Homosexualität ist kein Tabu mehr? Von wegen. Ausgerechnet die Traumfabrik tut sich bis heute schwer damit. Ein Coming-out kann Schauspieler noch immer die Karriere kosten. Eine Bestandsaufnahme.
Stuttgart - Barney Stinson ist ein echter Macho. „Es gibt nur zwei Gründe, mit einem Mädchen auszugehen, mit dem man bereits ausgegangen ist: Brustimplantate“ – Sprüche wie dieser gehören zum Standardrepertoire des Draufgängers. Barney, ein Charakter der US-Comedy-Serie „How I Met Your Mother“, gibt seinen Freunden regelmäßig Tipps, wie Mann in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Frauen abschleppt. Das klappt bei Barney selbst – man glaubt es kaum – erstaunlich gut. Und auch die Serie ist erfolgreich, in den USA war vor wenigen Tagen der Schluss der finalen neunten Staffel in aller Munde.
Barney Stinson heißt eigentlich Neil Patrick Harris. Harris ist Schauspieler, 40 Jahre alt und schwul. Dass er einen unzweifelhaft heterosexuellen Supermacho spielt, ist eine Ausnahme. Denn obwohl – wie neulich bei den Oscars – allenthalben die Toleranz gefeiert wird, ist Homosexualität im US-Filmgeschäft immer noch ein Tabu. Während Schwule und Lesben in der Musik- und Entertainmentindustrie ganz einfach dazugehören, sucht man sie unter Hollywood-Schauspielern vergeblich. In der Filmbranche ist die öffentliche Wirkung Teil des Berufs, und sie kann über die Zukunft der Karriere entscheiden.
Klischee-Männlichkeit für den Massengeschmack
Schon der Blick auf aktuelle Kinoplakate zeigt, wie das Hollywood der Blockbusterfilme seine Männer am liebsten sieht. Ein uniformierter Tom Hanks mit Dreitagebart in „Captain Phillips“, Dreck, Schweiß und nackte Muskelkraft in „Pompeii“ oder der „Wolf of Wall Street“ Leonardo DiCaprio in Chefpose vor einer halb nackten Blondine. Die Botschaft ist klar. Klischee-Männlichkeit ist gefragt, sexuelle Vielfalt weniger. In der schillernden Traumfabrik ist kein Platz für das Anderssein.
„Es geht darum, Stereotype zu bedienen“, meint Anne Meyer-Minnemann. Sie ist Mitglied der Chefredaktion beim Gesellschaftsblatt „Gala“. Ein Film, der ein Massenpublikum erreichen soll, müsse dem Massengeschmack entsprechen. Wenn die sexuelle Orientierung eines Schauspielers mit den herkömmlichen Vorstellungen von Heldentum und Männlichkeit kollidiere, so sei „den Produktionsfirmen das Risiko zu hoch, dass die Zuschauer den Film ablehnen“, meint die Society-Expertin. Bei Kinoproduktionen mit ihren großen Etats sei dieser Druck höher als beim Fernsehen, bei dem sich vieles im Programm versende. Und: „Der Fokus liegt nicht auf nur einem Film. Daher ist es für Serienschauspieler wie Neil Patrick Harris auch weniger schwierig, wenn sie sich outen.“