Bei Prostestaktionen gegen Salafisten formieren sich neue rechte Bündnisse – zu denen auch Hooligans gehören. Die Gruppen eint ihre Bereitschaft zur Randale.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Berserker Pforzheim – der Name ist ein Rätsel wie vieles, was sich am Sonntag in Köln abgespielt hat. Dort hatten sich unter der Parole „Hooligans gegen Salafismus“ 5000 Leute versammelt. Ihr Protest gegen islamistische Umtriebe artete in eine Randale aus. Unter den Demonstranten waren einschlägig bekannte Rechtsextremisten und Anhänger entsprechender Parteien, etwa der NPD.

 

Zu der Aktion hatten auch jene „Berserker“ aus Pforzheim aufgerufen. Für die Sicherheitskräfte steht hinter dieser Gruppe ein großes Fragezeichen. Das gilt für diese neue Form rechter Gewalt überhaupt. Das Bundesinnenministerium sah sich am Montag außer Stande zu benennen, wie groß die Schnittmenge zwischen Hooligans und der rechtsextremen Szene ist, welchen Zulauf sie hat und welche Gefahr von diesen Bündnissen zwischen Neonazis und gewaltbereiten Fußballfans ausgeht. Die Lage ändere sich gewissermaßen täglich, hieß es. Eine Austausch unter den zuständigen Behörden hinsichtlich der Erkenntnisse über die Akteure und Hintermänner der Ausschreitungen in Köln soll erst Ende der Woche erfolgen.

„Temporäre Kampfgemeinschaften“

Laut Verfassungsschutz gab es bisher nur „einzelfallbezogene Überschneidungen“ zwischen Fußballfans, die auf Krawall aus sind, und rechten Aktivisten – beides Milieus, in denen Hass und Gewalt keine Tabus sind. Rechtsextremistische Aktivisten versuchten, Themen zu besetzen, die auch Hooligans umtreiben. Dazu zählt der Widerstand gegen Salafisten. Das Phänomen sei nicht neu, sagt der Fanforscher Gunter Pilz, Soziologe an der Universität Hannover. Schon im Frühjahr 2012 hätten sich auf einer Feier des Dortmunder Rechtsextremisten Siegfried Borchardt mehrere eigentlich verfeindete Hooligan-Gruppen zusammengeschlossen. Trotz des nun neu gefundenen gemeinsamen Feindbildes, den Salafisten, glaubt Pilz aber nicht, dass sich die „temporären Kampfgemeinschaften“ dauerhaft halten.

Aktionen wie die Demo in Köln finden in den sozialen Netzwerken großen Widerhall. Bei Facebook hatten bis Montagmittag mehr als 36 000 Nutzer ihren Gefallen an den Aktionen in Köln bekundet. „Nationalstolz ist kein Rassismus“, ist dort unter anderem zu lesen. Manche versuchen, ihre Gesinnung mit Zitaten unbescholtener Geistesgrößen zu rechtfertigen. Als Kronzeugen müssen unter anderem auch der französische Schriftsteller Albert Camus und der britische Philosoph Karl Popper herhalten – beides Persönlichkeiten, die bisher in rechten Kreisen keine Identifikationsfiguren waren.

Baden-Württemberg hat 1830 Fußballrowdies im Visier

Bundesweit hat die Polizei unter den Anhängern der Bundesligaklubs 10 542 gewaltbereite und gewaltsuchende Fußballfans registriert. Das sind 1,2 Prozent mehr als in der vorhergehenden Saison. Dazu zählten aber nicht nur Hooligans, sondern auch andere Gruppen. Bundesweit seien vier Prozent der registrierten Hooligans politisch eindeutig rechts orientiert. Das sind etwa 400.

Das baden-württembergische Innenministerium hat landesweit 1830 Leute im Visier, welche die Polizei für „Problemfans“ hält. Davon kommen 440 aus Mannheim. 530 Personen aus dieser Szene gelten als akut gewaltbereit. 180 von ihnen rechnet das Ministerium dem Anhang des VfB Stuttgart zu, 150 dem des Zweitligisten Karlsruher SC. Ähnliche Demonstrationen wie am Sonntag in Köln hatte es im März dieses Jahres und im September bereits in Mannheim gegeben. Allerdings war der Zulauf damals weitaus geringer.