Weinstadt beteiligt sich an der Holzbauoffensive des Landes. Nachdem die Stadt mit ihrem Konzept überzeugen konnte, geht es jetzt an die Umsetzung. Renommierte Holzbau-Experten beraten sie dabei.

Um seinem Ziel der Klimaneutralität bis 2035 näherzukommen, setzt Weinstadt auf Holz – allerdings nicht zur Energiegewinnung. Die Stadt arbeitet im Rahmen der Holzbauoffensive des Landes daran, wie es als klimaneutraler Baustoff stärker eingebunden werden kann. Als eine von 18 Kommunen in Baden-Württemberg ist sie für das Programm ausgewählt worden. Um Lösungsstrategien für nachhaltigen Städtebau zu entwickeln, hat der Leiter des Stadtplanungsamts, Dennis Folk, renommierte Holzbau-Experten aus unterschiedlichen Disziplinen um sich versammelt: den Architekten und Professor Peter Cheret, der mit seinem Stuttgarter Architekturbüro an der Konstruktion der Stuttgarter Holzbrücken für die Remstal-Gartenschau 2019 beteiligt und bis vor Kurzem zudem am Institut für Konstruktion und Entwurf der Universität Stuttgart tätig war, den Bauphysiker Heiko Fischer vom Tübinger Büro Ebök, der viele Jahre auch als Zimmermann gearbeitet hat und nun an der Hochschule für Technik in Stuttgart einen Lehrauftrag für Holzbau innehat, sowie Florian Knappe vom Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg, der das Thema aus ökologischer Sicht betrachtet.

 

Kriterium bei Grundstücksgeschäften

Nachdem Weinstadt das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz von seinem Konzept überzeugen konnte, geht es jetzt an die Umsetzung. Vom Land erhält Weinstadt hierfür einen Zuschuss in Höhe von 80 Prozent. Bei voraussichtlichen Gesamtkosten von 325 000 Euro sind dies 260 000 Euro. Ein erstes konkretes Handlungsbeispiel, um den Holzbau in der Stadt zu fördern, gibt es bereits: das Neubaugebiet Furchgasse in Schnait. Erstmals können Bewerber für die Vergabe der städtischen Bauplätze dort nicht nur bei den üblichen Kriterien wie etwa ehrenamtlichem Engagement in der Stadt punkten. „Wer sich zu Holzbau verpflichtet, wird deutliche Vorteile haben“, so Karlheinz Heinisch, der Leiter des Liegenschaftsamtes, zu dieser vom Gemeinderat getroffenen Entscheidung. Wie sie sich tatsächlich auf die Bebauung in dem Gebiet auswirkt, bleibe abzuwarten, sagt Dennis Folk: „Die Vermarktung der Bauplätze geht jetzt erst los.“ Dabei handle es sich bei den geänderten Vergabekriterien lediglich um eine erste Sofortmaßnahme. „Die erste Idee war, die Furchgasse als Musterwohngebiet zu entwickeln“, sagt Folk, „aber der Bebauungsplan war bereits zu weit fortgeschritten.“ Daher sei man umgeschwenkt.

Wohngebiet als Musterbeispiel

Neues Mustergebiet für die Neuerschließung eines Wohngebiets, um Holzbau zu fördern, werde nun jenes in der Brückenstraße in Großheppach werden. Zudem wolle man das Thema auch bei Nachverdichtungen im Bestand verfolgen, beispielsweise auf dem Gelände der Neuapostolischen Kirche in Großheppach, sowie bei Revitalisierungen von Gewerbegebieten, wie sie in den Metzgeräckern geplant sei. So wolle man die zuvor theoretisch entwickelten Leitlinien praktisch erproben, um die Prozesse andernorts zu beschleunigen, erläutert Folk das Ziel der Holzbauoffensive. Am Ende werde es eine Evaluation geben, mit verschiedenen Broschüren und Handreichungen für Investoren und Bauherrn, privaten und kommunalen. So soll die Holzbauoffensive praxisnah und grundsatzorientiert sein, um das Thema Holz auch für andere Kommunen voranzubringen – und „nicht Weinstadt exklusiv“, betont Folk. Zudem wolle man begleitend zur Offensive auch Öffentlichkeitsarbeit betreiben. „Denn viele denken bei Holzbau nur an Blockhäuser.“

Exakte Planung und Umsetzung ist nötig

Doch Holzbau sei nicht gleich Holzbau, ergänzt Peter Cheret: „Es gibt unterschiedliche Systeme und Bauweisen, auch hybridkombinierte mit Beton.“ Für Architekten gebe es viele Weisen der Gestaltung, sprich der Sichtbarkeit des Holzes. Und der planerische Aufwand sei höher. „Ein Holzbau muss präzise und exakt geplant werden, da er keine strukturellen Fehler verzeiht.“ Aber auch, weil es für die Umsetzung hochqualifizierte Handwerker brauche, sei er in der Regel teurer. Ob ein Holzbau realisiert werden kann, hängt indes noch von einem ganz anderen Faktor ab, den Genehmigungsbehörden. Bei niedrigeren Holzbauten gebe es meist keine Probleme, berichtet Heiko Fischer von seinen Erfahrungen aus der Praxis: „Aber bei drei bis fünf Geschossen bekommen Behörden kalte Füße. Es liegen viele Hemmschuhe darin, dass es an Expertise und Mut fehlt, einen anderen Weg zu gehen.“ Den Grund hierfür sieht er darin, dass Holz ein brennbarer Baustoff ist.

Holz als Speicher von Kohlenstoffdioxid

Dabei ist Holz in anderer Hinsicht unschlagbar. „Rückbaubarkeit und Fertigung im Kreislaufsystem sind wie bei keinem anderen Baustoff möglich“, erklärt Heiko Fischer. Zudem sei Holz ein nachwachsender Rohstoff, der leicht und oftmals vor Ort zu gewinnen sei. „Dafür braucht es nicht mehr als Licht, Luft und Wasser“, fügt Peter Cheret hinzu und hebt noch einen weiteren Pluspunkt hervor. „In einem Kubikmeter Holz ist eine Tonne CO2 gebunden, das ein Antreiber des Klimawandels ist.“ Somit sei ein Gebäude umso nachhaltiger, je mehr Holz darin verbaut sei. „Holzbau hat Riesenvorteile. Und wir sind dabei, sie zu heben“, zieht Fischer sein Fazit.

Regionalität der Holzquelle

Der Input von Cheret und Fischer bei der Holzbauoffensive bilde die Basis für sein Forschungsinstitut, erklärt Florian Knappe seinen Part: „Wir bewerten die ökologischen Konsequenzen.“ Dabei stelle sich beim Holzbau etwa die Frage, wie nachhaltig das Holz dafür gewonnen werde. „Manchmal werden dafür auch Naturwälder genommen.“ Auch die Regionalität der Holzquelle sollte berücksichtigt werden in den Vergabekriterien für Holzbau. Zudem gelte es zu definieren, was genau damit gemeint ist: „Reicht dafür etwa schon die Dachkonstruktion oder ein Parkettboden?“ Nötig sei daher eine Zielvorgabe, wie viel Kohlenstoffdioxid pro Quadratmeter oder Kopf gespeichert sei. Ob diese erreicht werde, habe der Bauherrn nachzuweisen. „Wichtig ist, dass Bauherrn relativ frühzeitig handfeste Informationen an die Hand bekommen, die diesen ökologischen Rucksack mitliefern.“