Lesen, reden, singen oder einfach nur für den anderen da sein: Die Aufgaben der ehrenamtlichen Mitglieder der Hospizgruppe am Robert-Bosch-Krankenhaus sind vielfältig. Im März beginnt ein neuer Kurs für Interessierte.

Bad Cannstatt - Es ist ein Thema, mit dem die meisten so lange wie möglich nichts zu tun haben wollen. Für Bettina Voss gilt das nicht. Die 46-Jährige hat sich ganz bewusst dazu entschieden, Menschen beim Sterben zu begleiten. Zehn Jahre ist es her, dass die Mutter von zwei Töchtern aus der Zeitung von der Hospizgruppe des Robert-Bosch-Krankenhauses erfuhr. Ihre jüngste Tochter war damals ein Jahr alt. „Ich wollte gerne wieder etwas machen, was mit meinem Beruf zu tun hat“, sagt die studierte Theologin. Trotzdem legte sie den Zeitungsartikel zunächst zur Seite. Sie ließ das Thema sacken, dachte in Ruhe über alles nach und sprach mit ihrer Familie. Erst einige Wochen später fasste sie den Entschluss und meldete sich im Krankenhaus.

 

Doch mit dieser Entscheidung war es nicht getan. Das Robert-Bosch-Krankenhaus bereitet seine ehrenamtlichen Mitarbeiter in einem sechs monatigen Kurs auf ihre Aufgabe vor. Ganz am Anfang steht immer ein Gespräch mit der Pflegedienstleiterin Christel Idler. Denn nicht jeder ist für diese Arbeit geeignet. Ein Ausschlusskriterium sei zum Bespiel, dass der Ehrenamtler im vergangen Jahr selbst einen Todesfall in seinem näheren Umfeld erlebt habe, so die Pflegedienstleiterin. Andererseits kommt es natürlich auch vor, dass ein Kursteilnehmer im Verlauf der sechs Monate merkt, dass er sich diese Aufgabe nicht zutraut.

Lesen, reden oder singen

Auf die Frage, was sie genau macht, antwortet Bettina Voss: „Eigentlich ist alles drin.“ Manche Patienten können das Bett nicht mehr verlassen, andere schiebt sie im Rollstuhl in den Garten. Es gibt Menschen, die nicht mehr sprechen und andere, die gerne reden wollen. Sie hört zu, liest vor oder singt mit den Patienten. Doch ganz gleich in welchem Krankheitsstadium sich ein Mensch befindet, eines macht sich Bettina Voss immer bewusst: „Es ist dem Patienten hoch anzurechnen, dass man überhaupt kommen darf.“

Auch die Zeitspanne, in der sie die Menschen begleitet, ist sehr unterschiedlich. Mal können es mehrere Monate oder sogar Jahre sein, manchmal ist es auch nur ein einziger Tag. „Die Mehrheit der Begleitungen beginnt erst in der letzten Lebensphase“, sagt Pflegedienstleiterin Christel Idler. Man versuche aber, den Kontakt möglichst dann herzustellen, wenn der Patient noch kommunizieren kann. Und die Begleitung muss nicht an der Krankenhauspforte enden. Wenn Patient und Ehrenamtler das wollen, könne sie auch zu Hause oder in einem Pflegeheim fortgesetzt werden.

Neuer Kurs beginnt im März

Die Hospizgruppe sucht zurzeit wieder neue ehrenamtliche Mitarbeiter. Einer, der sich auf diesen Aufruf gemeldet hat, ist Andreas Knödler. Der 38-Jährige arbeitet als kaufmännischer Leiter in einem Büro. Neben der Arbeit hat er sich zum Mentalcoach und Heilpraktiker im Bereich Psychotherapie weitergebildet. Bislang sind Männer in der Hospizgruppe eher unterrepräsentiert. Von den 15 aktiven Ehrenamtlern sind nur zwei männlich. Doch das könnte sich bald ändern. Für den im März beginnenden Vorbereitungskurs haben sich laut Christel Idler bislang sogar mehr Männer als Frauen beworben.

Für Bettina Voss lohnt sich der Einsatz in jedem Fall. Sie profitiere in vielerlei Hinsicht von ihrer Arbeit. „Ich habe wahnsinnig viel gelernt“, sagt sie. Die Menschen würden sie ein Stück weit an ihrer Biografie teilhaben lassen. Mal sind es schmerzhafte Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, mal tiefgründige Einblicke in eine fremde Religion. Und: „Ich gehe anders mit dem Tod um“, sagt Bettina Voss. Zwar habe ihr als Theologin dieses Thema noch nie Angst bereitet, trotzdem könne sie heute gelassener damit umgehen. Denn sie habe gelernt: Sterben bedeutet nicht nur Leid, sondern auch Frieden.