In die Fassade des geplanten Hotelturms neben dem Einkaufszentrum Milaneo sollten grüne Pflanzen eingebaut werden. Jetzt machten der Bauherr und seine Architekten einen Rückzieher. Das hat Gründe, aber verursacht trotzdem großen Ärger.

Stuttgart - Das Baufeld 5 auf dem Areal beim Einkaufszentrum Milaneo hat es in sich. Was dort entsteht, wird das Erscheinungsbild des ganzen Europaviertels beeinflussen. Das geplante 60-Meter-Hochhaus – mit Sockelbau in Milaneo-Höhe – wird an der Heilbronner Straße aufragen und dort den Blick auf die Stadtbücherei verstellen. Und um dieses Projekt wird zwischen der Stadt und dem Investor Strabag Real Estate (SRE) nun gerungen.

 

Hinter verschlossenen Türen ist es jüngst im Ausschuss für Umwelt und Technik zum Schlagabtausch gekommen. Da konfrontierte Bereichsleiter Uwe Jaggy von SRE die Stadträte mit der Ansage, dass sie die Fassadenbegrünung am geplanten Hotelturm vergessen können. Die ist zwar wesentlicher Bestandteil des preisgekrönten Entwurfs aus dem Architektenwettbewerb, doch sie sei nicht realisierbar. Die Brandschutzauflagen nach den Richtlinien für Hochhäuser könnten nicht erfüllt werden. Doch aufseiten der Stadt wollte man die Pflanzen am Hochhaus nicht so einfach aufgeben. Verständlich. Beton, Stein und Glas dominieren das Viertel ja schon heute sehr stark. Die Straßenschluchten wirken kahl und kalt und menschenfeindlich.

Am Rotebühlplatz geht es mangels Hochhausstatus leichter

Dass die Begrünung des Hotelturms nicht einfach würde, sei immer klar gewesen, sagt ein Stadtrat. Der Bauherr und sein Architekt hätten es hier auch schwerer als die Ferdinand-Piëch-Holding und deren Architekt Christoph Ingenhoven, die am Rotebühlplatz ein stark begrüntes Gebäude planen, dabei aber unter der Hochhausgrenze bleiben. Insofern gibt es ein gewisses Verständnis für SRE. Dass sich ihr Vertreter angesichts der Vorgeschichte in diesem Fall aber so einfach aus der Affäre ziehe, gehe nicht, tönt es im Rathaus. Dort wurde auch registriert, dass SRE nicht allein den ersten Preisträger des Architektenwettbewerbs, das Düsseldorfer Büro RKW Architektur+, planen lässt, sondern eine Architektengemeinschaft mit dem Zweitplatzierten, dem Wiener Büro mhm.

Das weckte ungute Erinnerungen. Nach der Preisgerichtssitzung im Juli 2017 war der Verdacht aufgekommen, SRE habe von Anfang an mit mhm bauen wollen und das Büro genau instruiert, den Wettbewerb als Farce angelegt. Vor der Abstimmung hatte Jaggy eigens nachgefragt, ob er hinterher noch frei sei in der Auswahl des Architekturbüros. Und es passte wie die Faust aufs Auge, dass Jurymitglieder, wie die Stuttgarter Zeitung berichtete, einen pikanten Umstand gar nicht erfahren hatten: dass mit dem mhm-Gesellschafter Sebastian Haselsteiner ein Sohn des früheren Strabag-Konzernchefs Peter Haselsteiner mitmischte. Aber auch ohne dieses Wissen pochte die Jury auf Umsetzung des gekürten Entwurfs.

Stadträte fühlen sich von Strabag düpiert

Werden jetzt also die Preisrichter, darunter etliche Vertreter der Stadt, wieder vorgeführt? Die Stadträte fühlen sich jedenfalls düpiert. Alle Fraktionen hätten Kritik geübt, heißt es. Allerdings sei auch klar gewesen, dass man auf der Basis des geltenden Bebauungsplans die Begrünung nicht erzwingen könne. Dennoch soll der CDU-Fraktionschef Alexander Kotz Strabag ausdrücklich gewarnt haben, man sehe sich „im Leben immer zweimal“. SRE wolle in Stuttgart ja wieder mal bauen.

Auf Nachfrage bestätigte Kotz diesen Tenor. Und Jürgen Zeeb, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, sieht es ähnlich. Zeeb ist Architekt und weiß, dass die Hochhausrichtlinien eine hohe Messlatte für die Begrünung sind. Möglicherweise sei das Preisgericht im vorigen Jahr „etwas blauäugig dem Entwurf der begrünten Hochhausfassade aufgesessen“, sagt Zeeb selbstkritisch. Dass SRE die Begrünung „unsensibel“ rundheraus absagte, findet er aber hochgradig befremdlich. Er hätte sich vorstellen können, dass man im Hochhausbaukörper die etwa in der Mitte geplante Glasfassade zurücknimmt und dort mit Pflanzen operiert. Oder der Investor hätte wenigstens eine Art grüner Banderole im unteren Gebäudebereich anbieten können, meint Zeeb. Für ihn ist – wie für alle Fraktionen – klar: Die Stadtverwaltung müsse „intervenieren“ und Druck machen.

Kunstreliefs sollen die Pflanzennischen ersetzen

Uwe Jaggy hält dagegen, dass nach den Vorschriften nicht einmal am Sockelbau Pflanzen möglich wären. Denn: „Baurechtlich gilt der gesamte Komplex als Hochhaus.“ Das Architekturbüro RKW+ habe nach Monaten der Beschäftigung mit Begrünungsprojekten im In- und Ausland von sich aus Konsequenzen gezogen, nicht etwa auf Druck des Bauherrn. Es bringe auch nichts, wenn man an der Begrünung festhielte und am Ende beim Baurechtsamt durchfallen würde. Schon jetzt sei bedauerlich, dass man zehn Monate nach dem Preisgericht immer noch über die Fassade diskutiere – allerdings nur über knapp 600 von insgesamt 10 000 Quadratmeter Fassadenfläche. Als Alternative wollen Jaggy und das Büro RKW+ nun dort Kunstreliefs in die Fassade einbauen, wo zuvor Nischen mit Pflanzen vorgesehen waren. Ob diese Flächen bunt oder monochrom würde, müsse ein Gestaltungswettbewerb zeigen. Fünf Künstler wolle man dazu einladen, darunter auch Stuttgarter.

Beim Pflanzengrün kann sich Jaggy eine „Kompensation“ auf einem städtischen Grundstück an anderer Stelle vorstellen. Das bietet er wohl auch in den Verhandlungen an, auf die der Gemeinderat pocht.

Das Hochhaus in Zahlen

Daten Der Hotelturm entsteht auf einem trapezförmigen Grundstück neben dem Milaneo, zwischen Heilbronner Straße und Stadtbibliothek. Er wird rund 60 Meter hoch und – ab dem Niveau des Bücherei-Eingangs – 20 Etagen haben. Uwe Jaggy vom Investor Strabag Real Estate über das Investitionsvolumen: „Knapp über 100 Millionen Euro“.

Zeitplan Im Juli soll der Bauantrag eingereicht werden, Anfang 2019 der Bau beginnen, im zweiten Quartal 2021 der Komplex fertig sein.

Entwicklung Seit dem Architektenwettbewerb wurde an Details gefeilt. Unter anderem sollen an der Londoner Straße (zum Milaneo und zum Stadtbahnzugang hin) in einen Treppen- und Rampenkomplex zur Heilbronner Straße Läden integriert werden. (jos)