Liebe ist – immer noch – ein echtes Problem für die evangelische Kirche. Die neue Stuttgarter Prälatin Gabriele Arnold kann ein Lied davon singen, meint Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Ungefähr 7,77 Millionen Treffer weist der mikroprozessuale Cheforganisator allen Seins aus, um dem Menschen zu erklären, was Liebe ist. Platz eins auf der Google-Liste teilen sich zwei echte Kracher: einerseits der Hinweis auf das „Liebe ist“ betitelte Lied, mit dem Nena anno 2005 die Hitparade stürmte, andererseits die süßen Comic-Bildchen von Adam und Eva, die seit Jahrzehnten in verschiedenen Postillen veranschaulichen, wie sich das Gefühl der Gefühle anfühlt.

 

Liebe ist . . .

. . . wenn zwei Herzen wie eins schlagen.

. . . seine Träume zu teilen.

. . . wie Schmetterlinge im Bauch.

Ach, wie romantisch!

Was fehlt, ist der Link auf den aktuellen Zustand in dieser Sache innerhalb einer der wesentlichen Institutionen in Stuttgart und ganz Württemberg.

Liebe ist . . .

. . . ein echtes Problem für die evangelische Kirche.

Bischof July verharrt im Schweigen

Seit die neue Prälatin Gabriele Arnold neulich verkündet hat, dass sie die Segnung von homosexuellen Paaren befürwortet und prompt auch noch die Schirmherrschaft für den Christopher Street Day übernommen hat, hängt der Haussegen bei den Protestanten schief. Die Progressiven unter ihnen freuen sich, dass sich endlich was bewegt, die Konservativen schimpfen, dass sich viel zu viel verändert – und der zuständige Bischof July verharrt stumm dazwischen. Bei einem Studientag am 24. Juni wolle er das Thema aufrufen, heißt es bei Kirchens. Immerhin! Und im Herbst soll dann die Landessynode darüber beraten, ob künftig auch Schwule und Lesben den Segen des schwäbisch schwätzenden Gottes erhalten dürfen. Glückwunsch!

Dort, wo der Herr berlinert, sächselt, norddeutsch schnackt oder hessisch babbelt, sind sie weiter. Selbst in Bayern empfangen evangelisch-homosexuelle Paare Gottes Segen, wenn sie dies wünschen. Nur in Württemberg herrscht Finsternis. Schwule und Lesben werden allenfalls hälinga gesegnet, offiziell beherrschen aber nach wie vor die Pietisten den Kurs, weswegen hierzulande nur Heteros zum Gefallen des Herrn lieben dürfen.

Drei Viertel der Deutschen befürworten die Homo-Ehe

Da kann man der Stuttgarter Prälatin Arnold nur viel Kraft wünschen. 500 Jahre nach Luther hat sie erkannt, dass auch die Kirche nicht ohne das Betrachten der Realität auskommt. Laut einer Studie, welche die Antidiskriminierungsstelle des Bundes Anfang des Jahres veröffentlicht hat, befürworten Drei Viertel der Deutschen die Homo-Ehe, die gleichgeschlechtliche Paare den Heteros vollkommen gleichstellt, ihnen also auch die Adoption von Kindern erlaubt. Damit haben 75 Prozent der Bevölkerung nach der Toleranz die nächste Stufe erreicht: die selbstverständliche Anerkennung der verschiedenen Menschen, auch in in ihren sexuellen Neigungen.

Aber vielleicht ist es auch bei diesem Thema wie so oft im Leben: Es gibt Leute, die vorangehen, und solche, die ein bisschen länger brauchen. Beim Rennen um die Gleichheit von Homos und Heteros ist der Besenwagen ja prall gefüllt: Neben den württembergischen Pietisten sitzen dort auch jede Menge Rabbiner, Imame und katholische Schriftgelehrte.