Am 9. Februar wird es beim Land ein erstes Gespräch mit allen Beteiligten über die Gedenkstätte geben. Auch die Stadt ist dabei.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Im Sommer 2011 hat die neue Landesregierung entschieden, die frühere Gestapo-Zentrale – das Hotel Silber – in der Dorotheenstraße 10 nicht abzureißen, sondern in eine Gedenkstätte umzuwandeln . Gerade wird hinter den Kulissen gerungen, welche Größenordnung das Haus haben soll und wer wie viel bezahlt. Dass es dabei nicht um einen kleinen Gedenkort, sondern um ein sehr gewichtiges Projekt in Stuttgart gehen könnte, zeigt ein Blick nach Berlin und Köln. Dort wurden an authentischen Orten eine Ausstellung, eine Forschungsstelle, ein Archiv und ein Veranstaltungsort vereinigt. Ob die Stätte in Stuttgart je eine solche Dimension erhält, steht aber in den Sternen. Das ist der aktuelle Stand in Sachen Hotel Silber.

 

Das Land positioniert sich langsam

Jürgen Walter, grüner Staatssekretär im Wissenschaftsministerium, hat die Fäden in die Hand genommen. Er bittet am 9. Februar alle Akteure zu einem ersten Gespräch – das Treffen diene der Vorbereitung eines Runden Tisches, der an einer Konzeption mitarbeiten soll, heißt es im Ministerium. Auch soll es spätestens Anfang März ein Gespräch mit OB Wolfgang Schuster geben.

Angeblich soll die Hälfte des Hauses genutzt werden

Inhaltlich ist bisher wenig geschehen, außer dass das Haus der Geschichte einen Historiker abgestellt hat, der die Geschichte des Hauses und der Gestapo-Zentrale wissenschaftlich aufarbeiten soll – diese Arbeit könnte zur Grundlage für eine spätere Ausstellung werden. Zumindest aber sind jetzt einige Daten durchgesickert, die zwar niemand bestätigt, die aber doch anzeigen, in welche Richtung die Überlegungen gehen. Denkbar sei, so wird kolportiert, die Hälfte des Hauses in der Dorotheenstraße 10 für die Gedenkstätte zu nutzen. Bisher hatte es erhebliche Zweifel gegeben, ob das große Gebäude mit vier Etagen plus Keller überhaupt „bespielt“ werden könnte. Eine Eröffnung im Jahr 2015 sei möglich, heißt es weiter. Zumindest müssen die Planungen nicht mehr mit dem großen Nachbarprojekt von Breuninger am Karlsplatz abgestimmt werden. Der Umbau des Hotels Silber kann frei erfolgen.

Die Stadt Stuttgart soll ins Boot

Bis jetzt weigert sich Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) standhaft, einen finanziellen Beitrag zur Gedenkstätte zu leisten: „Das Projekt ist Aufgabe des Landes“, betonte Schusters Sprecher Markus Vogt jetzt erneut. Doch bröckeln die Fronten zunehmend, und die bisherige Haltung muss wohl als Teil des derzeitigen Pokerspiels um die Kosten gesehen werden.

SPD-Gemeinderatsfraktion will Beteiligung der Stadt

Denn tatsächlich haben immer mehr Stadträte ein hohes Interesse daran, dass in diesem Zentrum auch die Stuttgarter NS-Geschichte aufgearbeitet wird. Die SPD-Gemeinderatsfraktion fordert dies mittlerweile vehement. Stadträtin Monika Wüst sagt: „Wir wollen, dass die Stadt Stuttgart beim Betrieb mit ins Boot geht – und das bedeutet natürlich, dass sie sich auch finanziell beteiligt.“

Mehrheitsfähig ist diese Position noch nicht. Stadtrat Michael Kienzle (Grüne) hält ein finanzielles Engagement der Stadt für richtig: „Aber ich würde nicht so weit gehen, dass wir beim Betrieb mitmachen.“ Ins Feld geführt wird oft, dass es doch mit Stadtarchiv, Haus der Geschichte und bald dem Stadtmuseum drei Stätten gebe, die sich mit der NS-Geschichte auseinandersetzten. Zumindest hat eine Mehrheit in den städtischen Etatberatungen im Herbst Planungsmittel bewilligt, wenn auch nur 20 000 Euro. In die Richtung einer Kooperation scheinen auch die Gedankenspiele des Landes zu gehen: Das Land könnte den Umbau bezahlen, beim Betrieb teilen sich Stadt und Land die Kosten.

Die Bürger wollen mitbestimmen

Die inhaltliche Konzeption steht noch ganz am Anfang

Die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber hat großen Anteil daran, dass das Gebäude erhalten bleibt. Jetzt wollen die 23 Gruppierungen innerhalb der Initiative auch an der Konzeption mitarbeiten: „Wir wollen mitbestimmen und mitgestalten“, sagt Harald Stingele, einer der Sprecher der Initiative. Eine Bürgerbeteiligung sagt das Land dezidiert zu. Die Legitimation der Bürger bestehe in deren Kompetenz, sagt die zweite Sprecherin der Initiative, Elke Barnabak: „Seit 25 Jahren arbeiten wir intensiv zur NS-Geschichte.“

Daneben haben sich, ungewöhnlich genug, die Jugendorganisationen der Grünen, der SPD, der CDU und der FDP in Sachen Hotel Silber zusammengetan. Sie fordern, dass eine wissenschaftlich besetzte Kommission ein Konzept erarbeitet – damit stehen sie etwas im Gegensatz zur Bürgerinitiative, die vor allem den Sachverstand der Bürger nutzen will.

Das Konzept ist noch ganz am Anfang

Am weitesten sind die Überlegungen der Bürgerinitiative gediehen. Harald Stingele glaubt, dass das gesamte Haus „bespielt“ werden könnte, „aber uns geht es nicht um die Quadratmeterzahl“, sagt er. Vielmehr ist es ihm wichtig, neben einer Dauerausstellung einen Lernort zu schaffen, an dem ehrenamtliche Historiker von Profis unterstützt werden. Und es müsse dort auch geforscht werden können – so müsse endlich die „Euthanasie“ von Kindern in Stuttgart aufgearbeitet werden. Stuttgart habe diese Aufgabe vernachlässigt. Thomas Schnabel, der Leiter des Hauses der Geschichte, hat ebenfalls großes Interesse, ein lebendiges Zentrum zu schaffen. Bei einem NS-Dokumentationszentrum in der Ausrichtung und Größe Kölns ist er aber skeptisch: Die Forschung sei sich einig, dass es falsch sei, die NS-Alltagsgeschichte zu stark über das Wirken der Gestapo zu definieren, sagt er.

In Berlin hat Gedenkstätte 600 000 Besucher

In Köln hat das Elde-Haus, ebenfalls in der ehemaligen Gestapo-Zentrale untergebracht, heute fast 30 Mitarbeiter und wird als NS-Dokumentationszentrum von der Stadt getragen. In Berlin war von den Zentralen der Geheimen Staatspolizei, der SS und des Reichssicherheitshauptamts unweit des Potsdamer Platzes nichts mehr übrig. Der Neubau am historischen Ort ist heute eine der meistbesuchten Erinnerungsstätten in der Hauptstadt. Jährlich begeben sich 600 000 Menschen hinein in die „Topographie des Terrors“.