Bezüge zur christlichen Ikonografie spielen für den Kulturmanager im Pfarramt keine zentrale Rolle bei der Planung seines Programms. „Undogmatisch zu sein heißt nicht, der Beliebigkeit Tür und Tor zu öffnen.“ Trotz Ironie und Provokation ziehen sich Grundfragen des Menschseins als roter Faden durch die Ausstellungen. Am interessantesten seien für ihn als Kurator diejenigen Projekte gewesen, die auf den Ort selbst reagierten. Meese griff Hans Seyfers spätgotische Kreuzigungsgruppe auf, Rainer Ganahl ergründete in seiner historischen Erinnerungsarbeit die Nachbarschaft zur einstigen Synagoge. Für manchen jüngeren Künstler wurde der Hospitalhof zum Karrieresprungbrett. Die durch Erdplastiken bekannt gewordene Madeleine Dietz oder der unlängst mit dem Molfenter-Preis geehrte Fotokonzeptualist Georg Winter feierten hier ihre ersten Ausstellungserfolge. Den Lohn für seine Arbeit fährt Müller auch in Quadratmetern ein: Beim Neubau ist eine Vergrößerung der Präsentationsfläche vorgesehen!

 

Erfreut stellt der Kunst- und Kirchenmann im Rückblick fest, wie viel sich in einem Vierteljahrhundert verändert hat. „Die Bereitschaft der Kirchenmitglieder, auf kontroverse Positionen einzugehen, wächst stetig.“ An Christian Jankowskis ironischem Jesus-Casting etwa, das unlängst in der Brenzkirche zu sehen war, habe niemand ernsthaft Anstoß genommen.

Von rund einhundertzwanzig Ausstellungen ist Müller eine ganz besonders im Gedächtnis geblieben: Werner Knaupps skulpturales Ensemble aus Gasflaschen, umgeschmiedet zu verformten menschlichen Körpern. Bei einem Besucher lösten sie ungewohnt heftigen Protest aus. Erst später hat Müller erfahren, weshalb der Mann so erbost war. „Er war schwer kriegstraumatisiert. Die Arbeiten erinnerten ihn an verbrannte Leichen. Nach der Phase des Schocks gelang ihm aber eine erste Aufarbeitung des Traumas.“ Für Müller der Beweis, dass Kunst berührt, aufwühlt, nachdenken und Einkehr halten lässt, auch wenn sie manchmal grausam ist. Denn der Theologe weiß: „Die Seele braucht Bilder.“