Region: Verena Mayer (ena)

Nach seinem Rückzug 1989 dauert es sieben Jahre, bis Hubert Kah wieder auftaucht. Sein neues Album ist zwar kein kommerzieller Erfolg, Kritikern trotzt die Platte allerdings Respekt ab. Für die elf Stücke arbeitete Hubert Kah mit dem Wiener Sinfonieorchester und dem Chor der Bayerischen Staatsoper. Er spielte auf dem Tafelklavier Richard Wagners im Schloss Neuschwanstein, arbeitete den Klang des Wasserfalls in der Grotte von Schloss Linderhof ein und Gebetsgesänge, die der Künstler auf einer Reise durch die Vereinigten Arabischen Emirate aufgenommen hatte.

 

Hubert Kah nennt die Platte, mit der er Wahrhaftigkeit präsentieren will: „Hubert Kah“. 2005 wagt er ein zweites Comeback. Das Album, mit dem er zeigen will, wer und was er wirklich ist, nennt er: „Seelentaucher“. Doch auf dem Grund seiner Seele sieht es dunkel aus. Hubert Kah tourt zwar als Eiskönig Kini mit dem Musical „Prinzessin Lillifee“ durch Deutschland, spielt auf Festivals, tüftelt am aktuellen Album von Sandra mit. Aber „das Chamäleon der deutschen Popmusik“ (Homepage) ist noch immer auf Tabletten und Psychiater angewiesen. Die Ärzte, berichtet Kemmler, diagnostizierten ihn schließlich als therapieresistent. Heute fragen sie ihn, wie er so lange mit seiner Depression leben konnte. Hubert Kah antwortet dann: „Ich wusste immer: Wenn ich in meiner zähen Art aushalte, dann werde ich irgendwann durch das Nadelöhr durch sein.“

Er leidet, wenn er nicht singen kann

Auf Hubert Kemmlers iPad ist die Zukunft zu hören. „Todessymphonie“, dröhnt eine tiefe Stimme aus dem kleinen Computer. Das ist Hubert Kah. „Bittersweet Melody bläst heut Nacht zum Halali“, erklingt mit opernhoher Stimme. Das ist Justin. Der Countertenor ist Hubert Kahs neue Entdeckung. Er hat dem jungen Mann aus Rumänien den Künstlernamen Narciss gegeben. Auf der neuen Platte wird er mitsingen. Eigentlich sollte sie längst erschienen sein. Lieder hat Hubert Kah genug geschrieben. Doch die Werke sind seiner Seele abhandengekommen. Die Krankheit hat sie sich geholt. Sie hat sich über die Gefühle gelegt und sie betäubt. Lieder, die Hubert Kah nicht fühlt, kann er nicht singen. „Wenn ich glücklich bin, haben auch andere etwas davon“, sagt der Künstler, der inzwischen fünf Stücke so weit hat, dass sie mehr oder weniger nur noch fertig gemischt werden müssen. Eins davon heißt „Märchenwald“. „Ich lasse alle Schwächen zu“, singt Hubert Kah darin.

Der Mann, dessen Hits auf keiner NDW-Party fehlen und auf ungezählte Partyplatten gepresst wurden, hätte es nicht nötig, Geld zu verdienen. „,Sternenhimmel‘ und ,Maria Magdalena‘ sind wie eine Rentenversicherung“, sagt ihr Schöpfer. Doch wenn er nicht singen kann, also authentisch, dann leidet er, also existenziell. Hubert Kemmler sagt, dass er durchdrungen ist vom Wunsch, sich auszudrücken, dass er keinen größeren hat. Deshalb auch die dringende Mail, für die er den Mittagschlaf opfert.

Hubert Kemmler sitzt in einem Sesselchen aus schwarzem Leder. Die Klinik hat dem Privatpatienten das Stübli zur Verfügung gestellt, ein elegant eingerichtetes Besprechungszimmer. Kemmler zückt sein iPad und öffnet die Bibliothek. Im virtuellen Regal erscheint „Schwerelos“ von Ildikó von Kürthy. Kemmler liest vor: „Dieser zu Unrecht fast vergessene Titel des anbetungswürdigen Hubert Kah hatte meinen Namen in die Charts gebracht“, schwärmt die Protagonistin des Romans namens Rosemarie über das Lied „Rosemarie“. „Anbetungswürdig! Zu Unrecht fast vergessen!“, schwärmt Hubert Kemmler. Der Held des zweiten Buchs in der Bibliothek heißt Felicitus. Er ist Musiker, „der seit Kindesbeinen an von übersinnlichen Fähigkeiten und Lebensüberdruss begleitet wird“. So heißt es im Klappentext von „Der Ruf, der durch die Zeit“ schallt. „Das ist meine Geschichte“, ruft Hubert Kemmler, der mit den zwei Verfasserinnen befreundet ist. Das Hörbuch hat er selbst eingelesen.

Hubert Kemmler ist jetzt 50. Er sieht nicht mehr aus wie David Bowie oder ein Clown. Blass ist er, die wenigen Haare sind hellgrau, der Körper aufgeschwemmt. Er trägt blaue Jeans und ein rotes Sweatshirt, Letzteres auf links gedreht.

