Die lang gehegte Idee vom einem dringend benötigten Tageshospiz droht an den Mauern der Bürokratie zu zerschellen. Nun soll die Politik helfen.

Mannheim hat es, Stuttgart will es: ein Tageshospiz. Bereits im September vor zwei Jahren hat in Ilvesheim bei Mannheim das Tageshospiz St. Vincent als erste Einrichtung dieser Art in Baden-Württemberg eröffnet. Manfred Baumann, der Leiter des Hospizes Stuttgart, nimmt’s sportlich. Denn eigentlich hätte Stuttgart die Nase vorn haben können. Schon vor langer Zeit hatten Baumann und seine Mitstreiter im Hospiz erkannt: „Da gibt es eine Lücke in der Versorgung.“ Also steckten alle die Köpfe zusammen und suchten nach Lösungen.

 

Neuer Bebauungsplan ändert alles

Eigentlich hätte das Hospiz nach den Planungen längst starten können. Die Finanzierung war klar, das Personal auch. Nur an der Immobilie fehlte es lange Zeit. Nun ist das Hospiz auch hier fündig geworden. Einen Steinwurf von dem Stammhaus in der Stafflenbergstraße war man fündig geworden. Doch dann der Schock. In der bevorzugten Wohngegend der Halbhöhe hatte die Stadt 2019 den Bebauungsplan geändert – hin zu einem reinen Wohngebiet. „Damit waren unsere Pläne erst mal dahin“, sagt Baumann. Allerdings gibt er noch nicht auf. In diesen Tagen tingelt er durch die Fraktionen des Gemeinderats, um Aufklärungsarbeit zu leisten. „Denn ein Tageshospiz ist etwas anderes als die klassische Tagespflege.“ Aber weil vom Amt noch nie jemand etwas davon gehört hat, wird es wie ein Gewerbe gesehen.

Besuch bei den Fraktionen

Nun also startet Baumann Aufklärungsarbeit: „Einmal oder mehrmals pro Woche können unheilbar erkrankte Menschen ins Tageshospiz kommen, lindernde Therapien erhalten, Kraft tanken und trotz schwerer Krankheit am sozialen Leben teilhaben“, beschreibt der Deutsche Hospiz- und Palliativ-Verband e. V. das zentrale Anliegen eines Tageshospizes. Außerdem könnten durch ein solches Angebot erschöpfte Angehörige und Betreuungspersonen entlastet werden. Konkret: Von Montag bis Freitag (8 bis 18 Uhr) könnten die Menschen einerseits medizinisch versorgt werden, aber auch das erleben, was ein Hospiz grundsätzlich ausmacht: die letzten Tagen würdevoll und in großer Qualität zu erleben. Dazu zählen emotionale und spirituelle Unterstützung, Trauerbegleitung, Seelsorge sowie therapeutische Angebote. Noch wichtiger ist Manfred Baumann indes der soziale Aspekt: „Wir wollen die Gäste in soziale Teilhabe bringen und raus aus einer möglichen Isolation holen.“ Dies soll durch Angebote wie gemeinsame Mahlzeiten, gemeinsames Kochen, Spielen und Feiern sowie Gesprächsrunden und Freizeitangebote erreicht werden. „Die Gäste sollen auch Ausflüge in die Stadt, etwa auf ein Eis, machen können“, sagt Baumann.

Die Versorgungslücke

Ein Tageshospiz richtet sich an Menschen in einem früheren Erkrankungsstadium, als dies bei einem stationären Hospiz der Fall ist. Ziel ist es, die Selbstständigkeit und Lebensqualität der Gäste zu fördern und Isolation zu vermeiden. Wie wichtig dieser gesellschaftliche Auftrag geworden ist, zeigt auch die Statistik. Und an diesem Punkt bringt Manfred Baumann wieder diese Lücke in der Versorgung von schwer kranken Menschen ins Spiel. Denn die meisten Menschen wollen ihre letzten Tage am liebsten zu Hause verbringen. Konkret sind es 76 Prozent der Bevölkerung. Ihnen wäre mit einem teuren Daueraufenthalt in der Klinik oder im Hospiz nicht gedient.

Daher hofft Baumann, dass die Kommunalpolitik den Sinn und den Wert eines Tageshospizes erkennt – und notfalls Hürden in der Verwaltung abbaut. Nicht zuletzt verweist er in Jubiläumsstimmung auch auf die Relevanz aller hospizlichen Angebote für die Stadt. Mit Stolz vermerkt er, was diese Einrichtungen seit Langem für die Stadtgesellschaft leisten: Vor fünf Jahren wurde das stationäre Kinder- und Jugendhospiz auf der Diemershalde eingeweiht. Ebenfalls vor fünf Jahren wurde die Landesstelle Begleitung von Familien mit einem schwer kranken Kind gegründet. Volljährig – also 18 Jahre alt – wird dagegen der Ambulante Hospizdienst für Kinder und Jugendliche. Und seit zehn Jahren gibt es „Hand in Hand – Initiative zur Förderung des Kinder- und Jugendhospizes“.

Apropos Historie: Im Vereinigten Königreich gibt es seit Mitte der 1990er Jahre Tageshospize, inzwischen rund 200, die zur gängigen Versorgung von Sterbenden gehören. Dies soll nun auch in Deutschland und vor allem in Stuttgart so sein. Sofern die Bürokratie es zulässt.