die kulturellen Veranstaltungen bei unseren Einwohnern und in der Region gerade hier auf der CMT zu bewerben.
Kommen wir zum Anfang unseres Gesprächs zurück. Wie weit ist man, und was muss getan werden, um hier noch zuzulegen?
Die Arbeit an der touristischen Infrastruktur im Bereich Rad ist durch die Radverkehrskonzeption umgesetzt. Beim Thema Wandern wird dies bis 2017 ebenfalls so weit sein. Und im Marketing setzen wir die Ressourcen gezielt ein. Ich denke, dass wir auf einem sehr guten Weg sind.