Lassen sich im Adler in Asperg zu Restaurantfachfrauen ausbilden: Hai Duyen Pham und Thi My Hanh Hoang. Foto: Simon Granville/KI/Midjourney/Montage: Pichlmaier
Das Corona-Loch in der Gastro ist langsam gestopft – auch dank Lehrlingen aus fernen Ländern. Für die Branche ist es eine große Chance. Und für alle Beteiligten eine Herausforderung.
Eine solche Begeisterung für die Gastronomie hat Christian Ottenbacher lange nicht mehr erlebt. „Auszubildende zu finden, war generell seit vielen Jahren schwierig“, sagt der Asperger Hotelier. Aber dann kam die Corona-Pandemie – und es wurde fast unmöglich. Bis ihm der Tipp eines Kollegen einen neuen Weg eröffnete: Für seine Restaurants rekrutiert Christian Ottenbacher die Lehrlinge nun in Vietnam. „Sie sind sehr service-orientiert, sehr freundlich und sehr wiss- und lernbegierig“, sagt er über die vier Frauen, die gerade in seinem Haus einen Beruf erlernen.
Thi My Hanh Hoang, Hai Duyen Pham und ihre Landsleute sind zu einer Stütze des Gastgewerbes geworden: Sie stellen rund 20 Prozent der Lehrlinge in Baden-Württemberg, ihre Zahl hat sich seit 2022 verdreifacht. „Für unsere Branche ist diese Entwicklung eine große Chance“, erklärt Daniel Ohl vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Stuttgart.
Die Vermittlung nach Deutschland kostet viel Geld
Über Facebook sind Thi My Hanh Hoang und Hai Duyen Pham auf die Ausbildung in Deutschland gekommen. In ihrer Heimat würden Restaurants keine vergleichbare Lehre anbieten, erklärt Thi My Hanh Hoang. „Hier gibt es viele Chancen, die will ich nutzen“, sagt Hai Duyen Pham. Die 28-Jährige stammt aus der Stadt Hung Yên in der Nähe von Hanoi. Ihre Eltern sind Gemüseproduzenten – und haben lange gespart für die Ausbildung der Tochter im Ausland. Rund 7000 Euro kostete die Vermittlung nach Deutschland inklusive Visum und Flug. In Vietnam müsse man für den Betrag ein Jahr lang arbeiten, erklärt sie. Von ihrem Lohn schickt Hai Duyen Pham nun jeden Monat Geld nach Hause.
Gute Küche braucht auch guten Service: Moritz Feichtinger kocht im Adler aus Sterne-Niveau in der Schwabenstube. Foto: Simon Granville
Die Verbindung nach Vietnam läuft im Adler über eine Agentur in Chemnitz, weil die ehemalige DDR und das nach wie vor von einer kommunistischen Einheitspartei regierte asiatische Land einst Brüderstaaten waren. Vor zwei Jahren kam mit Thi My Hanh Hoang die erste Auszubildende in Asperg an, diesen September hat die vierte angefangen. „Wir haben schon immer im Ausland rekrutiert“, sagt Christian Ottenbacher.
In seinem Vier-Sterne-Hotel mit 67 Zimmern, drei Apartments und vier Restaurants, darunter die mit einem Michelin-Stern versehene Schwabenstube, arbeiten Menschen aus 20 Nationen. Er bildet jährlich fünf bis sechs Lehrlinge aus, das ist für ihn „eine Investition in die Zukunft“. Nachwuchs für die Küche zu finden, wo aktuell zwei Abiturienten aus Deutschland Koch und Küchenmanagement lernen, sei wieder einfacher geworden, das Corona-Loch überwunden, erklärt er. Doch für den Servicebereich im Restaurant, dessen Image „nicht so hoch angesehen wird“, sei die Suche nach wie vor schwierig.
Drei bis fünf Bewerbungen landen täglich im Mail-Postfach des Adlers. Aus Indonesien, Nordafrika oder dem arabischen Raum bekommt Christian Ottenbacher professionell aufgemachte Anschreiben zugeschickt. Die Entwicklung überrascht ihn selbst: Sie liegt am seit fünf Jahren geltenden und zwischenzeitlich erleichterten Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Auszubildenden aus Drittstaaten, die nicht zur Europäischen Union gehören, die Einreise und die Beschäftigung in Deutschland erheblich erleichterte.
