Laut Statistik wollen 76 Prozent aller Menschen zu Hause sterben. Oft ist das nicht möglich. „Da gibt es eine Lücke in der Versorgung“, sagt Stuttgarts Hospizleiter Manfred Baumann. Daher plant er die Einrichtung eines Tageshospizes.

Stuttgart - Zuhören und genau hinhören: Das ist die Gabe all derer, die sich dem hospizlichen Dienst an Menschen verschrieben haben. Nicht von ungefähr kommt es da, dass Hospizgründer und Altprälat Martin Klumpp das Hospiz Stuttgart eine „hörende Einrichtung“ nennt. Und mit diesem Ansatz hat Klumpp das Hospiz an der Stafflenbergstraße nicht nur initiiert, sondern ist zusammen mit dem Hospizleiter Manfred Baumann sowie Dekan Eckart Schultz-Berg beim Lauschen in die Gesellschaft hinein auf eine „Versorgungslücke“ aufmerksam geworden.

 

Es ist die Lücke der Versorgung von schwer kranken Menschen, die ihre letzten Tage am liebsten zu Hause verbringen wollen. Laut einer Statistik wären das 76 Prozent der Bevölkerung. Ihnen wäre mit einem Daueraufenthalt im Krankenhaus oder im Hospiz nicht gedient. „Aber was ist, wenn jemand am liebsten zu Hause bleiben will, aber nicht kann?“ Entweder weil er zu Hause gar keine Versorgung hat oder der berufstätige Partner erst am Abend wieder versorgen kann? Mit diesen Ausgangsfragen sind Klumpp, Baumann und der Bad Cannstatter Dekan Schultz-Berg auf eine naheliegende Lösung gekommen: ein Tageshospiz.

Angehörige entlasten

„Einmal oder mehrmals pro Woche können unheilbar erkrankte Menschen ins Tageshospiz kommen, lindernde Therapien erhalten, Kraft tanken und trotz schwerer Krankheit am sozialen Leben teilhaben“, beschreibt der Deutsche Hospiz- und Palliativ-Verband e. V. das zentrale Anliegen eines Tageshospizes. Außerdem könnten durch ein solches Angebot erschöpfte Angehörige und Betreuungspersonen entlastet werden. Konkret: Von Montag bis Freitag (8 bis 18 Uhr) könnten die Menschen einerseits medizinisch versorgt werden, aber auch das erleben, was ein Hospiz grundsätzlich ausmacht: die letzten Tagen würdevoll und in großer Qualität zu erleben. Dazu zählen emotionale und spirituelle Unterstützung, Trauerbegleitung, Seelsorge sowie therapeutische Angebote.

Bislang gibt es nur einen Plan

Noch wichtiger ist Manfred Baumann indes der soziale Aspekt: „Wir wollen die Gäste in soziale Teilhabe bringen und raus aus einer möglichen Isolation holen.“ Dies soll durch Angebote wie gemeinsame Mahlzeiten, gemeinsames Kochen, Spielen und Feiern sowie Gesprächsrunden und Freizeitangebote erreicht werden. „Die Gäste sollen auch Ausflüge in die Stadt, etwa auf ein Eis, machen können“, sagt Baumann.

Damit sind zwei Stichworte gegeben: sollen und Stadt. Denn noch gibt es kein Tageshospiz in Stuttgart. All dies ist bislang nur ein Plan. In naher Zukunft soll ein Tageshospiz möglichst zentral und in Reichweite des Erwachsenenhospizes entstehen.

Dafür sucht Baumann dringend nach einer Immobilie, die ebenso Rückzugsmöglichkeiten für acht Gäste, aber auch Wohnzimmer, Küche, Kreativ- und Werkraum sowie ein Dienstzimmer, einen Besprechungsraum und Lagerräume bietet.

Projekt als Fingerzeig

Für Schulz-Berg geht es bei diesem „Pilotprojekt“ jedoch auch darum, „die Stadtgesellschaft auf ein wichtiges Thema aufmerksam zu machen“. Es sei nicht nur so, dass angesichts der demografischen Entwicklung sowie der hohen Zahl der Singlehaushalte der Bedarf an solchen Einrichtungen steigen werde, die „hörende Einrichtung“ wisse auch: „Immer mehr Familien oder Partner wollen ihren sterbenden Angehörigen so lange wie irgend möglich zu Hause pflegen und begleiten“, so Schulz-Berg.

Insofern erkennen Klumpp, Baumann und Schultz-Berg im Projekt Tageshospiz eine zukunftsweisende Sache. Klumpp geht noch weiter: „Das Hospiz und die Hospizbewegung haben auch gesellschaftspolitische und zugleich christlich-humanitäre Ziele, nämlich, dass wir Menschen, die von Sterben, Tod und Trauer betroffen sind, nicht ausgrenzen, sondern liebevoll begleiten in dem, was sie erleben.“ Das Tageshospiz wäre damit ein weiterer Schritt, um diese Ziele in der Stadt umzusetzen.