Holzgerlingen wird zur Fairtrade-Stadt Gastronomie springt nur zögerlich auf Fairtrade-Zug auf

Im Weltladen in Holzgerlingen gibt es zahlreiche faire Produkte. Foto: Stefanie Schlecht

Die Stadt Holzgerlingen wird Fairtrade-Stadt. Lange Zeit hakte es daran, genügend Gastro-Betriebe für Fairtrade zu begeistern.

Holzgerlingen wird zur Fairtrade-Stadt. Drei Jahre lang hat die Steuerungsgruppe auf der Schönbuchlichtung an der Bewerbung für die Zertifizierung gearbeitet. Nun sind alle Kriterien erfüllt und die Auszeichnungsfeier steht kurz bevor. In einem Bereich allerdings sieht Antonietta Scarano Salemi, die Leiterin der Steuerungsgruppe, noch Nachholbedarf: Nur zwei Gastronomiebetriebe haben sich bereit erklärt, faire Produkte anzubieten – das Minimum, das für die Zertifizierung nötig ist. Auf Landkreisebene zeigt sich das gleiche Problem: Mittlerweile hängt die Bewerbung als Fairtrade-Landkreis nur noch an Gastro-Betrieben, die willig sind, mitzumachen. 25 müssten es an der Zahl sein, die faire Produkte anbieten. 17 haben sich nach einem erneuten Aufruf der Kreisverwaltung bis jetzt allerdings erst gefunden.

 

Geld spielt eine Rolle

Neben dem Naturfreundehaus hat sich Michaela Arzt, die Inhaberin des Schilling am Bahnhof, als einzige Holzgerlinger Gastronomin bereit erklärt, faire Produkte in ihrem Sortiment anzubieten. Das war für sie allerdings schon wichtig, bevor die Kommune zur Fairtrade-Stadt werden wollte: Bei ihr gibt es fairen Tee, Honig und bald auch fair gehandelten Kaffee. Wenn in den Gerichten beispielsweise Datteln oder Aprikose verarbeitet werden, achtet sie ebenfalls darauf, dass die Produkte ein Fairtrade-Siegel haben. „Wenn es geht, versuche ich faire Lebensmittel einzubinden“, sagt sie. Doch immer ist das nicht möglich: Bei manchen Fleischsorten gestaltet sich eine kurzfristige Beschaffung beispielsweise schwierig. Manchmal spielen auch finanzielle Zwänge eine Rolle: Regionale Produkte seien manchmal einfach so teuer, dass es wirtschaftlich keine andere Alternative gebe, erklärt sie. „Wenn es geht, bemühe ich mich darum, eine umweltbewusste Entscheidung zu treffen“, sagt sie.

Die Gastro-Branche hat harte Jahre hinter sich

Doch auf die Frage, warum so wenige andere Gastronomen auf den Fairtrade-Zug aufspringen, weiß sie auch keine Antwort. Die Gastro-Branche hätte eben auch harte Jahre hinter sich und viele ihrer Kollegen würden trotzdem stark auf regionale Produkte setzen. Sie persönlich will mit den fairen Produkten ein Signal setzen und ist deshalb aus Überzeugung mit dabei. Hart, aber erfolglos versuchte die Steuerungsgruppe, neben Michaela Arzt noch weitere Gastronomen für das Fairtrade-Siegel zu begeistern. „Wir haben im vergangenen Jahr alle Gastronomen mit einem offiziellen Schreiben informiert“, erzählt sie. In diesem Jahr besorgte die Gruppe faire Produkte und bot sie einigen Restaurant-Betreibern in kleinen Tütchen zum Ausprobieren an.

Zwei fair gehandelte Produkte müssten die Restaurants anbieten

„Ich will da niemandem Vorwürfe machen“, sagt Antonietta Scarano Salemi. Am Ende sei es eine persönliche Entscheidung. Es hänge auch immer an der Kundschaft: „Wenn Konsumenten auf die Produkte, die sie zu sich nehmen, achten, ist vielleicht auch der Gastronom eher dazu geneigt, faire Lebensmittel anzubieten“, sagt sie.

Zwei fair gehandelte Produkte müssen die Betriebe in ihrem Sortiment anbieten, um dabei zu helfen, die Fairtrade-Zertifizierung zu bekommen. „Es reicht schon, wenn man den Tee wechselt und den Keks, den es zum Kaffee gibt“, sagt Scarano Salemi. Obwohl ihre Bemühungen in dem Bereich in den letzten Monaten eher auf taube Ohren stießen, ist sie optimistisch, was das veränderte Fairness-Bewusstsein angeht.

Seit sechs Jahren befindet sich der Weltladen mittlerweile in der Stadtmitte im hinteren Teil des Buch Plus in der Tübinger Straße. Davor war der Laden über Jahrzehnte bei der Johanneskirche angesiedelt. Seit ihrer Gründung 2019 ist die Steuerungsgruppe auch immer wieder auf dem Wochenmarkt anzutreffen: Dort verteilen die Mitglieder beispielsweise faire Nikoläuse oder es gibt faire Rosen zu kaufen. Zuletzt paarte die Gruppe den fairen Rosenverkauf mit einer Ukraine-Spendenaktion .

Am Freitag, 25. November, findet die Feier statt, mit der die Auszeichnung offiziell wird. Neben Aidlingen, Böblingen, Herrenberg, Leonberg, Sindelfingen und Weil der Stadt ist Holzgerlingen die siebte Kommune im Landkreis Böblingen, die das Fairtrade-Siegel trägt. Auch die Landkreisverwaltung will bald zu den bundesweit über 40 Landkreisen gehören, die den Fairtrade-Titel tragen – vorausgesetzt es finden sich noch acht weitere Gastro-Betriebe.

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