Die Iren stimmen überraschend und klar für die Einführung der Homo-Ehe. Selbst der Erzbischof spricht von einer „sozialen Revolution“ auf der Insel. Glückwünsche kommen aus der ganzen Welt.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Dublin - Die Glückwünsche kommen aus aller Welt. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach von einem „wahrhaft historischen Augenblick“, als deutlich wurde, dass die Iren am Wochenende für die Einführung der Homo-Ehe stimmten. Zwar ist die katholisch-konservative Republik Irland keineswegs der erste Staat, der gleichgeschlechtlichen Paaren volle Gleichberechtigung beim Eheschluss verschafft hat. Die Iren sind aber die ersten, die ihren Reformbeschluss in einer Volksabstimmung fassten – entgegen vielfacher Erwartungen, und mit einem äußerst klaren Ergebnis. 62 Prozent der Iren sprachen sich für die Homo-Ehe aus. In den Dubliner Bezirken lag der Ja-Anteil sogar zwischen 70 und 80 Prozent. Damit kann nun die irische Verfassung geändert werden. Ein Gesetz soll bereits vor der Sommerpause eingebracht werden, sodass im Herbst die ersten Ehen gleichgeschlechtlichen Ehen geschlossen werden können.

 

Das Land sonnt sich im Gefühl der Toleranz

In der schwulen und lesbischen Bevölkerung Irlands herrschte Jubel sowie bei reform-orientierten Gruppen und Parteien. Noch bis 1993 war in Irland Homosexualität strafbar gewesen. Jetzt sonnt sich das Land im Gefühl, als Beispiel für Toleranz und Solidarität dazustehen. Regierungschef Enda Kenny von der bürgerlich-bäuerlichen Partei Fine Gael erklärte: „Wir haben gezeigt, wer wir sind – ein großherziges, mitfühlendes, kühnes und fröhliches Volk.“ Seine Stellvertreterin Joan Burton, die Vorsitzende der irischen Labour Party, meinte, ihre Landsleute hätten „aller Diskriminierung einen massiven Streich versetzt“. Als nächstes hoffen die Reformer die Gleichstellung auch im Norden Irlands durchzusetzen, wo sich bisher eine Mehrheit protestantischer Unionisten gegen die Homo-Ehe stemmt. Kundgebungen für den Sommer sind bereits geplant.

Nordirland ist mittlerweile der einzige Bereich der Britischen und Irischen Inseln, in dem es keine Möglichkeit zur gleichgeschlechtlichen Ehe gibt. Auch auf dem europäischen Kontinent und darüber hinaus dürfte die irische Entscheidung aber Signalwirkung haben.

Eine Niederlage für die Kirche

Für die katholische Kirche in Irland ist der jüngste Volksentscheid eine herbe Niederlage. Noch beim Referendum über die Legalisierung der Ehescheidung 1995 hatte die Kirche ihr volles Gewicht geltend gemacht. Die Reformer gewannen damals nur äußerst knapp, und haben bislang alle Referenden zur Lockerung des Abtreibungsverbots in Irland verloren. Auch heute noch bekennen sich immerhin vier Fünftel der Iren zum römisch-katholischen Glauben. Das Angelus, das Geläut zum Gebet, ertönt noch immer zweimal täglich im öffentlichen Rundfunk.

Die Homo-Ehe allerdings war für die meisten Iren offenbar keine religiöse oder sexuelle Frage, sondern eine Frage der Gleichberechtigung und sozialen Solidarität. Sie mobilisierte auf unerwartete Weise vor allem junge Leute, die sich zu Zehntausenden neu ins Wahlregister eintragen liessen. Die generelle Säkularisierung des Denkens vor allem in den städtischen Gebieten, aber auch die Enthüllung so vieler Fälle von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche Irlands, haben außerdem die Autorität merklich ausgehöhlt. Dazu erklärte einer der nachdenklichsten Kirchenführer, Dublins Erzbischof Diarmuid Martin, am Sonntag, die Kirche könne nicht länger „die Realitäten leugnen“, sondern müsse, was ihre Verbindung zur Jugend angehe, „die Augen öffnen“. In Irland sei „eine soziale Revolution“ im Gange, sagte Martin. In der Tat hatten selbst überzeugte Gläubige wie die frühere Vatikan-Studentin und spätere irische Präsidentin Mary McAleese zu einem Ja zur Reform aufgerufen. McAleese, deren Sohn schwul ist, beschuldigte die Kirche unverblümt der „Heuchelei“.