Behandlungen mit elektrischen Stößen galten früher als Folter, heute erkennt die Bundesärztekammer die Elektrokonvulsionstherapie als „bestmögliche Behandlung für bestimmte psychiatrische Erkrankungen“ an. Mit Elektronen ausgelöste epileptische Anfälle sollen die gestörte Balance unter den Neurotransmittern im Gehirn wiederherstellen. Hubert Kemmler drückt es poetischer aus: Eine Abrissbirne haut die synaptischen Verbindungen weg, die in seinem Kopf für Schwere und Chaos verantwortlich sind. Insgesamt 13-mal werden die Ärzte einen epileptischen Anfall bei ihm auslösen und jeweils 6,7 Sekunden lang 0,9 Ampere durch seine Schädeldecke schicken. Damit sich sein Körper nicht wehrt, werden mit einem Medikament sämtliche Muskeln ausgeschaltet, zwischen die Zähne kommt ein Gummikeil. Nach fünf Minuten ist die Prozedur vorüber, der vollnarkotisierte Patient wieder wach. „Herr Kemmler profitiert enorm von der Therapie“, sagt Martin Keck, der Ärztliche Direktor der Schweizer Privatklinik. „Das ist für mich der Weg, in toto erlöst zu werden“, sagt Hubert Kemmler, der schon lange nach Erlösung sucht.

Sieben Jahre Tauschstation

Nach seinem Rückzug 1989 dauert es sieben Jahre, bis Hubert Kah wieder auftaucht. Sein neues Album ist zwar kein kommerzieller Erfolg, Kritikern trotzt die Platte allerdings Respekt ab. Für die elf Stücke arbeitete Hubert Kah mit dem Wiener Sinfonieorchester und dem Chor der Bayerischen Staatsoper. Er spielte auf dem Tafelklavier Richard Wagners im Schloss Neuschwanstein, arbeitete den Klang des Wasserfalls in der Grotte von Schloss Linderhof ein und Gebetsgesänge, die der Künstler auf einer Reise durch die Vereinigten Arabischen Emirate aufgenommen hatte.

Hubert Kah nennt die Platte, mit der er Wahrhaftigkeit präsentieren will: „Hubert Kah“. 2005 wagt er ein zweites Comeback. Das Album, mit dem er zeigen will, wer und was er wirklich ist, nennt er: „Seelentaucher“. Doch auf dem Grund seiner Seele sieht es dunkel aus. Hubert Kah tourt zwar als Eiskönig Kini mit dem Musical „Prinzessin Lillifee“ durch Deutschland, spielt auf Festivals, tüftelt am aktuellen Album von Sandra mit. Aber „das Chamäleon der deutschen Popmusik“ (Homepage) ist noch immer auf Tabletten und Psychiater angewiesen. Die Ärzte, berichtet Kemmler, diagnostizierten ihn schließlich als therapieresistent. Heute fragen sie ihn, wie er so lange mit seiner Depression leben konnte. Hubert Kah antwortet dann: „Ich wusste immer: Wenn ich in meiner zähen Art aushalte, dann werde ich irgendwann durch das Nadelöhr durch sein.“

Er leidet, wenn er nicht singen kann

Auf Hubert Kemmlers iPad ist die Zukunft zu hören. „Todessymphonie“, dröhnt eine tiefe Stimme aus dem kleinen Computer. Das ist Hubert Kah. „Bittersweet Melody bläst heut Nacht zum Halali“, erklingt mit opernhoher Stimme. Das ist Justin. Der Countertenor ist Hubert Kahs neue Entdeckung. Er hat dem jungen Mann aus Rumänien den Künstlernamen Narciss gegeben. Auf der neuen Platte wird er mitsingen. Eigentlich sollte sie längst erschienen sein. Lieder hat Hubert Kah genug geschrieben. Doch die Werke sind seiner Seele abhandengekommen. Die Krankheit hat sie sich geholt. Sie hat sich über die Gefühle gelegt und sie betäubt. Lieder, die Hubert Kah nicht fühlt, kann er nicht singen. „Wenn ich glücklich bin, haben auch andere etwas davon“, sagt der Künstler, der inzwischen fünf Stücke so weit hat, dass sie mehr oder weniger nur noch fertig gemischt werden müssen. Eins davon heißt „Märchenwald“. „Ich lasse alle Schwächen zu“, singt Hubert Kah darin.

Der Mann, dessen Hits auf keiner NDW-Party fehlen und auf ungezählte Partyplatten gepresst wurden, hätte es nicht nötig, Geld zu verdienen. „,Sternenhimmel‘ und ,Maria Magdalena‘ sind wie eine Rentenversicherung“, sagt ihr Schöpfer. Doch wenn er nicht singen kann, also authentisch, dann leidet er, also existenziell. Hubert Kemmler sagt, dass er durchdrungen ist vom Wunsch, sich auszudrücken, dass er keinen größeren hat. Deshalb auch die dringende Mail, für die er den Mittagschlaf opfert.

Ein geplantes Konzert ist abgesagt worden. Hubert Kah hat Angst, dass nun seine neu verpflichteten Musiker abspringen. Sie könnten glauben, dass das nichts mehr wird mit ihm, der Musik und den Auftritten. Ausgerechnet jetzt, wo der Künstler sagen kann: „Der Gesang gehört mir wieder.“ Der Adressat der Mail soll dringend sämtliche eventuellen Sorgen zerstreuen.

Im Februar ist die Behandlung in Zürich beendet. Dann wird Hubert Kemmler wieder in Mannheim – oder wahlweise – auf Teneriffa wohnen und sich ganz seinem neuen Album widmen. Den Song für die erste Single hat er schon geschrieben. Der Refrain geht so: „Millionen von Sternen glühen für dich, sie funkeln dir zu!“