Keine leichte Aufgabe für Wolfgang Schuster: engagierte Bürger fordern die Stadt Stuttgart auf, sich an der Gedenkstätte finanziell zu beteiligen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Es gibt angenehmere Gespräche für OB Wolfgang Schuster als jenes, das nächsten Donnerstag auf seinem Terminplan steht: Erstmals trifft sich Schuster direkt mit Staatssekretär Jürgen Walter vom Wissenschaftsministerium, um über das Hotel Silber zu verhandeln.

 

Die Ausgangslage ist klar – aber verfahren. Dem Land gehört das Gebäude in der Dorotheenstraße 10, in dem früher die Gestapozentrale für Württemberg untergebracht war und in dem jetzt eine große Gedenkstätte eingerichtet werden soll. Das Land hat alleine entschieden, dass es das Hotel Silber erhalten will. Staatsministerin Silke Krebs hatte aber schon vor Monaten die Erwartung formuliert, dass die Stadt sich finanziell beteiligt, zumindest am späteren Betrieb der Gedenkstätte. Bei fast allen Gedenkstätten in Baden-Württemberg seien die Kommunen mit im Boot.

Wolfgang Schuster hat zwar die ideelle Unterstützung durch das Stadtarchiv und den Planungsstab für das neue Stadtmuseum angeboten, aber ein finanzielles Engagement ausgeschlossen. Vor Kurzem hat der OB diese Haltung in einem Brief an die Mitglieder des Beirates zur Vermittlung der NS-Geschichte in Stuttgart erläutert: Man solle bitte würdigen, dass die Stadt gerade im Begriff stehe, 34 Millionen Euro für ein Stadtmuseum auszugeben. Er schlug vor, zunächst abzuwarten, bis der Runde Tisch, der vom Frühsommer an über das Konzept und die Ausgestaltung der Gedenkstätte beraten will, erste Entscheidungen getroffen habe.

Pokerspiel zwischen Stadt und Land

Doch an diesem Punkt beißt sich die Katze in den Schwanz. Der Runde Tisch, an dem Bürger, Land, Stadt und Sachverständige sitzen, sei so lange blockiert, bis klar sei, wer die Gedenkstätte finanziere und wie viel Geld zur Verfügung stehe, sagt Harald Stingele vom Verein Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber. Im Übrigen erinnert er daran, dass zumindest Teile des Stuttgarter Gemeinderates durchaus eine Beteiligung der Stadt wünschen und dass eine Mehrheit des Gemeinderates bereits 20 000 Euro bewilligt hat, um die Planungen beim Hotel Silber zu unterstützen.

Letztendlich findet gerade ein Pokerspiel zwischen Stadt und Land statt – jede Seite befürchtet, zahlen zu müssen, wenn sie sich als erste kompromissbereit zeigt. Auch die Landesregierung hat noch nicht offengelegt, mit welchem Höchstbetrag sie die Gedenkstätte auszustatten gedenkt.

Die Bürger und Initiativen, die hinter dem Verein zum Hotel Silber stehen, haben jetzt noch einmal den Druck auf die Stadt erhöht und OB Schuster aufgefordert, seinen Widerstand gegen eine Beteiligung an den Betriebskosten aufzugeben. Die Stadt habe vor Jahrzehnten ihr Besuchsprogramm für jüdische Mitbürger eingestellt und seither ihre Verantwortung für die Aufarbeitung der Verbrechen in der NS-Zeit „unterbrochen“, sagte Elke Banabak vom Vereinsvorstand. Dabei gebe es viele „Gedächtnislücken“, die dringend aufgearbeitet werden müssten. So habe es in Stuttgart während des Dritten Reiches 1000 Zwangssterilisationen gegeben, deren Hintergründe nie beleuchtet wurden. Viele städtische Ämter hätten sich in den Dienst des NS-Terrors gestellt, was ebenfalls nicht wissenschaftlich untersucht worden sei. Die Gedenkstätte im Hotel Silber biete deshalb die Chance, diese Aufarbeitung zu leisten. Zugleich müsse man dort die Jugendlichen ansprechen und, ohne zu moralisieren, einen Beitrag gegen Ausgrenzung und Fremdenhass leisten.

„Es werden vor allem Stuttgarter Bürger und Stuttgarter Schüler sein, die die Gedenkstätte besuchen“, sagte Elke Banabak: „Es wäre peinlich, wenn Stuttgart sich seiner Verantwortung entziehen würde.“