Die Syna kontrolliert ihre Hochspannungsleitungen per Hubschrauber. Wir sind für eine Reportage mitgeflogen – und haben uns erklären lassen, warum die Flüge nötig sind.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

„Da vorne kommt ein Gebäude“, knarzt die Stimme von Pilot Matthias Schuster durch das Intercom-System. Die AS350 fliegt in rund 20 Metern Höhe, ein direktes Überfliegen des Gehöfts ist tabu. Um auszuweichen, setzt der Pilot den schwarz-gelben Hubschrauber geschickt über die Hochspannungsleitung, die sich auf der linken Seite entlangzieht. Solche Drähte und Masten sind für Helikopterpiloten eigentlich ein ernst zu nehmendes Hindernis, von dem sie sich üblicherweise fernhalten: Kämen Heck- oder Hauptrotor mit ihnen in Berührung, würde der Flug in einer Katastrophe enden. Doch Schuster und seine Passagiere wollen genau hierhin, auf Tuchfühlung mit der Leitung. Denn die beiden Männer, die zu seiner Linken sitzen, sind Hochspannungsmonteure des Netzbetreibers Syna. Sie konzentrieren sich bei dem Flug auf die Leitungen und die Masten und halten die Augen nach Schäden, Hindernissen oder Gefahrenquellen für die Stromtrasse offen.

 

Einmal pro Jahr überprüft die Süwag-Tochter Syna ihre Leitungen und jeden einzelnen Mast. Im Wechsel werden die Trassen dafür entweder zu Fuß abgegangen – oder eben mit dem Hubschrauber abgeflogen. „In dieser Woche haben wir schon 492 Kilometer an Leitungen kontrolliert“, erklärt Timo Winkler. Er und sein Kollege Giacomo Nannavecchia teilen sich die Arbeit auf: Einer nimmt die Leiterseile und die Masten in Augenschein, der andere vermerkt die Beobachtungen in einem Computersystem. „Dabei achten wir auf Beschädigungen, auf Bewuchs, der zu Störungen führen kann, oder auf Baustellen und Kräne, die der Leitung nahekommen“, erklärt Nannavecchia. Mast für Mast ist in ihrer Software hinterlegt und laufend nummeriert, damit die Reparaturteams die Stellen später auf der Basis ihrer Angaben finden können.

Darum werden die Leitungen nicht per Drohne kontrolliert:

Auf dem Feld der luftgestützten Suche oder der Überwachung von Gebieten hat in den vergangenen Jahren die Drohnentechnik riesige Sprünge gemacht. Die ferngesteuerten Fluggeräte sind mit hochauflösenden Kameras ausgestattet, sie fliegen leiser und deutlich billiger als ein Hubschrauber – eine Flugstunde mit dem AS350 des Herstellers Airbus Helicopters schlägt zum Beispiel mit 1200 bis 1500 Euro zu Buche. Auch Rettungsorganisationen haben den Nutzen von Drohnen mittlerweile erkannt und setzen die unbemannten Helikopter auch zur Personensuche ein. Mathias Schuster erklärt aber, bei der Kontrolle der Stromleitungen seien bemannte Hubschrauber noch immer im Vorteil: „Sie sind deutlich schneller, können länger in der Luft bleiben und über längere Strecken fliegen.“ Eine Drohne dürfe dagegen laut Gesetz nur auf Sichtweite geflogen werden. Beim Kontrollflug weniger wichtig, aber trotzdem beeindruckend ist die Traglast des vergleichsweise kompakten Helikopters: Von sechs Personen oder Außenlasten von bis zu 1,3 Tonnen kann jede Drohne nur träumen.

Bald kalken wieder Hubschrauber den Wald

Der Tiefflug über die Felder von Winnenden geht derweil weiter. Geschickt manövriert Schuster den Hubschrauber durch die Hinderniskulisse. Er legt die Maschine immer so in die Luft, dass die beiden Syna-Männer die Leitungen sehen können. Da beide auf der linken Seite im Helikopter sitzen, fliegt er auch mal seit- oder rückwärts. Wenn die beiden etwas genauer in Augenschein nehmen wollen, versetzt er den Helikopter in den Schwebeflug. „Das ist ja das Schöne am Hubschrauberfliegen“, sagt Schuster.

Der 54-Jährige ist Pilot aus Leidenschaft, er hat schon im Teenageralter mit dem Segelfliegen angefangen und später im zivilen Bereich den Helikopterpilotenschein gemacht. „Dort fliegt man inzwischen wesentlich mehr als bei der Bundeswehr“, erzählt er. Für die Firma Meravo Helicopters, die von der Syna mit den Kontrollflügen beauftragt worden ist, hat er erst in der vergangenen Woche Prominente durch die Gegend geflogen. „Und bald machen wir dann schon wieder Waldkalkungen.“

Den Passagieren bietet sich angesichts der geringen Flughöhe eine spektakuläre Aussicht: Eine Spaziergängerin auf dem Feldweg reckt den Kopf nach dem lauten Brummer. Eine kleine Schafherde zieht es vor, sich angesichts des nahenden Hubschraubers unter einen Baum zu flüchten. Ein junges Reh bleibt dagegen still im hohen Gras liegen – all diese Details nehmen Timo Winkle und Giacomo Nannavecchia jedoch nur am Rande wahr. Ihre volle Aufmerksamkeit gilt den Leitungen, Isolatoren und Hochspannungsmasten. Eine Abwechslung gegenüber der Kontrolle zu Fuß, wie sie im nächsten Jahr wieder ansteht, ist so ein Flug allerdings auch für sie. „Bei der Begehung benötigt man viel mehr Zeit – ein paar Flaschen Wasser und gute Schuhe braucht man auf jeden Fall“, meint Giacomo Nannavecchia augenzwinkernd.

Fotoreportage: Eine Bilderstrecke mit vielen Fotos vom Mitflug finden Sie im Internet unter der Adresse stzlinx.de/helikopter.