Noch immer sind die Sterbebegleiter in der Hospizarbeit überwiegend Frauen. Doch Patienten fragen häufig nach männlichem Beistand. Die neue Leiterin Annette Jetter-Laub setzt deshalb nicht nur auf Erfahrung, sondern hofft auf Veränderung.

Esslingen - Menschen im Blick zu haben, die gesellschaftlich nicht im Fokus stehen, ist etwas, das Annette Jetter-Laub bei ihrer Arbeit motiviert. Seit August leitet die 54-Jährige den ambulanten Bereich im Esslinger Hospiz. Annette Jetter-Laub, die bereits zwei Jahre lang den ambulanten Bereich koordiniert hat, möchte die Verbindung zur praktischen Arbeit jedoch nicht verlieren. So kann sie die Wünsche der Patienten im Blick behalten. Diese fragen beispielsweise häufiger nach einer männlichen Begleitperson, doch an denen mangelt es derzeit.

 

Schon früh hat sich die gelernte Bankkauffrau mit dem Leben und Sterben auseinandergesetzt. Für Jetter-Laub sind das Themen, um die keiner herumkommt, „auch wenn es fast jeder versucht“. Einen großen Einfluss darauf hat ihre Großmutter gehabt, die sich im hohen Alter ganz bewusst von ihren Enkeln verabschiedet hat.

Oftmal erleben die Menschen den Tod als Erlösung

Jetter-Laub ist nach einer Familienphase nicht in den gelernten Beruf zurückgekehrt, sondern hat sich umorientiert. Zur Hospizarbeit kam sie vor einigen Jahren in Weil der Stadt, wo die zweifache Mutter mit ihrer Familie lebt. Fachliche Kompetenzen hat sie in einer Palliative-Care-Ausbildung erlangt. Doch das allein qualifiziert einen Menschen nicht automatisch. „Man muss einfühlsam und empathisch sein“, sagt sie, auch im Umgang mit den Angehörigen. Und man müsse wissen, dass es nicht das eigene Leid ist. Ein zentraler Spruch, der sie in ihrem Handeln leitet, stammt von der schwedischen Schriftstellerin Selma Lagerlöf: „Kein Mensch kann einen anderen von seinem Leid befreien; aber er kann ihm Mut machen, das Leid zu tragen.“ Mit der Zeit lerne man zudem, mit dem Leid umzugehen, sagt sie. Oftmals erlebten die Menschen den Tod auch als Erlösung.

Um sich auf die leitende Position vorzubereiten, hat sie Seminare zu Themen wie Führung und Koordination besucht. Denn zu ihren neuen Aufgaben gehören unter anderem die Aus- und Fortbildung der Ehrenamtlichen sowie Gespräche mit Patienten und Angehörigen. Auch muss sie Konzeptionen und Strukturen entwickeln.

Nur zehn Prozent der Ehrenamtlichen sind Männer

„Ich habe mich sofort akzeptiert gefühlt und wurde von den Ehrenamtlichen als eine der Ihren aufgenommen“, sagt sie über ihren Einstand. Dazu hat wohl ihre langjährige Erfahrung, die sie als Ehrenamtliche an der Basis gesammelt hat, beigetragen. Jetter-Laub ist fest davon überzeugt, dass sie ihre Arbeit nur im Team machen könne, und „welch riesiger Schatz das große Engagement der Ehrenamtlichen ist“. Nach dem Weggang ihrer Vorgängerin hatte sie die Leitung bereits drei Monate kommissarisch inne. Um den Draht zur praktischen Tätigkeit nicht zu verlieren, engagiert sie sich jedoch weiterhin als Ehrenamtliche in der Hospizgruppe in Weil der Stadt.

Unter den 60 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die jährlich rund 150 Menschen im Esslinger Hospiz im Sterben begleiten, sind laut Jetter-Laub lediglich sechs Männer. Sie hofft, dass sich das noch ändert. „Oftmals sind Männer als Begleitung gefragt“, sagt sie. Junge Tumorpatienten, die manchmal gar Väter seien, würden eine andere Auseinandersetzung suchen. „Die wollen nicht sterben und kämpfen ganz arg“, weiß sie. Im Übrigen würden auch Frauen um männliche Begleitung bitten.