Holzmadener gründet Startup Inklusion mithilfe von Kaffee
Chris Weil aus Holzmaden schafft mit einem Startup 70 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. Aber er hat noch mehr Ideen.
Chris Weil aus Holzmaden schafft mit einem Startup 70 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. Aber er hat noch mehr Ideen.
Ein Dorfkind war Chris Weil nie. Er ist zwar in Holzmaden aufgewachsen, aber ihn zog es früh hinaus in die Großstädte. Erst studierte er in Hamburg, verbrachte einige Zeit in Düsseldorf, und vor fünf Jahren ging er in die Hauptstadt des Freistaates Bayern. „München ist von den Menschen und der Nähe zur Natur her eine Traumstadt“, schwärmt der 33-Jährige. Dort lernte er auch den gleichaltrigen Michael Halbritter kennen, der heute sein Kompagnon in dem Startup-Unternehmen „Barista Royal“ ist.
„Am Gründerstammtisch stellten wir fest, dass es zwischen uns philosophisch und menschlich passt“, erinnert sich der Kaffeeproduzent an die ersten Tage der Freundschaft. Rasch stand für die beiden fest, dass sie gemeinsam ein Unternehmen gründen wollten. Wie und womit stand zu der Zeit noch in den Sternen. Eine Gemeinsamkeit stellten sie allerdings nach kurzer Zeit fest: Sie sind beide Kaffee-Enthusiasten. „Wir trinken den nicht nur, wir zelebrieren sehr gerne die Zubereitung des aromatischen Getränks.“ Für Chris Weil wurde es zur Tradition, von seinen Reisen Kaffee mitzubringen.
So war es fast zu erwarten, dass Michael Halbritter nach dem Besuch eines Kaffeemuseums Anfang 2019 die Idee hatte, ins Kaffeegeschäft einzusteigen. „Zuerst hielt ich die den Vorschlag für verrückt, weil der Kaffeemarkt gesättigt ist“, beschreibt Weil seine erste Reaktion. Doch der Gedanke ließ die beiden nicht mehr los – und sie suchten und fanden die Lösung: „Wir wollten guten Kaffee produzieren und damit gleichzeitig die Inklusion vorantreiben“, erklärt der Barista-Chef.
Die Idee mit der Inklusion kam für Weil nicht von ungefähr: „Meine Schwester Kathrin kam vor 39 Jahren mit einer halbseitigen Lähmung zur Welt. Für sie war es wegen der Behinderung schwer, in der Berufswelt passende Arbeit zu finden.“ In der Familie lernte man indes rasch, mit der Behinderung umzugehen. „Wir schlossen uns damals der Lebenshilfe in Kirchheim an und halfen immer wieder im Café Paradiesle aus“, berichtet Weil von seinen ersten Erlebnissen mit der Inklusion.
Und so blieb die gemeinsame Geschäftsidee mit Michael Halbritter kein Hirngespinst. Die beiden machten erste Schritt, um ihr Startup Ende 2019 in München auf den Weg zu bringen. „Wir kontaktierten mehrere Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, die bereits Erfahrungen im Kaffeegeschäft gesammelt hatten. Nach ersten Teströtungen stand für uns fest: das geht“, beschreibt Chris Weil die Basis für das Unternehmen. Die Lieferanten seien rasch ausgewählt gewesen: „Wir haben eine Mischung aus kleineren Plantagen, dem Direktrade und dem Großhandel. Wir haben uns Proben und Röstungen schicken lassen und diese ausführlich getestet.“ Mittlerweile gehören zehn Sorten – vier Espressi, fünf Kaffee und eine entkoffeinierte Röstung – zum Angebot von Barista Royal. „Wir legen dabei Wert auf eine schonende und langsame Trommelröstung. Dadurch ist der Kaffee weniger sauer“, erklärt Chris Weil.
In der gesamten Produktions- und Logistikkette arbeiten hauptsächlich Menschen mit Behinderungen. „Rund 70 Menschen, die mit Autismus oder mit einer Spastik leben, finden dabei einen Arbeitsplatz, der auf ihren Fähigkeiten basiert“, erklärt Weil. Besonders berührt war er von einem Mitarbeiter, der trotz seiner Lernschwierigkeit begeistert für das Unternehmen arbeitet. Seine Reaktion während der Fertigung der ersten Kaffee-Adventskalender: „Das war das Geilste, was ich je gemacht habe.“
Diese Freude an der Arbeit beflügelt auch die beiden Inhaber der neuen Kaffeemarke: „Wir wollen unser Sortiment um Zusatzprodukte ergänzen, die auch wieder von Menschen mit Behinderungen gefertigt werden.“ Und es gibt auch einen großen Traum: ein eigenes Café in München. „Wenn die Pandemiezeit vorbei ist, setzen wir uns an die Realisierung“, kündigt Chris Weil an, der sowohl familiär als auch geschäftlich eng mit seiner alten Heimat verbunden ist: „Mein Vater Roland berät uns bei der Gestaltung der Etiketten und unterstützt kräftig den regionalen Vertrieb“, erklärt der 33-Jährige.
Und der Einsatz der Familie trägt Früchte: Der Kaffee von Barista Royal ist mittlerweile im Edeka-Markt Unverricht in Weilheim, aber auch in Kirchheim und in Wernau zu haben. „Wir bieten bewusst kein Massenprodukt an. So können wir die Inklusion auch regional weiter vorantreiben“, erklärt Chris Weil, der durch sein Startup auch seiner Schwester eine Vollzeitbeschäftigung in Ravensburg, wo die Firma künftig ebenfalls rösten lassen möchte, ermöglichen will. Das Motto von Michael Halbritter und Chris Weil lautet schließlich: „Mit gutem Kaffee Gutes tun.“