Auf vielen Dächern, Gärten und Balkonen in der Stadt leben Bienen. Auch in der Wilhelma produzieren vier Völker jedes Jahr bis zu 150 Kilo Stadthonig. Aber kann so ein Honig gesund sein?

Stuttgart - Imkern in der Stadt – das ist keine Exotik, das ist Trend. Kaum ein hohes Gebäude in der Innenstadt, auf dem mittlerweile kein Bienenkasten steht. Auf dem Rathaus leben zwei Bienenvölker, die Südwestbank produziert auf dem Dach ihrer Zentrale in der Rotebühlstraße Honig, es gibt Demeter-Honig der Imkerei Summtgart im Städtle und noch vieles, vieles mehr.

 

Auch die Wilhelma hat einen eigenen Honig, um den sich seit Jahren Richard Odemer kümmert. Der Doktorand an der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim beobachtet seit Jahren, dass die Imkerei in der Stadt „ein richtiger Trend geworden ist“, wie er sagt. Auch viele Privatleute würden sich mittlerweile einen kleinen Bienenstock auf den Balkon stellen. Nicht mal so sehr wegen des Honigs, sondern um der Natur etwas Gutes zu tun, erklärt der Hobby-Imker mit wissenschaftlichem Hintergrund.

Und für etwa 150 Euro könne man sich auf speziellen Foren im Internet auch noch ein ganzes Bienenvolk kaufen, wenn sich die unermüdlichen fliegenden Schaffer nicht von alleine einnisten, erklärt Richard Odemer. Allerdings muss ein Bienenvolk beim Veterinäramt angemeldet werden, was sicher nicht jeder macht.

Die Qualität ist einwandfrei

Gesunder Honig aus der Stadt, das klingt ein wenig wie eine Luftkur am Neckartor, also wenig wahrscheinlich. Das ist aber laut Odemer nicht so, im Gegenteil. „Die Honigqualität in der Stadt ist einwandfrei“, erklärt er. Stuttgart sei eine sehr grüne Stadt, in der Pestizide anders als zum Beispiel in der Landwirtschaft kaum eine Rolle spielen. Zudem wirkten die Bienen ohnehin wie ein Filter und geben Schadstoffe sowieso nur in minimalsten Mengen an den Honig weiter, sagt der Hobby-Imker. In Stuttgart wären nennenswerte Mengen Pflanzenschutzmittel allenfalls in den Weinlagen zu erwarten, aber die Traubenblüte sei für Bienen nicht besonders ergiebig und damit auch nicht so interessant. Richard Odemers vier Völker im Schaubauernhof der Wilhelma sind in einem Radius von etwa zwei Kilometern unterwegs – und finden dort eine große Vielfalt an Nektar auf kleinstem Raum. Wenn Odemer wie jetzt Anfang August schaut, was sich so in den Waben gesammelt hat, „habe ich oft bei vier Ernten bis zu vier komplett verschiedene Honige“, sagt er. Durch die Vielzahl der Pflanzen und die unterschiedliche Blütezeit in der Wilhelma und im Rosenteinpark sei der Stadthonig eben sehr abwechslungsreich. Rund um die Wilhelma dominieren Bäume wie Rosskastanie, Akazie und Linde. „Wir könnten hier auch sortenreinen Akazienhonig gewinnen“, sagt der Agrarbiologe. Das bedeutet 70 Prozent des Honigs müssten aus einer Blütenart gewonnen werden. Möglich wäre das, der Hobbyimker belässt es aber beim normalen also vielfältigen Wilhema-Honig. Bis zu 150 Kilo im Jahr produzieren Odemers vier Bienenvölker in der Wilhelma – also mitten in der Stadt. „Wir brauchen wirklich keinen Honig aus Australien“, macht Odemer deutlich. „Auch hier in der Stadt gibt es hervorragende Produkte.“

Die Zahl der Imker in der Stadt steigt

Der Trend zum Stadthonig ist jedenfalls in ganz Deutschland ungebrochen. Dem Zeitgeist entsprechend spricht man mittlerweile von „Urban Imkering“, was furchtbar klingt, den Bienen aber hoffentlich egal ist. Auch in Stuttgart steigt die Zahl der Imker weiter, von etwa 150 im Jahr 2010 bis auf über 200 aktuell. Nicht berücksichtigt ist dabei die Zahl der Menschen, die sich ohne Anmeldung einen Bienenkasten auf das Dach stellen, das dürften noch viel mehr sein. Stadthonig gibt es also genug und Imker wie Richard Odemer verkaufen ihn auch. Wobei 50 Cent pro Glas Wilhelma-Honig an eine Organisation zum Schutz von Berggorillas gehen.

Die Stadt also als Reservoir für Bienen, die in der Monokultur industrieller Landwirtschaft zusehends Probleme haben. Bleibt die Frage, wie die Tiere mit den Luft-Emissionen einer Großstadt umgehen? „Das ist in der Tat ein Problem“, sagt Imker Odemer, „aber nur für die Bienen. Die filtern die Schadstoffe aus dem Honig und sterben deshalb wahrscheinlich etwas früher als Bienen, die in reiner Luft leben.“ Das ist dann die Schattenseite des, wie heißt es doch gleich, Urban Imkering.