Ein Fernsehpreis für eine Serie, die gar nicht im Fernsehen läuft: „House of Cards“ ist in den USA von keinem großen Kabelsender, sondern vom Streamingdienst Netflix produziert und ausgestrahlt worden – ein Novum in der Mediengeschichte.

Stuttgart - So sieht also ein Sturz aus dem Himmel der politischen Ambitionen aus. Francis Underwood, Fraktionseinpeitscher der Demokraten im US-Kongress, hat einen Termin bei der Stabschefin des frisch gewählten Präsidenten. Underwood hat dieser Frau ihren Job verschafft. Er hat dem Kandidaten der Demokraten das Weiße Haus verschafft. Zuvor hat er jahrelang Kärrnerarbeit beim Schachern um Gesetze und Mehrheiten geleistet. Nun will er seine versprochene Belohnung abholen, die Ernennung zum Außenminister.

 

Aber er bekommt zu Beginn der sehr sehenswerten TV-Serie „House of Cards“ ein Nein zu hören, das nicht zerknirscht klingt. Man brauche ihn da, wo er sei, dort leiste er wertvollere Arbeit. Das Außenministerium bekomme ein anderer. Ja, das sei schon länger so ausgemacht, man habe ihm das aber natürlich verschweigen müssen. Der von Kevin Spacey in Hochform gespielte Francis Underwood kann sich – äußerlich – nur fügen. Aber „House of Cards“ ist die Geschichte seiner Rache und erzählt in 13 Folgen der ersten Staffel, wie ein talentierter Intrigant mit System und Menschen spielt.

Als wär’s ein teurer Kinofilm

Das wäre schon als bloße Fernsehserie interessant, als der böseste von mehreren aktuellen Gegenentwürfen zu Aaron Sorkins „The West Wing“ (sieben Staffeln von von 1996-2006). Dieser Serienklassiker zeigte eine zwar finten- und fallenreiche, letztlich aber von guten Menschen geprägte Politik. Aber die mit neun verdienten Nominierungen ins Emmy-Rennen gehende Serie „House of Cards“ hat aus einem ganz anderen Grund für Aufsehen in den USA gesorgt. Keines der großen Networks war der Auftraggeber, auch keiner der ambitionierten Kabelsender wie HBO oder AMC, sondern erstmals ein Streamingdienst im Internet: Netflix.

Dass diese neuen Anbieter irgendwann nicht nur anderswo Gezeigtes lizenzieren, sondern eigene Programme produzieren würden, war der Konkurrenz klar. Aber man hatte mit Billigprogrammen gerechnet. Die zwei Staffeln von „House of Cards“ aber sollen gerüchteweise 100 Millionen Dollar gekostet haben. Die erste davon sieht aus wie einer jener Kinofilme, bei denen neunzig Minuten 100 Millionen kosten.

Bei Sky Atlantic HD ausgestrahlt

Die Fotografie ist exzellent, die Ausstattung betörend, die Besetzung superb. Robin Wright spielt Underwoods manipulative Frau Claire, Kate Mara die strategische Geliebte des Politikers, eine junge Journalistin. Für die Inszenierung zeichnen große Namen des Kinos verantwortlich, unter anderem David Fincher (Fight Club“), James Foley („Glengarry Glen Ross“) und Joel Schumacher („Nicht auflegen!“). In den USA glauben Branchenkenner, „House of Cards“ schreibe Mediengeschichte und werde künftig als Moment einer Machtverlagerung erinnert werden.

Netflix jedenfalls ist ein Stehaufmännchen. Die 1997 gegründete Firma trat zunächst als Videothekenkiller an, mit einem DVD-Verleih per Post. 2012 schien der Branchenprimus bereits wieder am Ende zu sein, in den Ruin getrieben vom sinkenden Interesse des Publikums an physischen Datenträgern. Aber die kalifornische Firma erfand sich neu und setzte sich an die Spitze der neuen Streamingdienste.

„House of Cards“, das in Deutschland im Frühjahr vom Bezahlsender Sky Atlantic HD ausgestrahlt worden ist, basiert auf einer britischen Miniserie aus dem Jahre 1990. Der Dramatiker Beau Willimon, ein Mann mit Erfahrung als demokratischer Wahlkampfhelfer, hat dann die Amerikanisierung übernommen.

Die Figuren seien zu eindimensional böse und gierig, die Dialoge zu didaktisch, klagten einige Kritiker, wie schon bei George Clooneys Kinofilm „Die Iden des März“, der ebenfalls auf einem Willimon-Stück beruhte. Vielleicht ist das ein Jammern auf sehr hohem Niveau. Vielleicht ist das aber auch Unbehagen daran, dass hier einer sehr authentisch sein düsteres Politikerbild vorführt. Willimon glaubt nicht daran, dass Idealisten und Gewissensmenschen in Washington weit kämen.