Die Zahl der Auszubildenden aus Drittstaaten, die nicht zur Europäischen Union gehören, hat sich in wenigen Jahren verdoppelt. Aber auch bei Auszubildenden mit einem deutschem Pass gibt es ein leichtes Plus. Foto: Bundesagentur für Arbeit/Krause
Die Kandidaten müssen ein bestimmtes Level an Deutschkenntnissen vorweisen können, laut der Arbeitsagentur auch „Motivation und Dienstleistungsbereitschaft mitbringen“. Ein Ausbildungsvertrag sowie die Zustimmung einer Kammer ist erforderlich und ein Mindestgehalt von 1080 Euro vom Ausbildungsbetrieb. Im Gastgewerbe stammen laut den Zahlen der Arbeitsagentur aktuell 950 Auszubildende aus Vietnam, 426 aus Marokko und 238 aus Indonesien – von insgesamt 6765 Auszubildenden. Vor drei Jahren waren es 198 Lehrlinge aus Vietnam, 166 aus Marokko und 48 aus Indonesien.
Vom Mut der jungen Frauen, die alleine in ein fremdes Land mit fremder Kultur gehen, ist Christian Ottenbacher beeindruckt. Er stellt ihnen Wohnraum zur Verfügung, hilft auch bei privaten Problemen und ist damit ein Musterbeispiel ganz nach der Vorstellung des Dehogas. Denn die Migration in die Ausbildung bringe auch „Herausforderungen für alle Beteiligten mit sich“, räumt Daniel Ohl vom Verband ein. Im Adler in Asperg werden sie offensichtlich gemeistert: Die Reaktion der Gäste auf die angehenden Restaurantfachkräfte aus Vietnam sei fast ausschließlich positiv, nur ein paar wenige hätten Verständigungsschwierigkeiten beklagt, berichtet Christian Ottenbacher.
Gefragte Fachkräfte – in der Heimat und in Deutschland
Thi My Hanh Hoang und Hai Duyen Pham wissen schon jetzt, dass sie nach ihrem Abschluss im Adler in Asperg bleiben wollen. „Der Adler ist meine Familie“, schwärmt Hai Duyen Pham. Auch ihre 24 Jahre alte Landsmännin ist vom Arbeitsklima in dem Hotel, „vom guten Chef und den guten Kollegen“ begeistert. Die beiden waren bislang nicht ein einziges mal auf Heimaturlaub. Eine Rückkehr schließen sie allerdings nicht aus: In den Luxushotelressorts an den Stränden Vietnams wären sie mit dem Abschluss aus Deutschland begehrte Fachkräfte – wie hierzulande auch.
Mehr Auszubildende im Gaststättengewerbe
Entwicklung Für den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband ist die Entwicklung erfreulich: „Die Zahl der Ausbildungsverträge im baden-württembergischen Hotel- und Gaststättengewerbe ist nach starkem Rückgang während der Corona-Krise zuletzt wieder angestiegen“, vermeldet die Stuttgarter Geschäftsstelle. Im Jahr 2023 stieg die Zahl der jungen Menschen, die in Baden-Württemberg einen gastgewerblichen Ausbildungsberuf erlernen, um 17,1 Prozent auf 5839 , im Folgejahr wieder um 13,2 Prozent auf nunmehr 6612 Ausbildungsverträge. Vor der Pandemie (2019) wurden in der Branche 5972 Lehrlinge gemeldet. „Ein wichtiger Treiber für diese positive Entwicklung ist die Migration in die Ausbildung“, schreibt die Dehoga.
Integration Nach Vietnam, Marokko und Indonesien folgen in der Top Ten der Herkunftsländer unter den Drittstaaten in Baden-Württemberg die Ukraine (106 Personen im März 2025), Aserbaidschan (102), Madagaskar (95), Tadschikistan (92), Georgien (72), Türkei (62) und Tunesien (61). Zur Erhöhung der Erfolgschancen müsse die Integration gelingen, betont der Dehoga. Eine Forderung des Verbands: die Einführung einer der Ausbildung vorgeschalteten Einstiegsqualifizierung in Deutschland mit Deutschunterricht und weiteren Elementen.
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